„Gruppenarbeiten sind keine One Man/One Woman-Show!“

Im Studium gehören Gruppenarbeiten zum Alltag. Jede*r von euch, hat wahrscheinlich schon Situationen erlebt, wo es in Gruppen Unstimmigkeiten oder schlechte Kommunikation gab oder sich jemand ausgeschlossen fühlte. Gruppen- und Teamkompetenz zu entwickeln ist auch für die spätere berufliche Laufbahn wichtig. Wir haben Organisationberater und Teamentwickler Clemens Österreicher, der im Oktober im Rahmen des WU Student Counselling Programms einen online Vortrag und Präsenz-Workshop zu diesem Thema hält, befragt, was zu beachten ist, um Gruppenarbeiten bestmöglich zu beginnen.

WU Blog: Clemens, du beschäftigst dich beruflich viel mit Gruppendynamik und Teamentwicklung. Warum liegt dir dieses Thema so am Herzen?

Clemens Österreicher: Aus vielen Gründen. Einer davon ist, dass Gruppen dynamisch und lebendig sind. Gruppenarbeiten erlauben uns, uns in einer besonderen Konstellation und innerhalb eines gesetzten Rahmens neu und anders zu erleben und uns zu entwickeln. Gruppen sind lebendige Lernfelder.

Ich gebe ein praktisches Beispiel: Ich habe einen einjährigen Lehrgang für ein Freiwilliges Jahr begleitet. Einer der Teilnehmer hat mir vor dem Start geschrieben, dass er erst am zweiten Tag dabei sein kann, das aber eh nichts ausmachte, weil er während des Psychologiestudiums schon Gruppendynamik durchgemacht hätte. Da war mir gleich klar, dass er Gruppendynamik nicht verstanden hat. Er hat vielleicht theoretisches Wissen über Gruppen, ist sich allerdings nicht bewusst ist, wie wichtig es ist, am Beginn, wo sich eine Gruppe einfindet und der Grundstein gelegt wird, dabei zu sein.

WU Blog: Inwiefern ist ein Verständnis über Gruppen und Teams für Studierende an der Uni relevant?

Clemens Österreicher: Im Kontext der Universität kann man sagen, dass alle Studierenden in einer Lehrveranstaltung eine Gruppe sind. In vielen Fällen eine Großgruppe von über 20 Leuten. Da ist es schwer möglich eine Kommunikation zu gewährleisten, wo jeder mit jedem sprechen kann. Ein kleiner Verband, der eine gemeinsame Aufgabe hat, wie eine Gruppe, die gemeinsam eine Präsentation abhält oder eine Seminararbeit schreibt, ist ein Team. In der LV als Großgruppe wie im Team ist wahrscheinlich das gemeinsame Ziel, den Kurs positiv zu bestehen.

Was das Team unterscheidet, ist, dass es eine Wechselwirkung unter den Mitgliedern gibt und sie im Positiven wie im Negativen voneinander abhängig sind. Beim Verfassen einer gemeinsamen Seminararbeit z.B. kann ich nicht nur als Individuum für mich allein Entscheidungen treffen. Gruppenarbeiten sind keine One-Man-Show. Da kann jede*r auch viele Social Skills lernen, die im späteren Leben wertvoll sind.

WU Blog: Was ist wichtiger: Dass man sich auf einer persönlichen Ebene gut versteht oder dass die Gruppenmitglieder Klarheit über ihre Aufgaben und die Rollenverteilung haben?

Clemens Österreicher: Beides sollte Beachtung finden. Kritisch wird es häufig, wenn ein Aspekt ins Extreme kippt und der andere vernachlässigt wird. Konkret: es ist super, sich gut zu verstehen, aber das heißt noch lange nicht, dass ohne fixen Rahmen (z.B. Deadlines oder Vereinbarungen) das gemeinsame Ziel erreicht wird. Genauso problematisch können zielgetriebene Teams sein, wo es keinen oder kaum Austausch auf persönlicher Ebene gibt und die Lebensumstände der einzelnen Personen nicht berücksichtigt werden.

Für jede*n Studierende*n ist es hilfreich, sich bewusst zu machen, welcher Typ man selbst ist und was man braucht, um gut in einer Gruppe arbeiten zu können.

Das zeigt sehr schön, welche Teampersönlichkeiten es gibt. Dabei ist es immer gut, wenn unterschiedliche Typen in einer Gruppe vertreten sind, damit ein Team erfolgreich ist. Für jede*n Studierende*n ist es hilfreich, sich bewusst zu machen, welcher Typ man selbst ist und was man braucht, um gut in einer Gruppe arbeiten zu können. Das hilft beim Klären in der Gruppenfindungsphase am Beginn; besonders, wenn man sich nicht aussuchen kann, mit wem man zusammenarbeitet.

WU Blog: Welche Strategien können helfen, wenn man merkt, dass manche in der Gruppe ihren Teil nicht erfüllen?

Clemens Österreicher: Klar, ehrlich und offen kommunizieren. Und am besten Themen gleich ansprechen, wenn sie auftreten. Ich sag immer, es ist besser nicht Rabattmarkerl zu kleben und erst nach dem 5. Vorfall etwas rückzumelden.

Natürlich gehört viel Mut und Vertrauen dazu, ehrlich mitzuteilen, was einen stört oder fehlt. Es ist auch wichtig, sich klarzumachen, dass jede*r mit anderen Erwartungen und Lebensrealitäten in eine Gruppenarbeit startet und andere Ressourcen einbringen kann. Wieviel Zeit hat man aktuell, um bestimmte Aufgaben zu erledigen? Vielleicht hat jemand Betreuungspflichten mit Kleinkindern und kann nur abends oder am Freitagvormittag etwas fürs Projekt erledigen. Andere haben 20 Wochenstunden Zeit, weil Ihnen nur noch eine LV fehlt. Oder jemand ist von einem guten Notenschnitt abhängig, um sein Stipendium nicht zu verlieren. Solche Faktoren beeinflussen, wie sehr sich jemand einbringen kann oder will bzw. wie viel Druck man empfindet.

Es ist wichtig, sich klarzumachen, dass jede*r mit anderen Erwartungen und Lebensrealitäten in eine Gruppenarbeit startet und andere Ressourcen einbringen kann.

Und: besser nachfragen als vorwerfen. Wenn jemand sich an eine Vereinbarung nicht hält, kann ich nicht wissen, was dahinter steckt. Deshalb ist es hilfreicher erst nachzufragen, was los ist. So lässt sich schneller aufklären, was die Intention einer Handlung war und was als „Message“ bei den anderen Teammitgliedern angekommen ist.

Du willst mehr wissen?

Zum Thema Teams und Gruppendynamik gibt’s noch viel mehr zu sagen. Wenn du Lust hast, mehr zum Thema zu erfahren und dein Wissen zu vertiefen, hast im Oktober zwei Gelegenheiten an Veranstaltungen des Student Counselling Programms teilzunehmen: