WU Matters: Brexit – Schreckgespenst oder reale Bedrohung?

Das Verhältnis des Vereinigten Königreichs (engl. United Kingdom, kurz UK) zur Europäischen Union war schon immer ein ambivalentes, und zwar nicht erst seit dem 24. Juni 2016, als die globale Wirtschaftscommunity in Schockstarre ob des sogenannten Brexit verfiel. Die Briten hatten entschieden, die EU zu verlassen (51,9 Prozent dafür, 48,1 Prozent dagegen), getrieben durch eine populistische Ankündigung des damaligen Premierministers, David Cameron, der 2013 seine Wiederwahl sicherte, indem er versprach, das Volk über einen Verbleib in der EU abstimmen zu lassen.

Trotz weitgehender Zugeständnisse von Brüssel Anfang 2016 konnte Cameron das Ruder zum Verbleiben in der EU nicht herumreißen, und so trat letztendlich ein, was viele für schier unmöglich gehalten hatten: Großbritannien kappte die Verbindung zum Rest der EU. Die ersten Auswirkungen sind bereits auf den Finanzmärkten ließen nicht lange auf sich warten: Das britische Pfund verlor bald nach dem Referendum an Wert und ist heute so schwach wie in den vergangenen 30 Jahren nicht mehr. Doch nun wird es ernst, denn 2017 werden die tatsächlichen Bedingungen Großbritanniens für einen Austritt aus der EU verhandelt.

Großbritannien, quo vadis?

Für Harald Badinger, Vizerektor für Finanzen der WU und Institutsvorstand des Instituts für Internationale Wirtschaft, sind drei Optionen des Brexit vorstellbar: „1. Das Schweizer Modell oder noch besser das Modell Norwegen (Europäischer Wirtschaftsraum, EWR) wird angewandt. Beide Länder tragen auch einen kleineren Betrag zum EU-Budget bei, damit sie auf dem gemeinsamen Binnenmarkt teilnehmen können. Würde UK dem EWR beitreten, wären die ökonomischen Effekte in Folge des Brexit glimpflich. Allerdings müsste UK in diesem Fall auch die Personenfreizügigkeit akzeptieren. Ein solcher Soft Brexit erscheint unwahrscheinlich, weil die Beschränkung der Personenfreizügigkeit ein zentrales Argument der Brexit-Befürworter war.“

Im Falle eines Freihandelsabkommens würde UK eigene Regulierungen erhalten: „In diesem Fall würde es zu Verlagerungen kommen, weil es – im Unterschied zum EWR – keine wechselseitigen Anerkennungen automatisch gäbe und daher wesentlich höhere Handelsbarrieren entstünden.“ Es könnte aber auch der dritte Fall eintreten und Großbritannien könnte zum einfachen WTO-Mitglied werden: „Das würde noch höhere Handelsbarrieren mit der EU und in vielen Bereichen sogar Zölle bedeuten. Es käme vermutlich zu starken Verlagerungen von Unternehmen aus dem UK in die EU.“

Auswirkungen auf österreichische Unternehmen

Angesichts dieser Szenarien sieht auch Karin Sonnenmoser, CFO der Zumtobel Group, den Austrittsverhandlungen mit gemischten Gefühlen entgegen. Der österreichische Konzern ist seit Jahren stark in Großbritannien involviert. „Wenn wir die wirtschaftliche Entwicklung betrachten, ist für uns als Lichtkonzern insbesondere die Bautätigkeit relevant. Bereits vor dem Brexit-Votum haben wir eine Unsicherheit auf dem Markt gespürt; geplante Projekte wurden nicht abgerufen. Aktuell  werden lokale Projekte zwar realisiert, aber im Bereich der internationalen Investoren ist Zurückhaltung zu spüren.“

In jedem Fall stehen Großbritannien und der Europäischen Union große Änderungen bevor. Aus gegebenem Anlass diskutieren am 14. Dezember im Rahmen der Diskussionsreihe „Wirtschaft Wissenschaft Unplugged“ (einer Eventserie von Erste Group, WU und „Die Presse“) Karin Sonnenmoser, CFO der Zumtobel Group, und WU-Professor Harald Badinger über mögliche Folgen des Austritts auf die österreichische und euopäische Wirtschaft und das Leben nach dem Brexit.

Datum: 14.12.2016, 18.30 Uhr
Ort: Wirtschaftsuniversität Wien Festsaal 1
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