Vernetzt euch! Wann und wie Networking sinnvoll ist.
Networking ist das Schlagwort einer Revolution am Arbeitsmarkt: Viele Unternehmen besetzen Stellen über Onlineplattformen und GründerInnen und Selbstständige vernetzen sich verstärkt. Warum Networking sinnvoll ist und trotzdem nicht überschätzt werden sollte. Dieser Beitrag erschien zuerst im WU Magazin 02/19 als Beilage zur Tageszeitung Die Presse.
Wer sich heute vernetzen will, teilt nicht mehr nur Visitenkarten aus, sondern sendet auch Kontaktanfragen: Diverse Onlineplattformen machen das Networking leichter als je zuvor. „Zum heutigen Networking gehören Onlineplattformen wie LinkedIn und Xing in vielen Bereichen in der Wirtschaft einfach dazu – gerade im Managementbereich“, bestätigt Johanna Hofbauer, Professorin am WU-Institut für Soziologie und empirische Sozialforschung. „Wer nicht Teil dieses Netzwerks ist, der wird nicht für engagiert gehalten und nicht ernst genommen.“ Denn neben Fähigkeiten und Berufserfahrung brauche es am Arbeitsmarkt noch eine andere wichtige Eigenschaft: sich selbst vermarkten zu können.
„In der Praxis wird der Auftritt von BewerberInnen auf solchen Onlineplattformen im Einstellungsprozess stark miteinbezogen“
„In der Praxis wird der Auftritt von BewerberInnen auf solchen Onlineplattformen im Einstellungsprozess stark miteinbezogen“, erklärt Hofbauer. 98 Prozent der 500 umsatz-stärksten Unternehmen, der sogenannten Fortune 500, nutzen LinkedIn für das Recruiting – das fand die University of Massachusetts Dartmouth heraus.
Weltweit vernetzt
Mit den internationalen Big Playern in Kontakt zu treten, ist heutzutage für viele kein Problem mehr. Onlinenetzwerke hebeln das Problem der geografischen Verfügbarkeit aus. Auch im akademischen Bereich gibt es ein starkes weltweites Netzwerk. „Manchmal hat man mehr Kontakt mit Leuten vom anderen Ende der Welt als mit jenen, die im selben Korridor arbeiten“, bemerkt Bodo Schlegelmilch, Professor am WU-Institut für International Marketing Management.
„So etwas war vor der digitalen Revolution nicht möglich.“ Zu beachten sei hierbei, dass digitale Netzwerke von politischen und kulturellen Faktoren beeinflusst werden. In Österreich wird etwa gern WhatsApp benutzt, in China tauschen sich die Leute über WeChat und in Thailand über Line aus. „Wenn man nicht die richtige App nutzt, kann es also passieren, dass man keinen Zugang zu einem bestimmten Netzwerk hat“, erklärt Schlegelmilch.
„Wichtig ist es, beim Erlernen von Onlinenetworking, die Netiquette zu verstehen“, sagt er. Was man postet und wie man sich verhält, sei abhängig vom Netzwerk, in dem man kommuniziert. „Dafür muss man erst ein Gefühl bekommen.“ Trotzdem: „Networking ist durch das Internet leichter geworden, weil man sehr direkt mit Leuten in Kontakt bleiben kann und es möglich ist, die Intensität der Kontakte zu skalieren.“ Hofbauer spricht einen weiteren Vorteil des Online-networkings an: „Durch Social Media und Onlineplattformen entstehen ganz neuartige Netzwerke zwischen neuen AkteurInnen auf dem Arbeitsmarkt, die sich in dieser digitalen Ökonomie auf dem Arbeitsmarkt einen Platz schaffen können.“
Auch ohne von einem Betrieb angestellt zu sein. „Selbstständige können Dienstleistungen und Produkte über die digitalen Technologien anbieten und mit anderen AnbieterInnen im selben Marktsegment Netzwerke schließen, um Geschäftsrisiken zu begrenzen“, sagt Hofbauer. So tausche man in diesen Netzwerken Know-how aus, teile Erfahrungen und diskutiere über Fragen der Preisbildung und Qualitätssicherung von Dienstleistungen; gleichzeitig unterhalte man sich aber auch informell. „Dadurch entwickelt sich eine eigene, spannende Kultur im Networking.“
„Ein Weltklassfußballer wie Lionel Messi allein würde gegen jede Altherrenmannschaft verlieren, und so ist das auch im Gründungsprozess.“
Auch im Gründungsprozess von Unternehmen ist Networking ein wichtiger Faktor. „Ohne Netzwerk geht es praktisch nicht“, sagt Professor Nikolaus Franke vom WU-Institut für Entrepreneurship und Innovation. Man brauche viel Wissen, etwa über KundInnen und Wettbewerb, Vertriebsmöglichkeiten und Plattformen, Finanzierung und Förderinstitu-tionen – ein Netzwerk kann all das bereitstellen. „Ein Weltklassefußballer wie Lionel Messi allein würde gegen jede Altherrenmannschaft verlieren und so ist das auch im Gründungsprozess“, beschreibt es Franke.
