„Viele Menschen haben ein ganz unterschiedliches Konzept von Gerechtigkeit.“
Alexander Rust ist Professor für Steuerrecht am Institut für Österreichisches und Internationales Steuerrecht an der WU und aktuell Researcher of the month 09/18. In seiner Forschungsarbeit setzt er sich damit auseinander, dass große Internetunternehmen wie Facebook, Google, Amazon und Co. trotz enormer Umsätze in der EU durchschnittlich weniger als 10 % Körperschaftsteuer bezahlen. Die aktuelle Diskussion um die Einführung einer EU-Digitalsteuer sieht der Steuerrechtsexperte kritisch – wir haben den Wissenschaftler nach den möglichen Auswirkungen auf die Steuerparadiese und Steuer-Gerechtigkeit gefragt.
Name: Alexander Rust
Jahrgang: 1973
Geburtsort (aufgewachsen in): Lehrte bei Hannover (Deutschland)
Als Kind wollte ich werden: Pianist
Darum bin ich Wissenschaftler geworden: Um den Dingen richtig auf den Grund gehen zu können, Zusammenhänge zu verstehen und meine Ideen mit anderen diskutieren zu können.
Das fasziniert mich an meinem Fachbereich: Das Steuerrecht spielt in alle Bereiche des Lebens hinein, Als Eingriffsrecht ist es Bestandteil des öffentlichen Rechtes und wird durch die Grundrechte und die europäischen Grundfreiheiten determiniert. Gleichzeitig überlagert das Steuerrecht zivilrechtliche Fragestellungen wie Kauf- und Gesellschaftsverträge. Im Internationalen Steuerrecht schaut man noch dazu nicht nur auf das eigene Recht, sondern auch immer auf die Rechtsordnungen anderer Staaten.
Mein persönliches berufliches Wunschziel: Mit einer Professur an der WU in meiner Lieblingsstadt Wien sind eigentlich schon ganz viele Wünsche in Erfüllung gegangen.
WU Blog: In Ihrer Forschungsarbeit setzen Sie sich u.a. mit der geplanten „Digitalsteuer“ für große Internetkonzerne auseinander. In der EU waren die Meinungen dazu zweigeteilt, letztendlich konnte man sich darauf einigen, in den kommenden Monaten eine Lösung mit allen Mitgliedsstaaten zu erarbeiten. Welche Folgen hätte der Alleingang einzelner Staaten gehabt?
Alexander Rust: Alleingänge führen natürlich immer dazu, dass Unternehmen ihre Aktivitäten in Staaten verlagern, in denen das Steuerrecht für sie günstiger ist. Alleingänge können vor allem zu Doppelbesteuerungen führen, weil die zukünftige österreichische Digitalsteuer nicht im Sitzstaat des Unternehmens auf die dortige Körperschaftsteuerschuld angerechnet werden kann.
WU Blog: Länder wie Irland und Luxemburg (in denen viele Internetkonzerne ihren Firmensitz haben) stehen der EU-Digitalsteuer skeptisch gegenüber. Welche Auswirkungen hat die Digitalsteuer auf diese „Steuerparadiese“?
Alexander Rust: Die Aktivitäten der Internetkonzerne in der EU werden durch die Digitalsteuer höher besteuert. Nichtsdestotrotz werden die Internetkonzerne aus steuerlichen Gründen ihren Sitz in Staaten mit geringen effektiven Körperschaftsteuersätzen beibehalten.
WU Blog: Könnte die Einführung einer EU-Digitalsteuer eine Verschlechterung der Beziehungen der EU mit den USA nach sich ziehen?
Alexander Rust: Die meisten großen Internetkonzerne wie Facebook, Google, Amazon etc. kommen aus den USA. Durch die Einführung einer Digitalsteuer in der EU wird sich das Steueraufkommen in der EU erhöhen und gleichzeitig das Steueraufkommen in den USA reduziert werden. Das könnte von den USA ähnlich wie die gegen US-Unternehmen eingeleiteten Beihilfeverfahren als feindlicher Akt aufgefasst werden.
WU Blog: Über 50% der österr. Wirtschaftsleistung werden im Ausland verdient, Österreich ist also eine klassische Exportnation. Wäre es gerecht, dass Exportnationen weniger Steuereinnahmen haben würden als Länder, bei denen der Import überwiegt?
Alexander Rust: Gerechtigkeit ist ein hehres Ziel, aber viele Menschen haben ein ganz unterschiedliches Konzept von Gerechtigkeit. Bei der Einkommen- und Körperschaftsteuer hatte in der Vergangenheit derjenige Staat das Besteuerungsrecht, in dem die Wertschöpfung stattgefunden hat. Im Staat des Verbrauchers wurden dagegen Umsatzsteuern erhoben. Diese Grundprinzipien des Internationalen Steuerrechts werden nun durch die Digitalsteuer in Frage gestellt, indem dem Staat des Verbrauchers auch ein Teil des Körperschaftsteueraufkommens zugewiesen wird. Dies führt zu einer Verschieben von Steueraufkommen hin zum Staat des Imports und weg vom Staat des Exports.