„Der Eintritt in den akademischen Arbeitsmarkt ist eine einzigartige und potenziell einschüchternde Erfahrung.“

Wie sieht das Leben nach der Promotion aus? Welche Jobmöglichkeiten gibt es und wie geht es generell weiter? Jedes Jahr stehen Doktoratsstudierende der Vienna Graduate School of Finance (VGSF) vor der Herausforderung, eine Stelle im akademischen Bereich zu finden. Christoph Scheuch und Stefan Voigt sind in ihrem letzten Jahr an der VGSF; zurzeit reichen sie ihre Dissertation ein und werden bis Ende Juni ihren Doktorgrad erhalten. Die Studierenden des letzten Studienjahres durchlaufen jedes Jahr ein Verfahren, das als „the job market“ („der Arbeitsmarkt“) bezeichnet wird.

WU-Blog: Was bedeutet es eigentlich, als Akademiker „auf dem Arbeitsmarkt“ zu sein?

Christoph: Der Job Market im Bereich Finanzen folgt einem eher standardisierten Verfahren, um die angehenden Absolvent/inn/en darauf vorzubereiten, ihren richtigen Platz in der Wissenschaft zu finden, zum Beispiel als Assistenzprofessor/in.

Stefan: Zur Vorbereitung auf den Job Market gehört das Verfassen eines eigenständig verfassten Job-Market-Papers, die Durchführung von Probeinterviews mit Fakultätsmitgliedern und das Einreichen zahlreicher Bewerbungen. Einstellungsausschüsse von Universitäten, aber auch Unternehmen aus der ganzen Welt führen die Interviews während der Hauptveranstaltungen des akademischen Arbeitsmarktes der Finanz- und Wirtschaftswissenschaften durch. Dazu gehören die Jahrestagungen der American Economic Association (AEA), der American Finance Association (AFA) und ihres europäischen Pendants (der EWR).

WU-Blog: Nach welcher Art von Job haben Sie gesucht?

Stefan: Ich verfolge Forschungsfragen im Zusammenhang mit Blockchain-basierten Märkten, Hochfrequenzhandel und dem Einsatz von Big Data in Finanzanwendungen. Folglich war es mein Ziel, auf diesem Gebiet akademische Forschung zu betreiben. Ich möchte Teil einer Gemeinschaft mit ähnlichen Interessen werden, die an der Schnittstelle von Finanzökonomie und Ökonometrie angesiedelt ist.

Christoph: Ich war auf der Suche nach einer Stelle als Datenwissenschaftler in der Wiener Finanzindustrie, da ich mich entschieden habe, die Wissenschaft zu verlassen, aber in Wien bleiben möchte. Datenwissenschaftliche Stellen werden in erster Linie auf LinkedIn ausgeschrieben, wo ich die Ausschreibung für meine neue Stelle entdeckt habe.

WU-Blog: Wo seid ihr gelandet?

Christoph: Ich werde Leiter des Bereichs Business Intelligence und Datenwissenschaft bei wikifolio Financial Technologies AG. Unsere Plattform sammelt einzigartige und hochinteressante Daten zu individuellen Investitionsentscheidungen, die ich sehr gerne erforsche und analysiere.

Stefan: Ich werde diesen Sommer nach Kopenhagen umziehen. Ab September 2020 werde ich Assistenzprofessor für Finanzen an der Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät der Universität Kopenhagen sein.

„Vorstellungsgespräche in der Privatwirtschaft unterscheiden sich stark von denen auf dem akademischen Markt.“

WU-Blog: Herzlichen Glückwunsch! Wie viele Interviews habt ihr geführt?

Stefan: Bei den erwähnten jährlichen Treffen wurde ich zu 29 Interviews bei verschiedenen Institutionen eingeladen. Die Interviews waren eher standardisiert, dauerten etwa 30 Minuten und fanden in Hotels in unterschiedlichen Städten statt. Dieses Verfahren macht den Suchprozess so effizient wie möglich, sowohl für die Einstellungskommissionen als auch für die Bewerber.

Christoph: Um ehrlich zu sein, habe ich mich nur auf vier Stellen beworben und mehrere Vorstellungsgespräche in zwei Institutionen geführt, was zu dem Angebot meines bevorzugten Arbeitgebers führte. Vorstellungsgespräche in der Privatwirtschaft unterscheiden sich stark von jenen auf dem akademischen Markt, so dass die übliche Vorbereitung auf den Arbeitsmarkt für mich nicht galt. Vorstellungsgespräche für datenwissenschaftliche Stellen beinhalten normalerweise mindestens eine Runde der technischen Bewertung der Programmiererfahrung. In diesem Sinne empfehle ich Studierenden, die nach ihrer Promotion als Datenwissenschaftler arbeiten möchten, dringend, R oder Python zu lernen, da niemand Stata außerhalb der Wirtschaftsforschung verwendet.

WU-Blog: Wie hat euch die VGSF-Gemeinschaft beim Einstieg in den Arbeitsmarkt unterstützt?

Christoph: Obwohl ich nicht das übliche Arbeitsmarktverfahren durchlaufen habe, konnte ich trotzdem immer mit den VGSF-Fakultätsangehörigen über meine Interview-Erfahrungen und Stellenangebote sprechen. Diese Gespräche haben mir geholfen, meine Vision für zukünftige Stellen zu stärken und meine Entscheidung, zu Wikifolio zu gehen, zu unterstützen.

Stefan: Der Einstieg in den akademischen Arbeitsmarkt ist eine einzigartige (und potenziell einschüchternde) Erfahrung, und ich bin sehr dankbar für die Unterstützung der VGSF-Fakultät, meiner KollegInnen und insbesondere meines Betreuers, Nikolaus Hautsch. Sie haben mir nicht nur viele Rückmeldungen, Ideen und Anregungen gegeben, sondern mir in der stressigen Zeit auch ein offenes Ohr geschenkt. Ich möchte betonen, dass die fast fünfjährige Zugehörigkeit zur VGSF-Gemeinschaft während des Doktorats unzählige Gelegenheiten bot, von vielen hervorragenden Menschen zu lernen und mit ihnen zu interagieren, und ich denke, dass dies für mich die bestmögliche Vorbereitung war!

WU-Blog: Wie geht es jetzt weiter?

Beide: Die Defensio der Dissertation steht voraussichtlich im Mai an. Und danach in den Urlaub fahren!