Denn dieser verlaufe selten linear: Durch das Feed-back des Netzwerks verändere sich die eigene Sicht-weise auf das Gründungsprojekt und neuartige unternehmerische Gelegenheiten können evident sein. „Fast immer kommt man am Ende auf einen anderen Markt und stiftet dort mit einem anderen Produkt für andere KundInnen einen anderen Nutzen als ursprünglich geplant – und ist damit dann erfolg-reich“, so Franke.
Networking an der WU
Die WU bestärkt ihre Studierenden und Alumni darin, sich zu vernetzen. „Netzwerke sind gerade im beruflichen Kontext besonders wichtig“, sagt Marion Haumer, Leiterin der Abteilung Corporate Relations and Alumni Services der WU. 1995 wurde das Netz-werk der WU Alumni, der damalige „WU Alumni Club“, ins Leben gerufen. Mittlerweile zählt die WU Alumni Community rund 55.000 Mitglieder.
„Ich sehe unsere Aufgaben darin, AbsolventInnen zu vernetzen, Karrieren zu fördern und weiterhin Einblicke in die universitäre Forschung zu bieten“, so Haumer. „Die gemeinsame Alma Mater verbindet viele kluge und innovative Menschen, die das WU-Alumni-Netzwerk erfolgreich zu ihrem Vorteil nutzen.“ An der WU Executive Academy bringt das WU-EA-Connect-Netzwerk Studierende und Alumni miteinander in Kontakt. Dort wird gleich bei der Onlineanmeldung durch die Einstiegsfrage der Grundgedanke des Netz-werks sichtbar: „How are you willing to help?“
„So unverbindlich wie an einer Uni funktioniert das Networking später selten wieder. Diese Chance sollte man nicht auslassen.“
Einer der Mitglieder ist Andreas Huber, Alumnus des Global Executive MBA, der zu bedenken gibt, dass es gerade im Bereich der postgradualen Weiterbildung nicht nur um den erlernten Stoff geht: „Heute zählt eher, mit wem ich im Leadership-Modul gesessen bin.“Auch Ursula Axmann, Geschäftsführerin des WU ZBP Career Centers bestätigt, dass sich die Universität bestens für Networking eignet: „Eine Universität ist eine einmalige Gelegenheit, sehr viele unterschiedliche Menschen kennenzulernen: das sind Kontakte zu KollegInnen, zu Lehrenden und nicht zuletzt zu Unternehmen und Institutionen, die bewusst dafür an die Uni kommen“, sagt sie. „So unverbindlich wie an einer Uni funktioniert das später selten wieder.
Diese Chance sollte man nicht auslassen.“ Außerdem könne man auch nach der Studienzeit leicht einen Anknüpfungspunkt im Gespräch finden: „You always meet twice! Vielleicht kreuzen sich die Wege irgendwann und irgendwo wieder und dann ist nichts leichter, als im Gespräch auf die gemeinsame Studienzeit zurückzublicken.“Oft entstehen aus Businesskontakten und Universi-tätsnetzwerken Freundschaften: „Neben dem Nutzen für die unternehmerische Karriere bereichern Freundinnen, Freunde und Kontakte das ganze Leben“, so Franke.
