„Am Anfang des Studiums war ich sehr abgeschottet“

Der 3. Dezember markiert den Internationalen Tag der Menschen mit Behinderung. Dieser Aktionstag wird dazu genutzt, die Rechte und Anliegen von Menschen mit Behinderung in das Bewusstsein der Öffentlichkeit zu rücken und sich für deren selbstbestimmte und gleichberechtigte Teilhabe einzusetzen. Auch in Wien begegnen Menschen mit Behinderungen täglich Vorurteilen und Barrieren, die eine gleichberechtigte Teilhabe am Studien- und Arbeitsleben erschweren. Wie groß diese Barrieren sind, haben wir WU-Studierende mit Behinderung gefragt.

Max * (Name v. d. R. geändert) studiert an der WU und hat eine nicht-sichtbare Behinderung. Er verschweigt diese Behinderung aber lieber, denn seine bisherigen Erfahrungen zeigen: ein offener Umgang mit seiner Behinderung fällt immer wieder zu seinem Nachteil aus. Max schreibt auf unsere Interviewanfrage, dass er nach langem Überlegen und in Absprache mit der Familie kein Interview führen möchte, in dem sein Name und sein Foto aufscheinen. „Ich will mich vor untergriffigen Angriffen schützen“.

BeAble hilft

Viele Behinderungen und Beeinträchtigungen sind auf den ersten Blick nicht zu erkennen, auch nicht auf den zweiten. Denn auch chronische Erkrankungen wie Diabetes oder psychische Erkrankungen sind Beeinträchtigungen. Bei nicht sichtbaren Symptomen sind Betroffene wie Max immer wieder mit mangelndem Verständnis oder Fehleinschätzungen durch andere konfrontiert: Was nicht sichtbar ist, wird oft angezweifelt. Aber auch Personen mit sichtbaren Behinderungen stoßen auf Vorurteile. An der WU bietet das Programm BeAble Unterstützung für Studierende mit körperlicher Beeinträchtigung, aber auch für jene, die eine psychische Beeinträchtigung, chronische Erkrankung oder Lese- bzw. Schreibschwäche haben.


Daniel studiert ebenfalls an der WU und hat eine sichtbare Behinderung. Er ist Rollstuhlfahrer und bereit, mit uns ein Interview zu führen.

WU Blog: Wie erlebst Du das Studieren an der WU?

Daniel: Sehr positiv und Großteils barrierefrei. Nicht ganz barrierefrei sind die Türen im TC, denn dort funktionieren die Türöffner meist nicht. Weil die Leute keine Geduld haben und die Türen aufreißen. Dann gehen die Motoren der automatischen Türen schnell kaputt.

WU Blog: Was waren die größten Barrieren, auf die Du während Ihres Studiums gestoßen bist, und wie hast Du diese überwunden?

Daniel: In der Vergangenheit gab es manchmal nicht genügend TutorInnen, die in Vorlesungen mitgeschrieben haben. Aufgrund meiner Handbehinderung kann ich nicht selbst mitschreiben. Ich habe das Problem mit meinen persönlichen AssistentInnen gelöst, die mitgeschrieben haben. Was in manchen Lehrveranstaltungen für Personen ohne wirtschaftliche Vorkenntnisse oder ohne Kenntnisse in Wirtschaftsenglisch wirklich schwierig ist. Ich finde es aber wirklich toll, dass es überhaupt diese Möglichkeit gibt und dass an der WU TutorInnen zum Mitschreiben zur Verfügung stehen!

WU Blog: Wie wurdest und wirst Du durch das Programm BeAble unterstützt?

Daniel: BeAble hat mich vor allem dadurch unterstützt, dass für mich mehr Zeit bei Prüfungen organisiert wurde. Zuletzt gab es auch genügend TutorInnen, die für mich in Lehrveranstaltungen oder bei Prüfungen mitgeschrieben haben. Ganz wichtig ist für mich auch die Vernetzung, die in Form von Stammtischen oder jetzt Vernetzungstreffen stattfindet – die ich vor einigen Jahren mitgegründet habe. Am Anfang des Studiums war ich nämlich, weil ich im Rollstuhl sitze, sehr abgeschottet von den anderen. Im Audimax und einigen anderen großen Hörsälen muss ich als Rollstuhlfahrer immer ganz vorne, 2 Meter vom Vortragenden /der Vortragenden entfernt sitzen, dann ist Abstand und dann kommt die erste Reihe – und dort sitzt auch niemand. Am Anfang des Studiums ist es daher schwer möglich Leute kennen zu lernen, weil man die ersten zwei Semestern keine SitznachbarInnen hat.

WU Blog: Was sagst Du zu dem Studierenden, der kein Interview geben möchte, weil er sich vor Angriffen schützen möchte – wie sehen Deine Erfahrungen aus?

Daniel: Ich erlebe immer wieder, dass KollegInnen ihre Behinderung verheimlichen, weil sie nicht für faul gehalten werden wollen. Dass sie keine längere Prüfungszeit beantragen, obwohl sie es bräuchten. Ich versuche aber auch z.B. bei Seminararbeiten ohne längere Frist auszukommen.

WU Blog: Was wünschen Sie sich von Ihrem Umfeld?

Daniel: Mehr Verständnis! Mehr Verständnis, dass manche Studierende mit Behinderung mehr Prüfungszeit benötigen. Und dass es sich dabei um keine Vorteilsgewährung sondern um einen Nachteilsausgleich handelt.

WU Blog: Was möchten Sie sonst noch gerne berichten bzw. loswerden?

Daniel: Ich finde es lobenswert, wie das BeAble-Programm unterstützt und auch wie entgegenkommend ProfessorInnen an der WU sind. Ich habe von anderen Universitäten und Fachhochschulen auch schon anderes gehört. Außerdem finde ich es gut, dass es spezielle TutorInnenstellen für Studierende mit Behinderung gibt.