„KI-Tools sind ein Hilfsmittel, aber kein Ersatz für eigenes wissenschaftliches Arbeiten“

Dr. Johanna Warm leitet die Abteilung Lehr- und Lernentwicklung an der WU und lehrt im BBE „Introduction to Academic Writing“. Im Expert*innen-Interview verrät sie uns, wie künstliche Intelligenz ihre Lehre beeinflusst und thematisiert KI und „Good academic practice“.

WU Blog: Künstliche Intelligenz in der Hochschullehre: Integrieren Sie KI bereits in Ihren Lehrveranstaltungen – wenn ja, inwiefern?

Johanna Warm: Ich unterrichte wissenschaftliches Schreiben und damit eine Disziplin, die besonders „anfällig“ für die Nutzung generativer KI-Tools ist. ChatGPT ist beispielsweise in der Lage, Homework-Assignments in meiner Lehrveranstaltung zumindest zufriedenstellend zu beantworten. Da diese Hausübungen ein wichtiges Element dessen sind, was die Studierenden in meiner Lehrveranstaltung lernen können und ich darauf auch individuelles (also aufwändiges) Feedback gebe, ist es mir wichtig, dass die Studierenden die Leistung auch selbst erbringen. Jedoch ist KI gerade für Recherchetätigkeiten, das Schreiben von Zusammenfassungen, das Entwickeln von Ideen oder das das Überwinden von Schreibblockaden ein hilfreiches Tool. Ich habe mich deshalb dazu entschieden, pro-aktiv vorzugehen: In einer Einheit zum Thema „Good academic practice“ thematisiere ich den Umgang mit generativer KI und lasse die Studierenden in einer der Hausübungen damit experimentieren.

WU Blog: Welche Vorteile ergeben sich für Sie im universitären Alltag?

Johanna Warm: Ich verwende generative KI-Tools hauptsächlich für zwei Anwendungszwecke: Einerseits für das Erstellen von Strukturvorschlägen, z.B. für Vorträge, Workshops und Lehrveranstaltungseinheiten. Andererseits lass ich mich durch die Anwendung inspirieren, d.h. ich lasse mir beispielsweise Ideen, Anwendungsbeispiele oder unterschiedliche Perspektiven auf ein Thema vorschlagen, die dann den Ausgangspunkt für weitere Überlegungen darstellen. Dies ist für mich eine Möglichkeit, neue Themen aus unterschiedlichen Blickpunkten zu betrachten.

WU Blog: Wo entstehen aus Ihrer Sicht Herausforderungen für Studierende?

Johanna Warm: Tools wie ChatGPT liefern konkrete und meist gut formulierte Ausgaben, was dazu verleiten kann, Texte unreflektiert, unkommentiert oder gar unverändert zu übernehmen. Das kritische und kreative Denken und Problemlösen den Tools zu übertragen, kann ebenfalls eine Versuchung darstellen. Außerdem benötigt es Wissen und gewisse Kompetenzen, um bei der Arbeit mit KI-Tools gute Ausgaben zu erhalten und diese dementsprechend zu verwenden. Einerseits sollte die Eingabe gut überlegt sein, was häufig bedeutet, dass ein Basiswissen zum Thema vorhanden sein muss. Andererseits ist es unbedingt nötig, den Output kritisch zu hinterfragen.

Es kann sehr verlockend sein, eine schnelle Lösung für ein Problem generieren zu lassen anstatt langfristige Lernziele selbstständig zu erreichen.

Eine weitere Herausforderung ist aus meiner Sicht die „instant gratification“, die die Nutzung der Tools mit sich bringt. KI-Tools sind immer verfügbar und liefern sofort eine Antwort und damit eine „Belohnung“. Es kann also sehr verlockend sein, eine schnelle Lösung für ein Problem generieren zu lassen anstatt langfristige Lernziele selbstständig zu erreichen. Am Ende bringt man sich dabei jedoch selbst um das Erfolgserlebnis, das ein autonomer Lernprozess mit sich bringt.

WU Blog: “Good academic practice” und KI – wie sieht das aus?

Johanna Warm: In meiner Lehrveranstaltung diskutiere ich mit den Studierenden die ethischen Aspekte der KI-Nutzung, insbesondere im Hinblick auf Plagiate und die eigenverantwortliche Erstellung von akademischen Arbeiten. Wir besprechen, wie die Nutzung kenntlich gemacht werden sollte und worin die eigene Leistung beim Schreiben besteht. Das bedeutet, dass Grundtechniken des wissenschaftlichen Arbeitens nötig sind, um Quellenangaben, Zusammenfassungen o.ä. erstellen oder überprüfen zu können. Wissen zum Umgang mit (sensiblen) Daten und zu ethischen Bedenken der Nutzung von KI-Tools ist ebenso unerlässlich wie die Entwicklung eines Bewusstseins dafür, dass KI-Tools ausschließlich als Hilfsmittel und nicht als Ersatz für eigenes wissenschaftliches Arbeiten betrachtet werden sollten.

WU Blog: Verraten Sie uns zum Schluss, welche KI-Toos Sie nutzen?

Johanna Warm: Grundsätzlich nutze ich deepL regelmäßig für Übersetzungen und research rabbit zur Unterstützung bei Recherchen. Bing Chat und ChatGPT dienen mir beim Entwickeln von Ideen als Sparring Partner und unterstützen bei der Strukturierung. Auch für die Planung meiner Lehre nutze ich hin und wieder ChatGPT, da es mir häufig andere Lehrmethoden vorschlägt, als solche, die ich ohnehin gerne einsetze. In manchen Fällen bin ich dann inspiriert, vorgeschlagene Methoden für meine Lehre anzupassen und auszuprobieren. Was sich in meiner eigenen Nutzung von ChatGPT zeigt, ist, dass es praktisch ausgeschlossen ist, Ausgaben des Tools so zu verwenden, wie sie sind – es benötigt immer meinen eigenen Einsatz, um daraus etwas zu formen, das ich verwenden möchte.