Akademiker*innen gründen: Eine Erfolgsgeschichte

Ehemalige Doktorand*innen am WU Institut für Finance, Banking & Insurance haben im Rahmen ihrer wissenschaftlichen Tätigkeit eine Marktlücke entdeckt und daraufhin ein Unternehmen gegründet. FINcredible ermöglicht eine nachhaltige und verantwortungsvolle Kreditentscheidung (responsible lending & borrowing) und fördert damit die allgemeine Finanzbildung (financial literacy). Weiters werden mit der wissenschaftlich basierten Analyse von Bankdaten auch Vertragsabschlüsse in weiteren Branchen wie eCommerce (z.B. für den Mega-Trend Abos) und Real-Estate einfacher und effizienter gemacht. Wir sprechen mit den Gründer*innen (Alexander Eisl, Stephan Gasser, Valentina Gasser, Karl Weinmayer, Christian Ochs – am Foto von links nach rechts) über Motivation und Learnings aus ihrem akademischen Spin-Off.

WU Blog: Wie kam es zu Ihrer Gründungsidee?

Alexander Eisl, Stephan Gasser, Valentina Gasser, Christian Ochs & Karl Weinmayer: Wir vier kannten uns schon seit Jahren über unser Doktorats- und PhD Studium am Department. Irgendwann hatten wir begonnen, uns regelmäßig zu treffen, um uns über Innovationen & Startups aus verschiedensten Bereichen auszutauschen. Die Ankündigung der PSD2 (Open Banking Initiative) war für uns aus wissenschaftlicher Sicht schon mal sehr spannend. Als dann aber auch Alexander Eisl (einer der Gründer) zu der Zeit gerade Wohnung gesucht hat und viel mit Maklern und Gehaltsnachweisen zu tun hatte, kamen wir schnell auf die Idee, dass eine bankdatenbasierte & datenschutzkonforme Lösung hier viele Vorteile mit sich bringen könnte. Diese Idee ist gewachsen und daraus entstand letztendlich FINcredible – heute gehen unsere Lösungen natürlich viel weiter, und lassen sich bei Kreditanträgen, im Online-Handel, sowie eben auch im Immobilienbereich in jede Website und jedes System einbinden. Auch Point-of-Sale Lösungen bei Einkäufen im Geschäft sind vor Ort möglich. Wir bieten damit die Analyse und Qualität von Bankdaten in allen Lebensbereichen an.

„Wir wollten wirklich wissen, ob etwas daraus werden kann.“

WU Blog: Was hat Sie motiviert, dass Sie aus der akademischen Rolle an der WU Wien heraus einer unternehmerischen Tätigkeit nachgehen und ein akademisches Spin-Off gründen?

Alexander Eisl, Stephan Gasser, Valentina Gasser, Christian Ochs & Karl Weinmayer: Als Wissenschaftler sind wir es gewohnt, mitunter sehr kritisch zu sein. Nachdem wir erstmals die Idee für unser Projekt hatten, gab es noch viele Treffen, wo wir teilweise ziemlich intensiv versucht haben, diese Idee zu hinterfragen. Aber der Case hat standgehalten und sich eigentlich immer mehr in unseren Köpfen gefestigt. Das hat uns im Endeffekt den Mut gegeben und dazu motiviert, es auch wirklich zu probieren. Wir wollten dann wirklich wissen, ob etwas daraus werden kann.

„Die Kombination aus der Idee und dem Team war entscheidend.“

WU Blog: War die Gründung eines Unternehmens für das Gründungsteam schon immer eine Option? Oder wie kam es zu dem Entschluss unternehmerisch tätig zu werden?

