Schatten brauner Vergangenheit – die „Affäre Borodajkewycz“

In den fünfziger und sechziger Jahren lehrte an der Hochschule für Welthandel, der Vorgängerin der WU Wien, ein Historiker mit brauner Vergangenheit: Professor Taras Borodajkewycz war schon zwischen 1934 und 1945 ein überzeugter Nationalsozialist gewesen. Die Berufung an die „Welthandel“ im Jahr 1955 war für ihn kein Anlass zu einer weltanschaulichen Neuorientierung. Im Gegenteil, seine Publikationen und Lehrveranstaltungen ließen nach wie vor Anklänge an antisemitische Denkmuster erkennen. Dazu kam eine bedenkliche Distanz gegenüber der Demokratie und ein großdeutsches Bekenntnis – sah er doch nach wie vor in Deutschland „das größere Vaterland“ für die ÖsterreicherInnen.

Der Student Ferdinand Lacina und der frisch promovierte Jurist Heinz Fischer verstanden, dass in solch einer Einstellung eine Gefahr für die österreichische Nachkriegsdemokratie lag. Ihnen ist zu verdanken, dass die Existenz nazistischer Tendenzen ins öffentliche Bewusstsein rückte. 1965 kam es in Wien gar zu Demonstrationen, bei denen der frühere Widerstandskämpfer Ernst Kirchweger von einem rechtsradikalen Gewalttäter tödlich verletzt wurde. Damit wurde die Geschichte unserer Universität mit dem ersten politisch bedingten Todesopfer der Zweiten Republik verbunden.

Am 9. Juni 2015 wird sich die WU im Rahmen einer hochkarätig besetzten Podiumsveranstaltung erstmals dezidiert mit der „Affäre Borodajkewycz“ beschäftigen – einer Affäre, die bis zu den Auseinandersetzungen um Bundespräsident Kurt Waldheim (1986) die wichtigste Etappe in der Aufarbeitung der NS-Vergangenheit darstellte. Warum ist so etwas notwendig?

Trotz vieler Bemühungen gehören antidemokratische, rassistische und nazistische Einstellungen leider nicht einfach der Vergangenheit an. Auch heutzutage werden Mahnmale geschändet, die Opfern des NS-Regimes gewidmet sind. In Brüssel, Paris und Kopenhagen wurden vor kurzem jüdische Einrichtungen Ziel von Attentaten, und auch in Österreich müssen jüdische Institutionen immer noch vor Anschlägen geschützt werden. Beim sogenannten Akademiker-Ball, einer rechtsradikalen Zusammenkunft im Herzen von Wien, glaubte sich ein österreichischer Parteiführer in zynischer Vergewaltigung der Geschichte mit Holocaust-Opfern auf eine Stufe stellen zu dürfen. Und ein niederösterreichischer Politiker erdreistete sich, Flüchtlinge und Asylbewerber als „Erd- und Höhlenmenschen“ zu diffamieren.

Wenn man bedenkt, dass derzeit in etlichen Ländern Fremdenfeindlichkeit zunimmt, demokratische Mindeststandards unterlaufen werden und ein primitiver Nationalismus aufgebaut wird, gibt es gute Gründe für Wachsamkeit. Die „Affäre Borodajkewycz“ zeigt, dass es sich lohnt, gegen derartige Tendenzen engagiert vorzugehen. Zusammen mit dem Gedenkbuch für die Opfer des Nationalsozialismus an der Hochschule für Welthandel bietet die Podiumsveranstaltung vom 9. Juni der WU eine Gelegenheit, sich kritisch mit einer problematischen Vergangenheit auseinander zu setzen.

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