Hall of Femmes: Edeltraud Hanappi-Egger

„Ich habe immer daran geglaubt, dass wissenschaftlich fundiertes Wissen einen Beitrag zur Weiterentwicklung der Gesellschaft leisten kann.“

Bitte geben Sie ein paar biographische Eckdaten bekannt: welche Ausbildung haben Sie absolviert, was sind die wichtigsten Eckdaten ihrer beruflichen Entwicklung und welche Position haben Sie jetzt inne?

Ich bin nach der Matura 1982 aus Tirol nach Wien gekommen, um an der TU Informatik zu studieren. 1987 hab ich das Diplomstudium absolviert und beschlossen, das Doktorat für technische Wissenschaften anzuhängen. Meine Dissertation habe ich 1990 beendet. Nach einem Postdoc-Aufenthalt am Computer Research Institute der Universität Toronto bin ich an die TU Wien zurückgekehrt, wo ich mich im Rahmen des APART-Stipendiums der ÖWA 1996 für das Fach „Angewandte Informatik“ habilitiert habe.

2002 -2004 war ich Gastprofessorin an der WU, seit 2004 bin ich Universitätsprofessorin für „Gender und Diversität in Organisationen“ am Department Management. Seither war ich Gast an mehreren ausländischen Universitäten, wie 2011 an der LSE und 2014 an der McGill University. Ich habe mehrere Funktion in der Selbstverwaltung ausgeübt, z.B. von 2006-2009 war ich Vorsitzende des Senats, 2008-2013 Universitätsrätin an der TU Graz, 2012-2014 Departmentvorständin des Departments Management. Am 1.10.2015 werde ich mein Amt als Rektorin der WU antreten.

Warum haben Sie sich für eine wissenschaftliche Karriere entschieden? Gab es einen Menschen oder ein Erlebnis, der oder das Sie inspiriert hat, eine wissenschaftliche Karriere einzuschlagen?

Aristoteles meinte einst: Der Beginn aller Wissenschaften ist das Erstaunen, dass die Dinge sind, wie sie sind. Das stimmte wohl für mich: Schon in meinem Diplomstudium hatte ich das Gefühl, dass es irrsinnig viel zu wissen gibt. Je mehr ich nach Antworten suchte, umso mehr Fragen tauchten auf, und das faszinierte mich. Ich habe relativ schnell bemerkt, dass mich das Einlassen auf Theorien, das Infragestellen scheinbarer Lösungen, das Grübeln über Probleme tagelang fesseln kann. So lag es nach dem Studium nahe, dass ich nicht den vielen Jobangeboten der Firmen, die damals sehr aktiv nach den Informatikabsolvent/inn/en suchten, erlag, sondern den Weg in die Wissenschaft wählte. In gewisser Weise habe ich es immer als Luxus empfunden, „fürs Denken“ bezahlt zu werden.

Was sind Ihre aktuellen Forschungs- bzw. Arbeitsschwerpunkte?

Ich beschäftige mich im Rahmen der Diversitätsforschung mit der Frage, wie Organisationen  mit der steigenden Diversität umgehen und wie sich Exklusion und Diskriminierung auf der Basis von Sozialkategorien erklären und damit verhindern lassen. Dabei beschäftigt mich aber immer mehr, welche Rolle soziale Schicht in Organisationen hat und wie Ungleichbehandlung aufgrund von sozio-ökonomischer Herkunft vermieden werden kann.

Wenn Sie Ihren beruflichen Werdegang betrachten – was waren Ihre persönlichen Erfolgsfaktoren?

Ich habe mich immer sehr mit Wissenschaft, Forschung aber auch mit Lehre identifiziert und immer daran geglaubt, dass wissenschaftlich fundiertes Wissen einen Beitrag zur Weiterentwicklung der Gesellschaft leisten kann. Dabei hab ich mich durchaus an die damals für mich gültigen international üblichen Spielregeln in der Wissenschaft gehalten und mich immer wieder dem Wettbewerb gestellt. Wissenschaft ist für mich Berufung, nicht Beruf.

Was motiviert Sie besonders in Ihrer Arbeit?

Die Freiräume in der Themen- und Methodenwahl, das extrem hohe Maß an Selbstbestimmung, die Arbeit mit Studierenden, der internationale Austausch mit Kollegen und Kolleginnen.

Auf welche Barrieren sind Sie im Verlauf Ihres Berufslebens gestoßen?

Offensichtlich auf keine, die ich nicht überwinden konnte 🙂

Gewöhnungsbedürftig war das Zurechtkommen mit den systemimmanenten Ablehnungen: sei es in Zusammenhang mit Forschungsanträgen oder  Publikationseinreichungen – es gehört in der Wissenschaft dazu, dass man in regelmäßigen Abständen scheitert, das kann zu Frust und Entmutigung führen.

Was tun Sie gerne, wenn Sie nicht arbeiten?

Sport betreiben, Krimi lesen oder am Strand faulenzen – aber selbst da ist die Wissenschaft dabei, wenn ich zum Beispiel an etwas grüble und mir dann plötzlich Ideen kommen.

Was sollten die Universitäten noch tun, um die Gerechtigkeit und Chancengleichheit zu erhöhen?

Universitäten stehen unter einem starken Druck, internationalen Standards zu entsprechen, die oft zu einer kenngrößengesteuerten Sichtweise und einer starken Outputorientierung vor allem in der Forschung führen. Bei der Leistungsbeurteilung von Forschenden wird dann von Normalbiografien ausgegangen, die Lehre kommt oft nicht vor, ebenso wie viele andere Aktivitäten. Ein etwas vielschichtigeres Konzept zur Darstellung des Leistungsportfolios würde erlauben, unterschiedliche Beiträge der Universitätsangehörigen auch gemäß ihrer Lebenskontexte entsprechend zu honorieren.

Welche Empfehlungen möchten Sie gerne an junge Wissenschaftlerinnen, die am Beginn ihrer wissenschaftlichen Laufbahn stehen, weitergeben?

Zu Beginn erscheint die Wissenschaft wie ein Dschungel, in dem es schwierig ist, sich zurechtzufinden. Aber mit der Zeit gelingt es, sich zu orientieren, interessante Bereiche zu identifizieren und den eigenen Weg zu sehen. Ich meine, es lohnt sich, sich auf diese Erfahrungen einzulassen – Geduld und Gelassenheit sind dabei manchmal ganz hilfreich.

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Mit dem Projekt „Hall of Femmes“ soll die Sichtbarkeit von Frauen an der WU und mit Bezug zur WU erhöht und andere Frauen gestärkt werden, indem es Vorbilder schafft. In kurzen Interviews schildern die befragten Frauen ihre Karrierewege, berichten über entscheidende Erfolgsfaktoren für ihre berufliche Entwicklung und geben persönliche Karriereempfehlungen. Die ersten Interviews werden in einer mehrwöchigen Reihe im WU-Blog veröffentlicht.