„Jeder Mensch wird von seinem Umfeld beeinflusst“

Als Researcher of the month 04/19 widmet sich Anne d’Arcy der Frage, unter welchen Umständen interne RevisorInnen gute – also unabhängige und objektive – Ergebnisse liefern können. Für den WU Blog haben wir die WU Forscherin zum Interview über fehlgeschlagene Revisionsprozesse und deren Folgen gebeten.

Name: Anne d’Arcy

Jahrgang: 1968

Geburtsort (aufgewachsen in): Vordertaunus und Frankfurt am Main

Als Kind wollte ich werden: Journalistin

Darum bin ich Wissenschaftler geworden: Nach 8 Jahren Finanzindustrie hatte ich die Chance, wieder selbstbestimmter zu arbeiten; diese Entscheidung habe ich bis heute nicht bereut.

Das fasziniert mich an meinem Fachbereich: Kombination von ökonomischen und verhaltenswissenschaftlichen Fragestellungen rund um mehr oder weniger erfolgreiche Unternehmen

Mein persönliches berufliches Wunschziel: Ich habe viele kleine Ziele, z.B. interessante Projekte mit meinen Kollegen und Praxispartnern verwirklichen, StudierendInnen für Fragestellungen begeistern, die manchmal auf den ersten Blick unsexy erscheinen.


WU Blog: Sie forschen zum Thema Corporate Governance: Was versteht man denn heute unter „Guter Unternehmensführung“ und wie sieht man, ob dahinter mehr als leere Worte stehen?

Anne d’Arcy: Ein einheitliches Verständnis hierzu gibt es nicht und das Verständnis entwickelt sich auch im Zeitablauf. Gute Corporate Governance soll aber letztlich gewährleisten, dass Unternehmen verantwortlich, qualifiziert, transparent und auf den langfristigen Erfolg ausgerichtet geführt und überwacht werden. Die konkrete Umsetzung kann sehr unterschiedlich aussehen und daher finden wir viele Facetten, national wie international. Eine schlechte Governance darf nicht mit einem schlechten Management gleichgesetzt werden. Typische Merkmale wären beispielsweise Intransparenz bei wichtigen Entscheidungen oder ein fragwürdiges Anreizsystem.

„Eine schlechte Governance darf nicht mit einem schlechten Management gleichgesetzt werden.“

WU Blog: Welche Funktion haben interne RevisorInnen in einem Unternehmen?

Anne d’Arcy: Die Interne Revision erbringt unabhängige und objektive Prüfungs- und Beratungsleistungen, welche darauf ausgerichtet sind, Mehrwert für das Unternehmen zu schaffen und die Geschäftsprozesse zu verbessern. Interne RevisorInnen unterstützen das Unternehmen bei der Erreichung seiner Ziele, indem sie mit einem systematischen und zielgerichteten Ansatz die Effektivität des Risikomanagements, der Kontrollen und der Führungs- und Überwachungsprozesse bewerten und diese verbessern helfen. Darüber hinaus beraten sie bei der Optimierung von Geschäftsprozessen, um diese effizienter gestalten zu können.

WU Blog: Wenn man sieht, dass der „tone from the top“ RevisorInnen in ihrer Arbeit beeinflusst, wie kann dann ihre Objektivität gesichert bleiben?

Anne d’Arcy: Die berufsständischen Standards für Interne Revisoren fordern ein hohes Maß an Integrität und Objektivität. Interne Revisoren sollen danach unparteiisch und unvoreingenommen sein und jeden Interessenkonflikt vermeiden. Dies ist aber nur in einem gewissen Maße möglich, weil jeder Mensch von seinem Umfeld beeinflusst wird und Interessenkonflikte immer vorkommen können. In komplexen Entscheidungssituationen wirkt jeder Einfluss, also auch z.B. die direkte Kommunikation des Vorgesetzten, umso stärker. Mir geht es darum, dass der Vorgesetzte und die RevisorInnen sich dieser Effekte bewusst sind und vorhandene Interessenkonflikte thematisieren. Kommunikation, bewusst und gezielt eingesetzt, wird in diesem Sinne Teil einer gelebten Unternehmenskultur.

WU Blog: Können Interne RevisorInnen typische Unternehmensskandale erkennen/verhindern? Wie viel Verantwortung tragen Interne RevisorInnen?

Anne d’Arcy: Wir erfahren ja wenig über Skandale, die verhindert wurden. Ökonomisch argumentiert scheint es effizient, eine Interne Revision mit der Überprüfung des Kontrollsystems und anderer Maßnahmen zu beauftragen, als die Kosten möglicher Skandale zu tragen. Die Stärke dieser Verteidigungslinie im Überwachungssystem des Unternehmens liegt ja gerade darin, systematische Schwächen von Kontrollen aufzudecken und damit Fehlverhalten zu verhindern. Daher ist die Antwort auf Ihre erste Frage ein klares Ja. Die zweite Frage birgt so manchen Fallstrick, da Interne RevisorInnen meist durch Nichtreaktion oder Nichtwissen ein Fehlverhalten an den Tag legen. Nur zwei Beispiele: als Reaktion auf den Dieselskandal hat sich VW entschlossen, den Leiter der Internen Revision freizustellen und durch eine externe Expertin zu ersetzen, unabhängig von seiner tatsächlichen Rolle bzw. seinem Wissen in diesem Skandal. Vor einigen Jahren hat der Bundesgerichtshof ein Urteil des Landgerichts Berlin gegen den Leiter der Internen Revision der Berliner Stadtreinigungsbetriebe wegen Beihilfe zum Betrug bestätigt, weil dem Leiter ein Berechnungsfehler zuungunsten von Grundstücksbesitzern bekannt war, er jedoch weder den Vorstand noch den Aufsichtsrat unterrichtete und auch sonst nichts unternahm, um die Einziehung überhöhter Entgelte zu vermeiden.

WU Blog: Gibt es in der Praxis große Skandale, die durch die Interne Revision rechtzeitig verhindert hätten werden können?

Anne d’Arcy: Große Skandale zeichnen sich immer dadurch aus, dass viele Governance-Mechanismen parallel versagen. Man darf nicht vergessen, dass die Interne Revision Teil des Unternehmens ist und damit vom Auftrag und der Ausstattung abhängig ist, die das Leitungs- und/oder Kontrollorgan festlegt. Auch sind Interne RevisorInnen keine Übermenschen, sondern sind genauso wie andere Mitarbeiter vielen Einflüssen ausgesetzt, die ihr Entscheidungsverhalten beeinflussen können. Umso wichtiger ist es, dass eine gut aufgestellte Innenrevision effektiv mit anderen Bereichen der Internen Governance zusammenarbeitet. Nur dieses Zusammenspiel hilft letztlich, Fehlverhalten zu verhindern.