WU Barrierefrei: „Immer erst fragen, ob man fragen darf“

Ob Bordsteinkanten, steile Treppen oder Unverständnis beim Erfassen von Informationen: Menschen mit körperlichen oder psychischen Einschränkungen haben im Alltag immer wieder mit Situationen zu kämpfen, die für Menschen ohne Behinderung schwer nachvollziehbar sind. Diese Hürden abzubauen, ist eines der Ziele, für die sich die WU einsetzt. Am 16. November findet deshalb der Informationstag „WU Barrierefrei“ statt, der für mehr gegenseitiges Verständnis durch Austausch mit Expert*innen sorgen soll.

Im Vorfeld haben wir mit einer Studierenden gesprochen, die von Ihren Erfahrungen am Campus WU berichtet.

Antonia Feichtinger ist 22 Jahre alt, studiert Wirtschaftsrecht im Bachelor und hat einen extrem vollen Terminkalender. Derzeit bereitet sie sich auf ihre letzten Prüfungen vor, schreibt an ihrer Bachelorarbeit, arbeitet als Assistenz für den Studierendensupport und am Wochenende jobbt sie zusätzlich noch im Brotshop beim Merkur.

WU Blog: Welche Beeinträchtigung hast du? Wie beeinflusst das deinen Alltag?

Antonia Feichtinger: Als ich auf die Welt kam, stellten die Ärzt*innen fest, dass ich mit nur einer Hand und verkürztem Unterarm geboren wurde. Das war für alle eine Überraschung. Abseits davon war ich aber gesund. Dennoch hat man hat mich gleich meiner Mutter weggenommen, um alle möglichen Tests mit mir durchzuführen. Die hat sich fürchterliche Sorgen gemacht, weil ihr niemand etwas gesagt hat. Als man schließlich zu ihr meinte, dass ich nur eine Hand habe, meinte sie nur: „Das ist doch wurscht, ich dachte, es wäre sonst was passiert!“

Im Alltag hatte ich lange Zeit keine Probleme. Ich bin wohlbehütet aufgewachsen und hatte immer Menschen um mich herum, die mir ein unbeschwertes Aufwachsen ermöglicht haben. Erst beim Führerschein habe ich gemerkt, wie schwierig es war, eine Fahrschule zu finden, die reine Automatikschaltung-Kurse anbietet – in Österreich mach fast niemand den Schein nur mit Automatik. Dann musste ich auch feststellen, wie teuer die Umrüstung eines Autos ist. Das steht bei mir bald auch wieder an.

WU Blog: Gab es in deiner bisherigen Studienzeit Barrieren, auf die Du gestoßen bist, und wie hast Du diese überwunden?

Antonia Feichtinger: Der Anfang war schwer – eigentlich weniger wegen meiner Behinderung. Ich komme im Alltag gut zurecht und bin selten bis nie auf architektonische Anpassungen angewiesen. Das Zurechtfinden im Universitätsalltag, die STEOP und generell der Leistungsdruck haben mir psychisch sehr zugesetzt.

BeAble hat mir schließlich dabei geholfen, meine Zeit besser einzuteilen. Das fiel mir am Anfang schon schwer. Auch die Möglichkeit auf längere Prüfungszeiten habe ich über BeAble wahrgenommen. Das hat sehr dazu beigetragen, meine Prüfungsangst in den Griff zu bekommen.

Auch in der Corona-Hochphase im Distance Learning habe ich davon Gebrauch machen müssen, da ich mit einer Hand langsamer schreibe, als Menschen mit zwei Händen.

WU Blog: Wie erlebst Du das Arbeiten an der WU?

Antonia Feichtinger: Total angenehm. Gleich am Anfang hatte ich ein umfangreiches Onboarding, bei dem mir bis ins Detail erklärt wurde, was ich machen muss und wie ich es zu machen habe. Die Kolleg*innen sind toll und ich finde auch den inhaltlichen Aspekt meiner Arbeit spannend.

WU Blog: Du selbst bist im Studierendensupport tätig: Hast du dabei selbst mit Anfragen von Personen mit Beeinträchtigungen zu tun? Aus deiner Erfahrung, was sind die größten Probleme/Fragestellungen von Studierenden mit Beeinträchtigungen?

Antonia Feichtinger: Da ich viel in der Organisation bin, bekomme ich von den Inhalten der Gespräche selten etwas mit. Was ich aber durchaus wahrnehme ist, dass durch die Pandemie der Bedarf für Angebote von BeAble und dem Student Counselling steigt. Menschen, die eh schon Probleme mit Angstzuständen oder Depressionen haben, haben es teilweise noch schwerer und bei anderen treten Herausforderungen zutage, die ohne Pandemie vielleicht gar nicht erst aufgetreten wären.

WU Blog: Wie findest du die Barrierefreiheit an der WU und allgemein in der Stadt?

Antonia Feichtinger: Auf dem Campus finde ich es schon gut, aber ich sehe das auch durch eine andere Perspektive, als Menschen, die z.B. im Rollstuhl sitzen. In der Stadt selbst ist noch viel Bedarf. Angefangen von hohen Gehsteigen über nicht barrierefreie Altbauten bis hin zu fehlenden Aufzügen.

WU Blog: Was würdest du dir für die Zukunft wünschen von Seiten der WU und von Seiten der Menschen, die hier arbeiten und studieren?

Antonia Feichtinger: Dass sie nachfragen.

Wenn man helfen möchte, muss man die Menschen fragen. Aber ganz wichtig: immer erst fragen, ob man fragen darf. Es ist unfein, sich plötzlich mit Fragen zur eigenen Behinderung konfrontiert zu sehen.

Manchmal kommen Mütter auf mich zu und fragen: „Hey, kann ich kurz fragen, was mit deiner Hand passiert ist? Dann kann ich es meinem Kind erklären.“ Das finde ich super! Kinder verstehen das dann auch und wissen es einzuordnen.

WU Blog: Im Rahmen von „WU Barrierefrei“ können sich Interessierte mit Expert*innen über die Möglichkeiten an der WU zu studieren und zu arbeiten austauschen. Wie wichtig sind deiner Ansicht nach Veranstaltungen dieser Art?

Antonia Feichtinger: Sehr wichtig! Als ich am Anfang des Studiums Probleme hatte, hat mich ein Freund auf BeAble aufmerksam gemacht. Ich war bereits im zweiten Uni-Jahr und hatte noch nichts davon gehört. Gerade der Austausch und die Sichtbarkeit solcher Angebote sind absolut entscheidend.

Du interessierst dich für das Thema?

Komm zum „WU Barrierefrei“-Event am 16. November! An verschiedenen Infopoints hast du die Gelegenheit, mit Expert*innen und Berater*innen ins Gespräch zu kommen und dich über die Möglichkeiten an der WU zu studieren und zu arbeiten zu informieren.