Männlich, weiblich, weder noch…?

Was genau ist eigentlich das 3. Geschlecht? Diese Frage taucht in der Diskussion über die genderneutralen Toiletten an der WU immer wieder auf. Die zahlreichen Reaktionen seit Oktober 2019 zeigen: es gibt noch einige offene Fragen. Aus diesem Grund haben wir WU-Forscherin Maria Clar vom WU Institut für Gender und Diversität in Organisationen um Aufklärung gebeten.

WU Blog: Intergeschlechtlich, transgender, nicht-binär… Was genau bedeuten diese Begriffe oder: was ist das nun, das 3. Geschlecht?

Maria Clar:Intergeschlechtlich“ sind Personen, deren Geschlechtsmerkmale – anatomisch, chromosomal und/oder hormonell – von der medizinischen Norm „weiblicher“ oder „männlicher“ Körper abweichen. Intergeschlechtliche Menschen wurden mit Geschlechtsmerkmalen geboren, die nicht dieser gesetzten Norm entsprechen. Was das genau heißt kann wiederum sehr vielfältig sein. Ihre Geschlechtsidentität kann „inter*“ sein, sie können aber auch eine weibliche, männliche oder andere Geschlechtsidentität haben. Mit dem Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofs im Jahr 2018 wurde inter*Personen das Recht auf eine entsprechende Eintragung im Personenstandsregister bestätigt.

Trans, trans*, transgender oder transident sind Selbstbezeichnungen von Personen, deren Geschlecht nicht dem Geschlecht entspricht, das ihnen bei der Geburt amtlich zugewiesen wurde.

Nicht-binär ist eine Selbstbezeichnung von Menschen, die sich nicht in die binäre Geschlechterordnung einordnen lassen möchten. Als binäre Geschlechterordnung wird jene Annahme bezeichnet, dass es nur zwei klar voneinander abgegrenzte Geschlechter gibt (männlich und weiblich), die sich wechselseitig ergänzen und aufeinander beziehen. Rechtlich wird von der 3. Option beim Geschlechtseintrag gesprochen. Damit soll es eine Möglichkeit der Eintragung für alle Menschen geben, die sich in den Kategorien „männlich“ und „weiblich“ nicht wiederfinden.

Der Asterisk * ver­weist hier auf die Vielfalt von inter* und trans* Realitäten und Körperlichkeiten.

WU Blog: Die Reaktionen auf die genderneutralen Toiletten an der WU waren zahlreich und vielfach positiv. Eine Frage, die mehrmals auftauchte: Wie viele Menschen betrifft das tatsächlich?

Maria Clar: Es ist schwierig, Zahlen zu nennen, da diese meist auf Schätzungen beruhen, u.a. auch, da bspw. intergeschlechtliche Menschen manchmal erst als Erwachsene oder auch nie davon erfahren. The Netherlands Institute for Social Research hat 2014 u.a. medizinische Berichte zusammengefasst und erhoben, dass in den Niederlanden einer von 200 Menschen eine Variation der Geschlechtsmerkmale aufweist, also intergeschlechtlich ist. In dieser Erhebung sind intergeschlechtliche Personen erfasst, aber nicht jene, die trans* oder non-binary sind. Ganz grundsätzlich stellt sich die Frage der Notwendigkeit, genaue Zahlen zu kennen. Wie groß muss eine Minderheit sein, damit sie Anspruch auf ihre Rechte hat?

„Wie groß muss eine Minderheit sein, damit sie Anspruch auf ihre Rechte hat?“

WU Blog: Maßnahmen wie die genderneutralen Toiletten an der WU werden mitunter als unnötiger und teurer Aufwand für eine kleine Gruppe angesehen. Was sagen Sie dazu?

Maria Clar: Diejenigen, die den Normen entsprechen, müssen sich selten(er) mit der Frage befassen, inwiefern Toiletten sichere Räume für sie sind. Personen, die sich nicht in das Mann/Frau-Schema einordnen lassen, sind hingegen überproportional oft Diskriminierungs- und Gewalterfahrungen ausgesetzt. Um sich vor Übergriffen zu schützen, gehen manche Menschen lieber nach Hause als im öffentlichen Raum oder am Arbeitsplatz auf die Toilette. Und tatsächlich wurden die Kosten an der WU sehr gering gehalten, da bestehende Toiletten einfach umgewidmet wurden.


Zur Person:

Maria Clar forscht am Institut Gender & Diversität in Organisationen, wie die Rechte von Personen, die sich nicht in die Kategorie „Frau“ oder „Mann“ einordnen lassen können oder wollen, in Organisationen anerkannt und umgesetzt werden. Ausgangspunkt für ihre Forschungen zu „non-binary gender in Organisationen“ war das Vfgh-Erkenntnis, das 2018 das Recht auf individuelle Geschlechtsidentität, also das Recht auf eine entsprechende Eintragung im Personenstandsregister, bestätigte. Damit wurde die Existenz von intergeschlechtlichen Personen in Österreich anerkannt. Ihre Forschung geht aber noch darüber hinaus, sie interessiert sich auch, wie Personen, die trans* oder nicht-binär sind, in Organisationen behandelt werden.

Mehr zum Thema:

An der WU gibt es mit q_wir@wu eine offene LGBTIQA-Gruppe für Studierende und MitarbeiterInnen, die sich relmäßig trifft und gemeinsam Veranstaltungen, Diskussionen und vieles mehr organisiert. Das nächste Treffen findet am 17.12. statt – der Filmabend „Warme Gefühle“ von Katharina Miko-Schefzig wird ab 18 Uhr im AD-Gebäude, Sitzungssaal 1 gezeigt. Bei Fragen wenden Sie sich bitte auch an den Arbeitskreis für Gleichbehandlungsfragen (ak-gleich@wu.ac.at) oder die Stabstelle Gender und Diversity policy (diversity-policy@wu.ac.at).