„Die Auswirkungen von TTIP und CETA werden für die BürgerInnen nicht sehr groß sein“
In seiner Forschung beschäftigt sich der WU-Europarechtsexperte Erich Vranes mit den Auswirkungen und Funktionen von internationalen Handelsabkommen wie CETA und TTIP. Im Interview für den WU Blog haben wir den Forscher unter anderem nach den Schwachpunkten solcher Abkommen gefragt.
Name: Erich Vranes
Jahrgang: 1970
Geburtsort (aufgewachsen in): Villach (aufgewachsen in Gastein/Salzburg)
Als Kind wollte ich werden: Arzt, Naturwissenschaftler
Darum bin ich Wissenschaftler geworden: Um gesellschaftlich wichtige Fragestellungen in großer Unabhängigkeit möglichst eingehend untersuchen und vermitteln zu können
Das fasziniert mich an meinem Fachbereich: Die Bereiche des internationalen Rechts, des Europarechts und der internationalen Wirtschaftsbeziehungen entwickeln sich äußerst dynamisch fort. Man kann viele Entwicklungen in der heutigen globalisierten Welt ohne Grundkenntnisse dieser Bereiche schwer verstehen. Zugleich stellen sich in diesen Bereichen „ewige“ Fragen der Rechtswissenschaften (Gleichheit, Verhältnismäßigkeit – das „rechte Maß“, Normlogik und viele mehr) mit neuer Brisanz.
Mein persönliches berufliches Wunschziel: Möglichst viele Studierende möglichst intensiv in den Bereichen Europarecht, internationales Recht und Rechtstheorie/Methodenlehre auf ihre Berufstätigkeit vorzubereiten und junge Talente für eine wissenschaftliche Karriere zu begeistern
WU Blog: Womit beschäftigen Sie sich als Europarechtsexperte – welche Rechtsbereiche werden auf Europäischer Ebene geregelt, welche national?
Erich Vranes: Ich beschäftige mich insbesondere mit internationalen Wirtschaftsbeziehungen, den Außenbeziehungen der EU und ihrer Mitgliedstaaten, dem EU-Binnenmarkt und Grundfragen des Grundrechtsschutzes im „Europäischen Mehrebenensystem“. Keiner dieser Rechtsbereiche ist „nur“ auf europäischer, nationaler oder internationaler Ebene angesiedelt. Gerade dieses Zusammenspiel der verschiedenen Ebenen macht diese Rechtsbereiche so komplex und vor allem auch interessant.
WU Blog: Sie haben sich in Ihrer wissenschaftlichen Arbeit mit den Handelsabkommen TTIP und CETA beschäftigt: Gibt es Folgen der Handelsabkommen, die BürgerInnen unmittelbar bemerken werden?
Erich Vranes: Die für Bürgerinnen und Bürger unmittelbar spürbaren Auswirkungen werden voraussichtlich nicht sehr groß sein. Unmittelbar für Einzelne spürbare Auswirkungen hätte CETA gehabt, wenn es den Bürgerinnen und Bürgern ermöglicht worden wäre, sich vor nationalen Gerichten und Behörden unmittelbar gegen die EU und ihre Mitgliedstaaten auf CETA zu berufen und so die EU bzw die Mitgliedstaaten dazu zu zwingen, gegen CETA verstoßende Vorschriften zu ändern. Diese – sehr umstrittene – so genannte unmittelbare Wirkung ist in CETA ausdrücklich ausgeschlossen worden (und würde wohl auch in TTIP ausgeschlossen werden).
WU Blog: Aus juristischer Perspektive: Worin denken Sie liegt bei den Handelsabkommen der größte Fortschritt?
Erich Vranes: Im Falle von CETA ist der Bereich Investitionsschutz – im Vergleich zu früheren Abkommen – fortschrittlicher geregelt worden. So ist es durch Klarstellungen im CETA-Text für ausländische Investoren etwa deutlich schwerer geworden, gegen nationale Vorschriften, die legitime Interessen wie ArbeitnehmerInnen- und Umweltschutz verfolgen, vor internationalen Schiedsgerichten vorzugehen.
WU Blog: …und wo besteht die größte Lücke?
Erich Vranes: Eine große Lücke liegt im Falle von CETA sicherlich in der mangelnden Transparenz des Verhandlungsprozesses und – allgemein bei so weitreichenden Abkommen – in der vergleichsweise geringen Einbindung des EU-Parlaments und nationaler Parlamente in diese internationalen Verhandlungen.