„Ich habe zwei Tage vor der Geburt noch eine Prüfung geschrieben“

Studentin, Mutter, Unternehmerin: Jana Lisa Sabel verkörpert all diese Rollen in einer Person. Doch wie schafft es die WU Bachelorstudentin, alle damit verbundenen Aufgaben unter einen Hut zu bringen? Wir haben sie zum Interview gebeten.

WU Blog: Du schaffst den Spagat zwischen WU Studium, Arbeit und Kind – erzählst du uns ein bisschen über dich?

Jana Lisa Sabel: Ich studiere BWL im siebten Semester und werde im nächsten Sommer den Bachelor abschließen. Mein Sohn Leo ist am letzten Wochenende zwei Jahre alt geworden. Neben dem Studium habe ich immer gearbeitet, auch während der Schwangerschaft und direkt nach dem Mutterschutz. Im März 2021 habe ich dann Vizzard 360 gegründet und bin nun im Bereich virtuelle Rundgänge, virtuelles Home Staging und 360° Aufnahmen unternehmerisch tätig.

„Am Ball zu bleiben, hat mir richtig gut getan.“

WU Blog: Was war deine größte Angst in Bezug auf Studium mit Kind – und war diese Angst letztlich begründet? 

Jana Lisa Sabel: Meine größte Angst war, dass ich ewig brauchen werde und nicht in die Kurse und Spezialisierungen reinkomme, die ich am liebsten machen wollte (auch aus zeitlichen Gründen).

Diese Angst wurde nicht bestätigt, da ich mir das Ziel gesetzt habe, nicht länger als acht Semester zu studieren und das erreiche ich auch. Das bedeutete aber, dass ich manche Kurse mit wenig Aufwand einfach nur hinter mich bringen wollte und so in Kauf nehmen musste, „schlechtere“ Noten zu bekommen, als ich realistisch hätte erreichen können. Zum Beispiel habe ich aus dem Wochenbett heraus die Online-Vorlesung von BLP verfolgt (damals die einzige Online-Vorlesung überhaupt) und bin dann einmal zum Tutorium (4 Wochen nach der Geburt) und dann im Anschluss, ohne viel zu lernen direkt zur Prüfung gegangen. Der 4er war vorprogrammiert, aber ich wollte einfach weitermachen. Am Ball zu bleiben, hat mir richtig gut getan.

Die zweite Angst hat sich allerdings zum Teil bewahrheitet. Manche Kurse habe ich nur gewählt, weil die Zeiten für die Vereinbarung meiner verschiedenen Rollen gut gepasst haben. Mit meinem 2er Schnitt habe ich es leider nicht in meine zweite Wunsch-SBWL Unternehmensführung und Controlling geschafft. Das geht aber auch anderen Studierenden ohne Kind so. 😉 In meine erste SBWL E&I bin ich durch meine Erfahrung im Startup Bereich direkt reingekommen und darf sogar die Fragen interessierter und neuer Studierender als Ambassador beantworten.

„Ich verbringe lieber Quality Time mit meinem Kind und lasse ihn zu bestimmten Anlässen betreuen, um Energie zu tanken oder um bestimmte berufliche Ziele erreichen zu können.“

WU Blog: Gab es jemals schlechtes Feedback von Komiliton*innen/Vortragenden und wie gehst du damit um?

Jana Lisa Sabel: In der Zeit, in der ich noch nicht sichtbar schwanger war, ging es mir nicht so gut wegen der Morgenübelkeit, die mich bis in den vierten Monat plagte. Da ich mich viel übergeben musste, kam ich mehrfach zu spät zu einer PI, die um 8:30 Uhr begann. Der Professor hatte leider kein Verständnis und empfahl mir den Kurs abzubrechen, weil mir ohnehin eine Abmeldung wegen der Fehlzeiten drohte. Während der Sommeruni 2019 waren die Blicke und das Tuscheln schon unangenehm für mich. Im laufenden Semester hatte man nichts von meinem Bauch gesehen, aber im September war ich hochschwanger in der Uni und habe zwei Tage vor der Geburt noch eine Prüfung geschrieben. Von der überwiegenden Mehrheit gab es sehr viel Verständnis und Bewunderung.

„Seit Leo ein Jahr alt ist, geht er in den Kindergarten. Im ersten Jahr hatte ich auch immer jemanden der aufpassen konnte und habe mit guter Planung eine Vorlesung mit Kind umgehen können“

WU Blog: Wie läuft eine typische Woche und ein Tag an der Uni einer Studentin mit Kind ab?

Jana Lisa Sabel: Eine typische Woche hat für mich zwei fixe Tage im Büro. An diesen Tagen holt eine Babysitterin Leo vom Kindergarten und verbringt mit ihm den Nachmittag. An den anderen Tagen steht die Uni im Fokus, die Kurse sind dabei so gewählt, dass ich Leo selbst spätestens um 15:30 Uhr abholen kann. Diese Tage sehen dann so aus, dass ich um 7:00 Uhr aufstehe, mich zuerst fertig mache und Leo irgendwann währenddessen aufwacht. Dann wird er angezogen, wir putzen gemeinsam Zähne, ziehen unsere Schuhe an und gehen zum Kindergarten, der gleich um die Ecke ist. Zwischen neun und halb 10 komme ich dann meistens in der Uni an, wenn ich keine Vorlesung habe, gehe ich in die Bib und lerne, manchmal gibt es aber auch etwas Dringendes für Vizzard zu erledigen, das erledige ich dann auch aus der Uni heraus. Mittags esse ich irgendwo am Campus, gehe anschließend wieder in die Bib oder habe eine Vorlesung. Spätestens um 15:00 Uhr mache ich mich auf den Weg zum Kindergarten.

Leo und ich gehen dann meistens auf den Spielplatz oder in einen Park. Um 18:00 Uhr kommen wir nach Hause, wir spielen, malen oder lesen, bevor es Abendessen gibt. Manchmal gibt es aber auch Tage, an denen noch viel abzuarbeiten ist, beispielsweise eine Präsentation für die Uni, die vorbereitet werden muss oder Angebote, die für Vizzard geschrieben werden müssen. In der Zeit darf Leo dann ein bisschen Fernsehen schauen. Nach dem Abendessen gegen 19:00 Uhr beschäftigt er sich gerne selbst und ich räume auf und bereite den nächsten Tag vor. Um 20:00 Uhr bringe ich Leo ins Bett, es gibt noch eine Gute-Nacht-Geschichte, dann schläft er. Ab 20:30 Uhr habe ich dann wieder Zeit für meine Themen, oft arbeite ich dann noch ein paar Folien auf dem iPad durch, bevor auch ich schlafen gehe.

„Ein Kind verändert vieles – aber nicht alles.“

WU Blog: Nimmst du Leo mit in Vorlesungen? 

Jana Lisa Sabel: Normalerweise nicht. Seit Leo ein Jahr alt ist, geht er in den Kindergarten. Im ersten Jahr hatte ich auch immer jemanden, der aufpassen konnte und habe mit guter Planung eine Vorlesung mit Kind umgehen können. Vor allem in der Sommer- und Winteruni hatte ich viel Besuch von der Familie, sodass ich mehrere Prüfungen machen konnte. Auch wenn ich nie ein Problem hatte in der Öffentlichkeit zu stillen, in einer Vorlesung wäre es mir wahrscheinlich sehr unangenehm gewesen.

WU Blog: Wie hat dich die WU bei deiner Entscheidung, mit Kind zu studieren, unterstützt?

Jana Lisa Sabel: Ich bin zum Study Service Center gegangen und habe mich nach Unterstützungsmöglichkeiten erkundigt. Damals gab es leider (noch) keine eigene Anlaufstelle für „Studieren mit Kind“. Daraufhin habe ich mich ans Rektorat gewandt und konnte feststellen, dass schon einiges in der Pipeline war und mittlerweile auch umgesetzt wurde: eine eigene Informationsseite für das Studieren mit Kind etwa, eine Online-Peergroup wurde ins Leben gerufen (nächstes Treffen am 1.12.2021) sowie das Student Counselling als erste Ansprechstelle. Da ich mich sehr für noch bessere Bedingungen für Studierende mit Betreuungspflichten einsetze habe ich mich mit vielen engagierten WU Mitarbeitenden ausgetauscht. Ich freue mich auf weitere Projekte, die es für alle Eltern an der Uni – egal ob studierend oder lehrend – einfacher machen werden, den Spagat zwischen Lehre bzw. Studium und Familie zu erleichtern.

WU Blog: Was würdest du anderen Studentinnen, die vor einer ähnlichen Herausforderung stehen, raten?

Jana Lisa Sabel: Da habe ich ganz konkret 6 Punkte parat:

  1. Sei dir immer ganz sicher in deiner Entscheidung. Egal, ob es für ein Kind oder für ein Studium ist, oder eben für beides. Gute Organisation, ein bisschen Kreativität und ein gutes „Netz“ an Betreuung und Bezugspersonen ist das A und O.
  2. Bleib dir selbst treu. Klar, ein Kind verändert vieles, aber nicht alles. Es kommt eine neue Priorität hinzu, aber alles andere, was einem auch wichtig ist, sollte nicht verloren gehen.
  3. Wenn es dir gut geht, geht es auch deinem Kind gut. Nach dieser Philosophie lebe ich meinen Alltag zwischen Studium, Arbeit, Kind und Privatem. Manchmal braucht es aber einen Tapetenwechsel oder Abwechslung, damit der Alltag gut läuft. Ich verbringe lieber Quality Time mit meinem Kind und lasse ihn zu bestimmten Anlässen betreuen, um Energie zu tanken oder um bestimmte berufliche Ziele erreichen zu können. Das ist für mich die perfekte Mischung.
  4. Auch ein „ungeplantes Wunschkind“ ist ein Wunschkind. So geht es mir jedenfalls. Ein Kind ist einfach eine Bereicherung und ich bin sehr froh das Glück zu haben, ein gesundes, glückliches Kind in meinem Leben zu haben.
  5. Das Studium ist ein guter Zeitpunkt Kinder zu bekommen. Gerade an der WU, wo man so flexibel seine Kurse wählen kann mit Möglichkeiten wie dem Studienbeschleunigungsprogramm, Abendveranstaltungen, etc. lässt sich Studieren mit Kind gut vereinbaren.
  6. Such dir Gleichgesinnte, denn zusammen ist einfach besser. In Facebook Gruppen oder auf Instagram gibt es einige Seiten zum Thema „Studieren mit Kind“. An der WU kenne ich auch einige Eltern im Studium und würde mich freuen, weitere kennenzulernen.

Du bist in einer ähnlichen Situation?

Du bist schwanger und/oder hast Betreuungspflichten zu erfüllen? Das WU Counselling Team ist bemüht, gemeinsam mit dir Lösungen zu finden, die dir deinen Alltag erleichtern.