Digitalisierung: „In wenigen Wochen ist das passiert, was sonst Jahre gedauert hätte.“

In den letzten Wochen ist unser Studien-, Arbeits- und Privatleben digitaler und virtueller geworden. Die aktuelle Situation (Stichwort: COVID-19) hat vieles in Bewegung gebracht. An der WU wird in Distanzlehre unterrichtet, Ende April hat die erste Online-Großprüfungswoche mit mehr als 12.300 absolvierten Prüfungsantritten stattgefunden.

Bereits im Herbst hat das WU Rektorat die Digitalisierung zum Arbeitsschwerpunkt gemacht und damit Rahmenbedingungen geschaffen, damit der Unibetrieb derzeitso gut wie möglich online fortgesetzt wird. Josef Kolbitsch, Leiter der IT-SERVICES der WU, ermöglicht uns heute einen Blick hinter die Kulissen, hat einige beeindruckende Zahlen parat und wagt einen Blick in die Zukunft der digitalen Universität.

WU Blog: Hat die Situation rund um das Coronavirus den Digitalisierungs-Bemühungen eigentlich einen zusätzlichen Schub gegeben?

Josef Kolbitsch: An der WU haben wir eine Strategie, die Digitalisierung in den kommenden Jahren sehr gesamtheitlich behandelt. Durch flächendeckendes Distance-Learning und Home-Office mussten wir vieles, das wir ohnehin geplant hatten, vorweg nehmen. Natürlich hat das einen spürbaren Schub für die Digitalisierung gebracht. Heute verwenden die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter an der WU täglich Videokonferenzen, halten Workshops in digitalen Formaten ab, nutzen verstärkt elektronische Workflows geändert und arbeiten insgesamt deutlich mobiler und digitaler. Klarerweise gibt es auch in der Lehre viel mehr Online-Formate, und selbst die IT-Infrastruktur für die Forschung mit großen Datenmengen wird stärker genutzt denn je. Durch das Coronavirus ist in wenigen Wochen das passiert, was sonst Jahre gedauert hätte. Die Schattenseite ist, dass wir manches überhastet einführen müssten. Wir arbeiten sehr kollaborativ und partnerschaftlich mit den Servicebereichen der WU zusammen, deshalb hat es auch in der Kürze der Zeit sehr gut funktioniert. Aber für eine erfolgreiche digitale Transformation ist Change Management essenziell. Wir müssen die Menschen auf Ihrer Reise in die digitale Welt begleiten. Es wird eine echte Herausforderung, das in geeigneter Weise nachzuholen.

„Heute zählt die WU bei den Online-Prüfungen zu den Pionieren.“

WU Blog: An welchen digitalen Lern-Formaten wird gerade gearbeitet?

Josef Kolbitsch: Lernen und Lehren haben sich in den vergangenen Jahren stetig gewandelt. Arbeit in Gruppen, Kommunikation und viele weiter „21st Century Skills“ spielen eine große Rolle. Als eine der größten Wirtschaftsuniversitäten Europas denken wir darüber nach, wie wir Lehre und Lernen künftig gestalten können – und welche Werkzeuge dafür notwendig sind. Aktuell beschäftigen uns durch das Distance Learning sehr stark Themen wie Online-Prüfungen. Viele in der WU haben enormen Einsatz gezeigt und intensiv zusammengearbeitet, um diese schwierige Situation zu meistern. Heute zählt die WU bei den Online-Prüfungen zu den Pionieren.

WU Blog: Aus Erfahrung wissen wir, dass es die Kombination aus physisch & digital braucht. Gibt es da Vorzeige-Projekte? Wie machen das andere Universitäten?

Josef Kolbitsch: Weit verbreitet sind beispielsweise Blended-Learning-Formate, bei denen in Lehrveranstaltungen Online-Angebote mit Präsenzveranstaltungen kombiniert werden. Im Flipped Classroom etwa eignen sich Studierende zuhause, häufig über digitale Medien, das grundlegende Wissen an, um es danach in einer Präsenzveranstaltung gemeinsam mit anderen Studierenden anwenden zu können. Der einzigartige Campus WU ist ein wesentlicher Bestandteil des Selbstverständnisses und der Kultur der Universität. Wir wollen unseren Campus mit ebenso einzigartigen digitalen Angeboten zu einem „Phygital-Campus“ kombinieren. Universitäten, die auf breiter Basis einen Brückenschlag zwischen physischer und digitaler Welt hinbekommen, gibt es heute kaum.

„Ich gehe davon aus, dass künftig die überwiegende Mehrheit der Lehrveranstaltungen an der WU digitale Elemente nutzen wird.“

WU Blog: Wie hoch kann (und wird) der Online-Anteil in der Lehre künftig sein?

