„Als Elektriker bin ich zu ungeschickt, dann habe ich einfach weiterstudiert, bis ich ein Doktorat hatte“

Als Wirtschaftshistoriker und Researcher of the month 10/19 widmet sich WU Forscher Markus Lampe in seinen Untersuchungen unter Anderem den Folgen der zunehmend protektionistischen Handelspolitik des britischen Empires während der 1920er und 1930er Jahre. Für den WU Blog haben wir ihn gefragt, welche Folgen ein ungeregelter Brexit haben könnte und warum er sich besonders für die dänische Agrarpolitik interessiert.

Jahrgang: 1977

Geburtsort (aufgewachsen in): geboren in Cloppenburg, Niedersachsen (Deutschland), aufgewachsen in Resthausen, einem kleinen Dorf in der Nähe.

Als Kind wollte ich werden: Elektromeister (wie mein Vater), irgendwann auch Lehrer

Darum bin ich Wissenschaftler geworden: Als Elektriker bin ich zu ungeschickt, dann habe ich einfach weiterstudiert, bis ich dann ein Doktorat hatte.

Das fasziniert mich an meinem Fachbereich: Der Wirtschaftshistoriker Bob Allen nennt die Wirtschafts- und Sozialgeschichte daher die „Königin der Sozialwissenschaften“, weil wir etwas zwischen Geschichte, Volkswirtschaft, Soziologie, und manchmal auch Betriebswirtschaft betreiben, das im besten Fall mehreres gleichzeitig ist. Das Arbeiten in so einer methodischen, theoretischen und inhaltlichen Grenzzone wird nie langweilig.

Mein persönliches berufliches Wunschziel: Den zuvor genannten Anspruch meines Fachbereichs zu erfüllen.


WU Blog: Sie haben Geschichte ebenso wie Volkswirtschaft studiert. Wie sehen Sie sich selbst, sind Sie mehr Historiker oder mehr Ökonom?

Markus Lampe: Ich bin Wirtschaftshistoriker oder „historischer Sozioökonom“, der versucht, dass Historiker und Volkswirte nicht ständig denken, dass bei Ihnen eigentlich nicht dazugehöre. Ich habe ja umgekehrt gesehen kein Doktorat in Geschichte und volkswirtschaftliche Inhalte im Magister nur im Nebenfach studiert.

WU Blog: In Ihrem Video als Researcher of the Month präsentieren Sie ein Forschungsprojekt über die britische Handelspolitik der 1930er Jahre. Wie sehen Sie die handelspolitische Rolle Großbritanniens im Vergleich zu heute?

Markus Lampe: Die Briten haben Anfang des 19. Jahrhunderts den Freihandel theoretisch und politisch quasi erfunden und das ganze 19. Jahrhundert über aus dieser Position „Deals“ mit anderen europäischen Ländern eher abgelehnt und die Überzeugungskraft von Theorie und Beispiel betont. (Im Umgang mit China und den britisch kolonisierten Gebieten sah das natürlich anders aus.) Der Bruch mit dem nicht-diskriminierenden Freihandel in den 1930ern war eine deutliche Zäsur in eine bedenkliche Richtung, und richtete sich zugunsten des Empires gegen Kontinentaleuropa. Der EG-Beitritt 1973 war dann ein Schritt zurück Richtung Europa, der nun offenbar zumindest teilweise rückgängig gemacht wird.

„Imperiale Präferenzen wie in den 1930ern werden nicht auferstehen.“

Imperiale Präferenzen wie in den 1930ern werden nicht auferstehen. Zugang zum europäischen Binnenmarkt, mindestens für Waren, möchten sie ja weiterhin haben, und zusätzlich – und ohne den Rest der EU – über weitere Handelsabkommen verhandeln. Allerdings glaube ich nicht, nicht, dass die Brexit-Idee des „Zurückgewinnens von Kontrolle“ sich besonders auf Handelspolitik bezieht. Was in den 1930ern der Handel war, ist heute die Immigration, hier soll der freie Zuzug aus Europa durch andere Regeln ersetzt werden. Ob das irgendwelche Probleme löst oder vielleicht unerwünschte Nebenwirkungen überwiegen, werden zukünftige KollegInnen klären müssen.

WU Blog: Wie wird sich ein ungeregelter Brexit handelspolitisch auswirken? Und welche Länder werden Ihrer Einschätzung nach am stärksten betroffen sein von den handelspolitischen Maßnahmen?

Markus Lampe: Das habe ich nicht erforscht, aber zum Glück kann ich von Kollegen lernen: Mein Koautor Kevin O’Rourke hat eine kurze Geschichte des Brexit geschrieben, die sehr lehrreich ist, und natürlich die Wirkungen für Irland und Großbritannien selbst betont. Meine anderen beiden Koautoren, Alan de Bromhead und Alan Fernihough, sind Iren und leben in Belfast. Das Lehrbuch, das ich für die Lehrveranstaltung Wirtschaftsgeschichte verwende, enthält eine Tabelle, nach der außerdem die Niederlande, Spanien und Dänemark am meisten nach Großbritannien exportieren. Dass Österreich recht wenig betroffen sein sollte, weiß ich aus den Beiträgen des Kollegen Oberhofer in der Presse und bei den 100 Fragen zur WU-Forschung.

WU Blog: Sie beschäftigen sich in Ihrer Forschung nicht nur mit der Britischen Geschichte, sondern auch der Wirtschaftsgeschichte Dänemarks – warum genau Dänemark?

Markus Lampe: Das damals agrarisch dominierte Dänemark hat im 19. Jahrhundert auf einen Globalisierungsschub nicht mit Protektionismus oder landwirtschaftlicher Krise, sondern mit exportorientierter Produktionsverlagerung von Getreide auf Milchprodukte reagiert und ist damit sehr gut gefahren. Warum es das als einziges europäisches Land so hinbekommen hat, fragen sich WirtschaftshistorikerIinnen schon länger. Als ich nach meinem Doktorat im Jahr 2009 an der Uni Kopenhagen gearbeitet habe, war meine lokale Betreuerin Ingrid Henriksen, die führende Expertin für die Geschichte dänischer Molkereigenossenschaften. Gemeinsam mit ihr und meinem damaligen Bürokollegen Paul Sharp, heute einer der führenden Wirtschaftshistoriker Dänemarks, haben wir dann die Suche nach den Ursprüngen der dänischen Erfolgsgeschichte aufgenommen.