Gefährdet die EU den sozialen Wohnbau in Wien?

Wien und die Gemeindebauten sind untrennbar miteinander verbunden. Anderswo sieht es nicht so rosig aus, wo die soziale Wohnungspolitik zugunsten von Privatisierungen auf dem Rückmarsch ist. Ricarda Sutter, Laura Giesen, Laima Politajs und Claudia Schredl haben sich zusammengetan, um zu untersuchen, ob die EU Integration die soziale Wohnungspolitik in Wien gefährdet. Worum es in ihrem Video geht, erklärt uns Ricarda Sutter in diesem Beitrag.

In den letzten Jahren stand die soziale Wohnungspolitik Wiens oft im Fokus, im Zusammenhang mit der Europäischen Union (EU) und deren Einfluss auf National- und Lokalpolitik. Ausschlaggebend dafür waren Vorfälle in anderen europäischen Ländern, in denen der Vorwurf geäußert wurde die nationale soziale Wohnungspolitik verstoße gegen die Europäische Wettbewerbspolitik. Dies führte zu in diesen Ländern zu Kürzungen der sozialen Wohnungspolitik, Privatisierungen und einer Reduktion der Bezugsberechtigten auf hauptsächlich einkommensschwache Personen. Diese Entwicklungen führten in Wien zu Befürchtungen, dass ähnliche Vorwürfe gegen die Stadt erhoben werden könnten. Es entwickelte sich daraus eine Initiative für leistbares Wohnen in Europa, gestartet vom Wiener Bürgermeister Michael Häupl und unterzeichnet von 27 BürgermeisterInnen europäischer Städte.

Wir haben uns gefragt ob diese Sorgen in Wien berechtigt sind. Bedroht die EU Integration bestimmte Formen der sozialen Wohnungspolitik? Ist dadurch besonders das Ziel der sozialen Durchmischung gefährdet?

Das wichtigste Instrument der Wiener sozialen Wohnungspolitik sind die zahlreichen stadteigenen Gemeindebauten. Die Einkommensgrenze um für eine solche Wohnung ausgewählt zu werden, liegt im internationalen Vergleich recht hoch, nämlich bei knapp 3.200 EUR netto für eine Person. Zu den gleichen Bedingungen werden auch Wohnungen von privaten und gemeinnützigen Bauträgern vergeben, die öffentliche Förderungen für ihre Bauprojekte erhalten. Das dritte Instrument ist die Wohnbeihilfe, die BürgerInnen unter einer bestimmten Einkommensgrenze direkt bei der Miete unterstützt. Insgesamt nehmen 60% aller WienerInnen eines dieser drei Instrumente in Anspruch. Diese breitenwirksame Ausrichtung verhindert Segregation und trägt zur sozialen Durchmischung bei – zwei Kernziele der Wiener sozialen Wohnungspolitik.

Aber wo kommt die EU da ins Spiel?

Es gibt drei mögliche Wege wie die EU nationale sowie lokale Politiken beeinflussen kann. Zum einen kann die EU im Bereich ihrer Kompetenzen direkt Regelungen und Gesetze erlassen, die dann in allen Mitgliedstaaten gelten, z.B. Arbeitssicherheitsmaßnahmen. Dieser Weg wird auch als positive Integration bezeichnet. Im Bereich des sozialen Wohnbaus hat die EU allerdings keine Kompetenzen Regelungen zu erlassen. Unter negativer Integration wird der Vorgang verstanden, bei dem Regelungen zu Gunsten des Marktes getroffen werden, sich aber auch auf andere Bereiche (z.B. Sozialpolitik) auswirken. Dies könnte also durchaus auch den Wiener Gemeindebau oder geförderten Wohnbau betreffen. Als dritte Möglichkeit des EU Einflusses auf nationale und lokale Politiken ist die EU selbst als Plattform für Ideenaustausch zu sehen, der zu einer Angleichung von Politiken verschiedener Länder führen kann. Die Ausbreitung des neoliberalen Paradigmas hat zum Beispiel einen erheblichen Einfluss auf die Politik in den verschiedensten Ländern, was sich oft in Privatisierungen und Kürzungen der Sozialpolitik äußert.

Um den Einfluss dieser Entwicklungen zu minimieren spielen politische Paradigmen und politischer Wille eine entscheidende Rolle. Obwohl aktuell die Wiener soziale Wohnungspolitik nicht direkt durch die EU Integration bedroht ist, wäre das potentiell möglich. Deshalb ist die Initiative der Stadt Wien ein wichtiges Zeichen, um den Gestaltungsspielraum der Städte im Bereich der Wohnungspolitik zu erhalten und um das Wiener Modell zu schützen, damit leistbares Wohnen für alle ermöglicht wird. Die gesamte Arbeit zum Nachlesen gibt es hier – die Autorinnen werden ihre Studie außerdem im Rahmen der 1. ESPAnet Konferenz vom 20.-21.04.2017 vorstellen.

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