Josef Kolbitsch: Das Distance Learning in diesem Semester ist auch ein großflächiges Experiment, in dem sowohl Lehrende als auch Studierende Erfahrungen sammeln können. Das Fächerspektrum der WU mit Wirtschafts-, Sozial- und Rechtswissenschaften kommt uns hier durchaus entgegen, weil wir nicht so stark auf Labors und andere physische Infrastruktur angewiesen sind. Nun gilt es, die Lehren aus der aktuellen Situation zu ziehen und kritisch zu hinterfragen. Ich gehe davon aus, dass künftig die überwiegende Mehrheit der Lehrveranstaltungen an der WU digitale Elemente nutzen wird.

WU Blog: In der Digitalisierungsstrategie der WU ist nicht nur von der digitalen Lehre die Rede. Was tut sich an der WU sonst noch?

Josef Kolbitsch: Wir sehen Digitalisierung sehr gesamtheitlich. Neben der Lehre spielt Digitalisierung auch in der Forschung und in den Dienstleistungsbereichen der Universität eine Rolle. Das schließt in der Forschung beispielsweise die Analyse großer Datenmengen genauso ein wie den Ausbau der Methodenkompetenz und die Etablierung geeigneter Infrastrukturen und Supportleistungen. In der Administration können wir den Zugang zu Verwaltungsabläufen erleichtern und noch mehr automatisieren. Damit die digitalen Angebote der WU zu zuverlässig funktionieren wie der Strom aus der Steckdose, müssen wir sehr professionelles IT-Management betreiben und auch der Informationssicherheit Augenmerk schenken.

WU Blog: Wie ist ihr Eindruck: Sind unsere Forschenden und Lehrenden offen für die Digitalisierung?

Josef Kolbitsch: Gerade die vergangenen Wochen zeigen, mit welchem Engagement die WU-Mitarbeiterinnen und -Mitarbeiter digitale Werkzeuge und Methoden nutzen. Sie haben es innerhalb weniger Tage geschafft, eine komplette Universität auf Distance Learning umzustellen. Auch Videokonferenzen gehören heute zur Normalität. Aber es gibt auch Vorbehalte und an manchen Stellen einen kritischen Diskurs. Das ist auch gut so, denn wir betreten in einigen Bereichen Neuland und sollten nicht leichtfertig Risiken eingehen. Hier gilt es auch, unterschiedliche Aspekte wie Innovation, Komfort, Sicherheit und strategische Überlegungen gegeneinander abzuwägen.

„Das ‚WIE‘ wird sich deutlich verändert haben.“

WU Blog: Und noch ganz persönlich: Wie sieht Universität im Jahr 2050 aus?

Josef Kolbitsch: Ich denke, eines wird auch in 30 Jahren gleich sein: Die Universität wird ein Ort der Wissensgenerierung und der Wissensvermittlung sein. Aber das „Wie“ wird sich deutlich verändert haben. Es wird unterschiedliche rein digitale Lehr- und Lernangebote geben, bei denen sich Studierende und Lehrende nicht mehr am Campus treffen werden. Das Lernergebnis wird mittels Technologie sehr stark personalisiert und maßgeschneidert für die individuellen Studierenden sein. Wir werden gänzlich neue Formen des virtuellen Lernens in Gruppen nutzen. Ich bin zudem davon überzeugt, dass Studierende auch in Grundlagenfächern die Möglichkeit haben werden, komplexe Sachverhalte wie eine Wirtschaftskrise mühelos praktisch zu simulieren. Dass im Jahr 2050 unter Studierenden Internationalität die Regel ist, ist für mich selbstverständlich. In der Forschung, denke ich, wird die Arbeit auf Basis riesiger Datenbestände zum Alltag gehören. Alleine daraus und aus der digitalen Geschäftswelt werden sich aber auch ungeahnte Möglichkeiten und neue Forschungsfelder ergeben.

Daten & Fakten zur Digitalen WU

Seit dem Umstieg auf Distanzlehre und Home Office hat sich die Nutzung der WU IT-Infrastruktur radikal geändert:

  • 3 x soviele Anfragen bei der Support-Hotline der WU IT-SERVICES
  • 40 % mehr E-Mail-Aktivität
  • 4 x soviele aktive VPN-Verbindungen auf das WU Netzwerk (durchschnittlich rund 800)
  • 60 % mehr SharePoint-Aktivität
  • 1.000 neue MS Teams-Nutzer/innen wöchentlich im WU System (mit mehr als 12.000 Nachrichten, knapp 700 Anrufen und fast 1.000 Online-Meetings täglich)

Entwicklung von MS Teams an der WU

Vergleichszeitraum: 5. Februar bis 4. Mai 2020

Nutzung MS Teams

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