Alexander Eisl, Stephan Gasser, Valentina Gasser, Christian Ochs & Karl Weinmayer: Eigentlich war keiner von uns im Vorfeld unbedingt darauf aus, ein Unternehmen zu gründen. Das ergab sich wahrscheinlich, wie so oft, aus der Situation heraus, und dem Wunsch, eine Vision gemeinsam umzusetzen. Für uns war es von Beginn an wichtig, dass wir vier gemeinsam als Team gründen, da wir in der Vergangenheit schon bereits an mehreren Forschungsprojekten zusammengearbeitet hatten, und die Chemie zwischen uns einfach sehr gut passt. Die Kombination aus der Idee und dem Team war dann entscheidend.

WU Blog: Wie hat Sie die WU Wien und das WU Gründungszentrum bei der Gründung Ihres eigenen Unternehmens unterstützt?

Alexander Eisl, Stephan Gasser, Valentina Gasser, Christian Ochs & Karl Weinmayer: Unsere Kolleg*innen und direkten Vorgesetzten haben uns von Beginn an auf persönlicher Ebene durch motivierte Zurufe unterstützt und uns auch in ihrer Freizeit Feedback gegeben. Beim WU Gründungszentrum konnten wir uns durch die zahlreichen Events ein gutes Bild machen, wie wir unsere Idee vor möglichen Investor*innen und Kund*innen präsentieren müssen und welche Fragen wir stellen müssen, um unsere Idee zu einem Geschäftsmodell weiter auszuarbeiten.

WU Blog: Welches Problem lösen Sie mit Ihrem Produkt?

Alexander Eisl, Stephan Gasser, Valentina Gasser, Christian Ochs & Karl Weinmayer: FINcredible ist ein österreichisches Fintech Startup und der erste bzw. bisher einzige, bei der Finanzmarktaufsicht lizensierte, Kontoinformationsdienst in Österreich. Auf Basis der Open Banking Initiative haben wir wissenschaftlich basierte Bonitätslösungen für Privatpersonen entwickelt, um Unternehmen aber auch die Konsumenten selbst bei Geschäftsabschlüssen in allen Lebensbereichen (z.B. Kreditantrag, Mietvertrag, eCommerce, …) mit relevanten Bonitätsinformationen unter vollem Datenschutz und Transparenz zu versorgen.

Dabei legen wir einen großen Wert auf eine schlanke und vollständig digitale Prozessabwicklung. Damit ist es uns möglich, direkt am Point-of-Sale – egal ob vor Ort oder im Webshop – aussagekräftige und relevante Bonitätsinformationen in Sekundenschnelle zur Verfügung zu stellen und gleichzeitig das volle Datenschutzmanagement für unsere Partner*innen abzuwickeln.

Wir sind aktuell in mehreren Märkten in Österreich und Deutschland tätig, wie bspw. Immobilien (www.mietcheck.at), eCommerce & Mobility (Abwicklung von Abos) und Kreditvermittlung (KSV1870 InfoPass für Finanzdienstleister gemeinsam mit unserem Partner, dem Kreditschutzverband von 1870). In naher Zukunft soll aber die Expansion in die gesamte EU folgen. Dazu haben wir erst kürzlich eine Kooperation mit Klarna als Technologie-Partner abgeschlossen, um uns auf unser Kerngeschäft, Data Science und Risikomanagement mit Bankdaten, zu konzentrieren und noch schneller expandieren zu können.

„Die Zeit an einer Uni ist sehr gut geeignet, um Gründer*innen-Ambitionen nachzugehen. An der WU gibt es dafür ein sehr konstruktives Umfeld.“

WU Blog: Welchen Ratschlag würden Sie Ihren akademischen Kolleg*innen geben, die ihre wissenschaftlichen Forschungsergebnisse kommerzialisieren wollen?

Alexander Eisl, Stephan Gasser, Valentina Gasser, Christian Ochs & Karl Weinmayer: Es gibt mit Sicherheit eine Vielzahl von spannenden Geschäftsmodellen, die sich hinter Forschungsergebnissen verbergen. Auf der anderen Seite ist es aber wichtig zu verstehen, dass ein wissenschaftlicher Beitrag natürlich nicht immer gleichbedeutend mit einer Lösung ist, die ein Problem am Markt adressiert und wofür es eine*n Abnehmer*in gibt. Daher halten wir es gerade zu Beginn für sehr wichtig, den Austausch mit Kolleg*innen und Bekannten zu suchen, um Feedback zu erhalten, und zu validieren, ob es eine Marktlücke gibt. Dieser Prozess kann mitunter auch länger dauern. Bei der Beantwortung dieser Frage und Weiterentwicklung unserer Idee hat uns bspw. das Lean Canvas Konzept sehr geholfen. Dort werden die richtigen Fragen gestellt und man muss sich über Themen Gedanken machen, die weit über den wissenschaftlichen Aspekt hinausgehen.

Es ist auch empfehlenswert, ab und an zu Startup Events zu gehen, wie sie bspw. vom WU Gründungszentrum oder auch Austrian Startups organisiert werden. Dort kann man sich mit anderen Startup-Enthusiast*innen zwanglos austauschen und Kontakte knüpfen. Wenn die eigene Idee genug ausgereift ist, kann es auch nicht schaden, sich bei Startup-Wettbewerben selbst auf die Bühne zu stellen. Das bringt gute Visibility und Übung für den wichtigen Investoren*innen-Pitch, der danach dann hoffentlich folgen wird. Eine offene Kommunikation und Feedback von Dritten ist enorm wichtig.

Unserer eigenen Erfahrung nach ist die Zeit an der Universität grundsätzlich sehr gut geeignet, um etwaige Gründer*innen-Ambitionen zu verfolgen. Man befindet sich an der WU Wien in einem sehr konstruktiven Umfeld. Es ist eine große Challenge, die aber sehr spannend ist und wir haben definitiv einen Riesenrespekt vor allen Gründer*innenn entwickelt, die sich getraut haben, es zu versuchen.

Spin-Offs & das WU Gründungszentrum

Entrepreneurship umfasst unternehmerisches Denken und Handeln und ist eine attraktive Karriereoption sowohl für Studierende nach Abschluss des Studiums, als auch wissenschaftliche Mitarbeiter*innen. Die Verwertung von wissenschaftlichen Forschungsergebnissen im Rahmen einer Unternehmensgründung (Spin-off) ist oft eine attraktive Möglichkeit, die noch nicht so häufig genutzt wird.

An dieser Stelle kommt das WU Gründungszentrum ins Spiel: Wir sind die erste Anlaufstelle für Entrepreneurship und Innovation und unterstützen Studierende, als auch Forschende der WU Wien bei der Realisierung ihrer Ideen und Projekte. So schaffen wir Bekanntheit für das Thema Entrepreneurship und ermutigen alle, dass sie ihre eigenen Ideen auch wirklich in die Tat umsetzen und ihre Zukunft so aktiv gestalten.

FINcredible im Finale von Falling Walls

Als WU Gründungszentrum sind wir ganz besonders stolz auf das akademische Spin-Off der WU Wien, deswegen haben wir FINcredible für die Falling Walls Conference 2021 in der Kategorie „Science Startup (Falling Walls Venture)“ nominiert.

Falling Walls ist eine internationale Konferenz, die Wissenschaft, Wirtschaft und Gesellschaft durch das gemeinsame Engagement verbindet, bahnbrechende Lösungen für grenz- und fachübergreifende Herausforderungen schafft. Jedes Jahr betreten zwanzig der weltweit fortschrittlichsten Wissenschaftler*innen und kühnsten Visionär*innen die Bühne, um ihre wissenschaftlichen Durchbrüche aus den unterschiedlichsten Disziplinen vorzustellen.

Wir freuen uns, dass FINcredible für das Finale ausgewählt wurde und drücken dem gesamten Team die Daumen, dass sie es bis zur Konferenz schaffen.