„Dem Thema ‚Finanzbildung‘ sollte auch schon in der Schule ein größerer Stellenwert eingeräumt werden“

In seiner Forschungsarbeit analysiert WU Forscher und Researcher of the month 11/19 Christian Wagner den Tonfall, den die EZB in ihren Presseaussendungen und -konferenzen zur Entwicklung des Leitzinses anschlägt. Doch wie steht der gebürtige Wiener zum Thema Finanzbildung als Schulfach und wo sieht er für Private gute Chancen zur Geldanlage?

Name: Christian Wagner

Jahrgang: 1979

Geburtsort (aufgewachsen in): Wien

Als Kind wollte ich werden: Ich kann mich nicht daran erinnern, einen bestimmten Berufswunsch gehabt zu haben

Darum bin ich Wissenschaftler geworden: Das war nicht wirklich so geplant. Im Diplomstudium fand ich die Kurse im Bereich Finance am interessantesten und habe deshalb auch noch ein Doktoratsstudium in diesem Bereich angehängt. Im Zuge dessen haben sich spannende Projekte ergeben, an denen ich weiterarbeiten wollte, und deshalb bin ich in der Wissenschaft geblieben

Das fasziniert mich an meinem Fachbereich: Die vielfältigen Aspekte im Bereich Finance selbst, die Verknüpfungen mit anderen Bereichen, die Nähe zur Praxis

Mein persönliches berufliches Wunschziel: Forschungsergebnisse zu produzieren, die sowohl Anerkennung in der wissenschaftlichen Community erhalten als auch Relevanz für die Praxis aufweisen


WU Blog: In Ihrer Studie hat sich gezeigt, dass die Wortwahl der EZB bei der Verkündung des Leitzinses den Finanzmarkt beeinflusst. Sind Aktienmärkte etc. auf solche „Stimmungen“ generell sensibel?

Christian Wagner: Ich würde dies grundsätzlich mit Ja beantworten. Allerdings ist es nicht so, dass es in der Wissenschaft die Definition für „Sentiment“ gibt. Einerseits kann Investor Sentiment recht eng definiert und zB anhand von Variablen wie consumer confidence approximiert werden. Andererseits wird der Begriff manchmal sehr weit gefasst, als jegliche Abweichung von modellgestützen Fundamentalwerten. Über die gesamte Bandbreite der Definitionsmöglichkeiten gibt es Studien, die Sentiment eine gewisse Rolle zuschreiben, und der Bereich „Behavioural Finance“ versucht diese Effekte besser zu verstehen.

WU Blog: Aufgrund der aktuellen Zinslage raten FinanzberaterInnen davon ab, Geld auf dem Sparbuch anzulegen. Trotzdem haben Menschen oft Angst davor, ihr Geld anderweitig anzulegen. Wie sehen Sie das?

Christian Wagner: Die Attraktivität des Sparbuchs ergibt sich grundsätzlich daraus, dass Geld risikolos veranlagt werden kann und bei Bedarf sofort (oder sehr kurzfristig) wieder zur Verfügung steht. Im aktuellen Null- bzw Negativ-Zinsumfeld können derartige, risikolose Veranlagungen keinen Ertrag liefern; nach Berücksichtigung der Inflation ist die reale Verzinsung jedenfalls negativ. Positive erwartete Renditen können derzeit nur erzielt werden, wenn man bereit ist riskant zu veranlagen, wobei die konkrete Veranlagung vor allem vom Investitionshorizont, der Risikobereitschaft, und in gewissem Ausmaß auch vom zu veranlagenden Vermögen abhängen sollte.

„Die Attraktivität des Sparbuchs ergibt sich grundsätzlich daraus, dass Geld risikolos veranlagt werden kann.“

WU Blog: „Finanzbildung“ ist derzeit immer wieder medial ein Thema. Was denken Sie, wo müsste man ansetzen? Früher fühlte man sich bei einer/einem guten BankberaterIn ausreichend gut aufgehoben, reicht das heute noch? Und wenn nein, was braucht es?

Christian Wagner: Ich persönlich glaube, dass das Thema „Finanzbildung“ ein sehr wesentliches ist, dem auch schon in der Schule ein größerer Stellenwert eingeräumt werden sollte. Ein Verständnis der wichtigsten wirtschaftlichen und finanziellen Zusammenhänge bildet die Grundlage für Entscheidungen, die die „finanzielle Gesundheit“ eines Haushaltes prägen. Damit meine ich einerseits die konkreten, persönlichen Investitions- und Finanzierungsentscheidungen.

Andererseits hängen solche Entscheidungen von den Rahmenbedingungen ab, unter denen diese getroffen werden, und insofern glaube ich, dass eine solide „Finanzbildung“ auch eine wichtige Grundlage bei der politischen Mitbestimmung dieser Rahmenbedingungen bildet. Nehmen wir als Beispiel die Altersvorsorge. Im Zuge der Altersvorsorge muss man entsprechende Entscheidungen zur finanziellen Vorsorge treffen und diese hängen wesentlich von den pensionspolitischen Rahmenbedingungen ab. Die Rolle der/des BankberaterIn sehe ich darin, vertiefende Informationen zu liefern und darauf abgestimmt konkrete Spar-, Investitions-, und Finanzierungsprodukte zu empfehlen.