„In einer Fremdsprache zu denken, zu reden und zu schreiben braucht Zeit und kognitiven Aufwand“

Miya Komori-Glatz beschäftig sich in ihrer Forschung mit der zunehmenden Internationalisierung von Unternehmen und den Einsatz von Englisch als Arbeitssprache. Als Researcher of the month 07/18 hat sie festgestellt: die Umstellung auf eine neue Arbeitssprache ist nicht immer einfach, aber es bringt auch Vorteile für die Firma und ihre Angestellten. Wir haben die Sprachwissenschaftlerin zum Interview gebeten und sie gefragt, ob die englische Sprache Deutsch als Sprache der Wissenschaft abgelöst hat.
Name: Miya Komori-Glatz

Jahrgang: 1984

Geburtsort (aufgewachsen in): geboren in Traralgon, Australien, mit 6 Jahren nach Hong Kong umgezogen, mit 13 nach Schottland

Als Kind wollte ich werden: Meeresbiologin und/oder Schriftstellerin

Darum bin ich Wissenschaftler geworden: Ich möchte verstehen, warum etwas ist, wie es ist und, wie man es (noch) besser machen könnte.

Das fasziniert mich an meinem Fachbereich: Es gibt heutzutage so viele Möglichkeiten, zu kommunizieren – in verschiedenen Sprachen, in ganz unterschiedlichen Kontexten, sogar in einer Vielfalt an Modalitäten. Und am Ende des Tages geht es meistens trotzdem einfach darum, dass jede/r gehört und verstanden werden will.   

Mein persönliches berufliches Wunschziel: Weiterhin neben meinen Hauptaufgaben als EBC2 Koordinatorin und Senior Lecturer zu forschen und einen Beitrag zur Wissenschaft und Gesellschaft zu leisten.


WU Blog: Warum ist eine einheitliche Unternehmenssprache so wichtig?

Miya Komori-Glatz: Wichtig ist, dass es tatsächlich gute Gründe gibt, eine einheitliche Unternehmenssprache einzuführen und, wenn ja, dass es konsequent durchgeführt wird, damit niemand ausgeschlossen wird und die (richtigen) Informationen alle erreichen. Eine einheitliche Unternehmenssprache soll Kosten für Übersetzungstätigkeiten usw. sparen und Informationsflüsse straffen, sowie MitarbeiterInnen aus einem größeren internationalen Pool anlocken. Allerdings werden gerade in der Umstellungsphase sehr viele Kosten verursacht, da es fast unmöglich ist, eine ganze Firma und ihre Verwaltung innerhalb kürzester Zeit umzustellen. Meistens ist ein flexibler und kontextabhängiger Umgang mit Sprache sowohl praktikabler als auch vorteilhafter.

WU Blog: Was zeichnet gerade Englisch als Unternehmenssprache aus?

Miya Komori-Glatz: Englisch ist heutzutage eine der meistverbreiteten Fremdsprachen. Je nach Quelle gibt es das zwei- bis vierfache an Menschen, die Englisch als Zweit- oder Fremdsprache können, wie englische MuttersprachlerInnen, und auch fast das doppelte im Vergleich zu der nächstmeistgesprochenen Sprache. Man muss mit solchen Zahlen natürlich sehr vorsichtig umgehen, sowie mit der Definition von Mutter- oder Fremdsprache. Aber es deutet darauf hin, dass Englisch oft die gemeinsame Sprache sein wird bzw. sein kann.

„Man muss sich bewusst sein, wer Macht durch sprachliche Kompetenzen erhält“

Eine gemeinsame Firmensprache soll ja auch zur Integration beitragen, wenn Firmen aus unterschiedlichen Ländern fusionieren. Aber wenn die Sprachwahl als politische Entscheidung wahrgenommen wird, kann diese zu Desintegration statt Integration führen. Zum Beispiel: nach der Fusion finnischer und schwedischer Firmen, wurde Schwedisch ursprünglich als offizielle Firmensprache eingeführt, da es die zweite offizielle Sprache von Finnland ist und das Top-Management gut Schwedisch konnte. Allerdings war diese Wahl ganz kontroversiell und viele MitarbeiterInnen haben sich darüber aufgeregt – es wurde sogar in den Medien diskutiert. Schließlich haben sie sich entschieden, stattdessen Englisch als Arbeitssprache zu nehmen. Das hat besser funktioniert, weil es für alle die zweite Sprache war. In solchen Fällen zeichnet Englisch als konstruktiver Kompromiss aus. Aber man muss sich bewusst sein, wer Macht durch sprachliche Kompetenzen erhält und wie sich das auswirkt.

