Ökosoziale Steuerreform als Lenkungsinstrument

Für die Verringerung des Ausstoßes von Treibhausgasen müssen alle Staatsbürger*innen in Zukunft ihren Beitrag leisten. So soll die CO2-Bepreisung ab Mitte nächsten Jahres Geld in den Staatshaushalt bringen. Geld, das für Maßnahmen gegen die Klimakrise zum Einsatz kommen soll. Dieser Artikel erschien zuerst im WU Magazin 03/21 als Beilage zur Tageszeitung Die Presse.

Mit Juli 2022 wird Österreich wie 14 andere EU-Länder eine Steuer auf CO2-Emissionen einführen. Durch die vor rund einem Monat präsentierte Steuerreform wird vielen erstmals bewusst, dass CO2 einen Preis hat. 30 Euro je Tonne CO2-Verbrauch werden zu Beginn verrechnet, der Wert steigt bis 2025 auf 55 Euro. Betrachtet man die Fakten, gibt es Handlungsbedarf, weil Österreich vom Klimawandel besonders betroffen ist. Laut Umweltbundesamt liegt die Temperatur im Land zurzeit mehr als zwei Grad Celsius über dem vorindustriellen Niveau.

„Mit der gegenwärtigen Technik von Wind-, Solar oder Batterietechnologie schafft man 40 Prozent Einsparung.“ (Klaus Gugler)

Die wetter- und klimabedingten Kosten der Erderwärmung belaufen sich gegenwärtig auf durchschnittlich eine Mrd. Euro pro Jahr. Bis Mitte des Jahrhunderts werden sich die Schäden auf durchschnittlich 4,2 Mrd. Euro bis 5,2 Mrd. Euro pro Jahr, bei einem stärkeren Temperaturanstieg sogar auf 8,8 Mrd. Euro erhöhen. Die EU-Klimaziele 2030 und 2050 werde Österreich nach Einschätzung des Umweltbundesamts deutlich verfehlen. Falls nicht massiv gegengesteuert werde, wird die Treibhausgas-Reduktion 2030 lediglich 21 anstatt der vorgegebenen 36 Prozent betragen; im Jahr 2050 nur 55 statt der erforderlichen 80 bis 100 Prozent. Deshalb ist die Einhaltung des vereinbarten Ziels einer CO2-Reduktion nur durch zusätzliche Maßnahmen und einen Wandel in Gesellschaft und Wirtschaft möglich.

Klaus Gugler ist Professor am WU Department für Volkswirtschaft.

Drei Wege zur Reduktion

„Im Prinzip gibt es drei Instrumente, eine CO2-Reduktion zu erreichen: mit Regulierungen, durch die Förderung von erneuerbarer Energie oder durch die höhere Bepreisung des Ausstoßes von CO2“, erläutert Klaus Gugler, Vorstand des WU Instituts für quantitative Volkswirtschaftslehre. Regulierungen und angebotsseitige Subventionen haben unerwünschte Nebenwirkungen: Regulierungen sind oft teurer und intransparenter als Steuern, bei Subventionen bestimmt der Staat, wer diese bekommt. Viel spricht daher für die CO2-Bepreisung als Lenkungsinstrument. „Unternehmen und Haushalte müssen Anreize erhalten. Wenn etwas teurer wird, wird davon weniger produziert oder konsumiert und nach Alternativen gesucht, beispielsweise zu Kohle und Gas.“

„Die Kompensation könnte in Konsumaktivitäten fließen, was dem Klimaschutzgedanken entgegenwirkend wäre.“ (Sigrid Stagl)

Positive Zusatzeffekte einer Besteuerung sind Steuereinnahmen, die man entweder für die soziale Abfederung und für Klimaschutzmaßnahmen verwenden kann oder für Forschungsinvestitionen in grüne Technologien. Gugler: „Mit der gegenwärtigen Technik von Wind-, Solar- oder Batterietechnologie schafft man laut International Energy Agency maximal 40 Prozent Einsparung. Für die restlichen 60 Prozent ist die Technik noch nicht einsatzfähig oder noch gar nicht vorhanden.“ Erst wenn dies gelöst ist, könnte die neue Technologie in 20 bis 30 Jahren zu einem wirklichen Dekarbonisierungsschub führen.

Regional ausgewogen?

Über die regionale Ausgewogenheit der ökosozialen Steuerreform wurde ausführlich diskutiert. Die Idee dahinter ist, dass die Steuer aufkommensneutral wirken soll. Das bedeutet, dass alle Staatsbürger*innen einen festgelegten Betrag – den sogenannten Umweltbonus – zurückbekommen, der die Mehrausgaben wegen der CO2-Bepreisung ausgleichen soll. Es gibt aber auch die Forderung, stattdessen mit den zusätzlichen Steuereinnahmen den öffentlichen Verkehr auszubauen.

Sigrid Stagl, Professorin am WU Department für Sozioökonomie, unterstützt dieses Ansinnen: „Für Haushalte sollte es eine Kompensation geben, aber keine monetäre Abgeltung. Die Gefahr besteht, dass die Kompensation in die unterschiedlichsten Konsumaktivitäten fließen könnte, was dem Klimaschutzgedanken entgegenwirkend wäre.“ Aus ökologisch-ökonomischer Sicht wäre die Investition in physische Infrastruktur besser. Stagl: „Gemeint sind damit Fahrrad-Highways, der Ausbau der öffentlichen Verkehrsmittel, sodass es nicht nur für die Öko-Pionier*innen, sondern für alle möglich ist, sich nachhaltig zu verhalten.“

Sigrid Stagl ist Professorin am WU Department für Sozioökonomie.

Top-Verdiener*innen gefordert

Fakt ist, dass die Top Ein-Prozent-Einkommensbezieher*nnen zwei Mal so viele CO2-Emissionen erzeugen wie die unteren 50 Prozent. Diese Top-Einkommensbezieher*innen müssten ihre CO2-Emissionen um das 30-fache senken. Die Frage stellt sich: Sind diese dazu bereit? Für Stagl korreliert das Einkommen stark mit der Bildung: „Viele Top-Einkommensbezieher*innen haben die Problemlage bereits erkannt. Sie sind sehr besorgt und wollen proaktiv an der Transformation mitwirken. Auch mit ihren finanziellen Hebeln durch Investitionen. Das bedeutet aber noch nicht, dass sie ihren Lebensstil ändern wollen. Das kommt vielleicht später.“

Der Auftrag an die Politik sollte Stagls Meinung nach lauten, die Instrumente in der ökosozialen Steuerreform so zu wählen, dass alle Bevölkerungsgruppen nach ihren individuellen Möglichkeiten einen gerechten Beitrag leisten müssen.

Mehr dazu im WU Magazin

Das neueste WU Magazin 03/21 beschäftigt sich unter anderem mit Steuern und deren Steuerungseffekten auf Wirtschaft und Gesellschaft: Alle Inhalte und Informationen gibt es hier.