WU Blog: Gibt es auch andere Sprachen, die Englisch gerade in der Wirtschaftskommunikation Konkurrenz machen?

Miya Komori-Glatz: Jede Sprache kann Englisch Konkurrenz machen, je nach Aufgabe, Ort/Lage und wer an der Interaktion teilnimmt. Firmen, die sich auf den Heimatsmarkt beziehen, werden die eigene Sprache bevorzugen. In gewissen Regionen herrscht vielleicht auch eine andere gemeinsame Arbeitssprache – eine Kollegin in unserem Department untersucht gerade Russisch als Lingua Franca in Kleinasien. In Europa bleibt Deutsch eine wichtige Wirtschaftssprache, auf der internationalen Ebene sind Sprachen mit vielen Sprechern und dadurch einem großen Markt immer noch von Bedeutung. Und ich glaube es gilt immer noch: wenn ich jemandem etwas verkaufen will, funktioniert es meistens besser in seiner/ihrer eigenen Sprache.

„Wenn ich jemandem etwas verkaufen will, funktioniert es meistens besser in seiner/ihrer eigenen Sprache.“

WU Blog: Welche speziellen Vorteile können WU Studierende daraus ziehen, wenn sie bereits während ihres Studiums zb in englischsprachigen Gruppen Arbeiten schreiben oder Praktika absolvieren?

Miya Komori-Glatz: Übung macht den Meister – das heißt, je früher man anfängt, sich mit Englisch als Arbeitssprache auseinanderzusetzen, desto früher gewöhnt man sich daran. In der näheren Zukunft wird das Arbeiten in Englisch für viele AbsolventInnen unvermeidlich sein – es wird sogar erwartet, bereits im Praktikum auf Englisch zu arbeiten oder im Laufe eines Bewerbungsprozesses. In einer Fremdsprache zu denken, zu reden und zu schreiben braucht meistens mehr Zeit und mehr kognitiven Aufwand – daher ist es wichtig, möglichst früh und möglichst viele Erfahrung und Übung im Studium zu erwerben.

WU Blog: Deutsch galt lange Zeit als internationale Sprache der Wissenschaft – und nun gibt auch an der WU ab Herbst einen ausschließlich englischsprachigen Bachelor. Hat Englisch Deutsch den Rang als Wissenschaftssprache abgelaufen?

Miya Komori-Glatz: Definitiv nicht! Auch wenn englischsprachige Studien immer beliebter werden, stellen sie eine ganz winzige Proportion aller Studiengänge dar – die letzten Zahlen zeigen, dass erst 6% aller Studiengänge an europäischen Hochschulen ausschließlich auf Englisch unterrichtet werden und auch nur 1,3% aller Studierende betroffen werden. In Österreich liegt die Zahl etwas höher bei ca. 10% und in Wirtschaftsstudien noch höher, um die 30%. Deutsch wird meiner Meinung nach seine Rolle als Wissenschaftssprache noch lange nicht verlieren. Allerdings ist es auch extrem wichtig, Deutsch aktiv weiterhin als Wissenschaftssprache zu fördern und deutschsprachige Forschung bzw. Publikationen entsprechend zu unterstützen. In gewissen Bereichen – inklusive vieler wirtschaftswissenschaftlicher Disziplinen – werden oft nur englischsprachige Publikationen prämiert oder gefördert. Das kann schon zu einem Verlust der Sprache als Wissenschaftssprache führen. Für unsere Studierenden ist es ebenfalls wichtig, dass sie sattelfest mit Deutsch als Wirtschafts- und Wissenschaftssprache umgehen können – sonst leiden sie auf dem einheimischen Arbeitsmarkt.

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