Networking dürfe aber nicht mit der sogenannten „Freunderlwirtschaft“ verwechselt werden. „Vielfach steht hinter Netzwerken der ethische Ansatz, dass die Angehörigen als gleich stark wahrgenommen werden und man sich darauf verlassen kann, dass diese Beziehungen nicht missbraucht werden“, so Hofbauer. Wenn es viele intransparente Prozesse und wenige sachliche Gründe für Entschei-dungen gibt, dann werde es problematisch. Das sei etwa dann der Fall, wenn Fachkompetenz nicht mehr im Vordergrund steht.
„Sehr gut dokumentiert ist das in der Genderforschung: Auch in modernen Organi-sationen bilden sich Machtkreise, die männerdomi-niert sind.“ Die Forschung zeige, dass Frauen allenfalls zu solchen Machtkreisen Zutritt erlangen, wenn ein mächtiges männliches Mitglied sie explizit fördert. Transparenz und Bewusstseinsbildung seien hier entscheidend, um gegen Nepotismus und Diskrimi-nierung anzukämpfen. Wichtig sei es außerdem, zu verstehen, dass Networking auf einem Geben und Nehmen beruht. „Ein Netzwerk ist keine Einbahnstraße. Man erhält auf Dauer nur dann etwas, wenn man auch etwas gibt – Rat, Unterstützung oder Kontakte“, so Franke.
„Man sollte so früh wie möglich mit dem Networken beginnen – nicht erst bei der Jobsuche.“
Ein Kardinalfehler sei es, erst ein Netzwerk aufzubauen, wenn man etwas von Leuten braucht, vielmehr solle man ein latentes Netzwerk parat haben. „Mein Ratschlag ist deshalb, so früh wie möglich mit dem Networken zu beginnen – nicht erst bei der Jobsuche“, ergänzt Schlegelmilch, und Franke betont die Wichtigkeit, dass das Netzwerk heterogen ist: „Es sollte neben den wenigen engen und tiefen Kontakten auch lockere Beziehungen enthalten: Menschen mit verschiedenen beruflichen Hintergründen, Fähigkeiten und Kontakten.“ Neben Geistesverwandten seien darin auch Personen wichtig, die eine andere Weltsicht mitbringen und einen herausfordern. Nicht allen Menschen fällt das Networking leicht. „Es gibt verschiedene Persönlichkeiten und verschiedene Prädestinierungen, um Kontakte aufzubauen“, sagt Wolfgang Mayrhofer, Professor am Interdisziplinären Institut für verhaltenswissenschaftlich orientiertes Management der WU.
Die Persönlichkeitsforschung zeige, dass Extraversion und Offenheit für Neues Persönlichkeitsmerkmale sind, die kaum erlernbar sind. „Aus einem introvertierten Menschen kann man keinen großen Netzwerker machen“, so Mayrhofer. „Denn für diese Person wird das Netzwerken immer harte Arbeit sein, während es einem extrovertierten Menschen leichter fällt. Erlernen kann man aber Strategien, etwa wenn man sich im Vorhinein überlegt, wie man ein Gespräch anfangen könnte.“ Die Frage, woran der andere gerade arbeitet, sei ein klassischer Weg, eine Konversation zu starten.
Beziehung statt Networking
Grundsätzlich dürfe man das Netzwerken aber nicht überbewerten: „Ich bin tendenziell ein Networkingskeptiker. Viel wichtiger als das Networken ist es, Beziehungen aufzubauen“, so Mayrhofer. Auch Studien würden zeigen, dass Networking nicht so wirkungsvoll ist, wie viele annehmen. Denn während Networking oft viele oberflächliche Beziehungen, die sich bei Bedarf aktivieren lassen, zu haben bedeutet, bauen Bezie-hungen auf einem ausgewogenen langfristigen Geben und Nehmen auf. „Wenn jemand an einem Abend 30 Visitenkarten verteilt, ist das zwar nett, aber wenn es dabei bleibt, dann ist das nicht wirkungsvoll“, so Mayrhofer. „Leider bleiben viele in der Phase des Networkens stecken und versäumen es, Beziehungen aufzubauen“, sagt Mayrhofer. Und er stellt klar: „Wenn man annimmt, dass das Networken allein der Schlüssel zu irgendwas ist, dann liegt man falsch.“
Networking-Tipp:
Career Calling, die größte Karrieremesse Österreichs, die vom WU ZBP Career Center veranstaltet wird, findet wieder am 23. Oktober 2019 statt – dort können Studierende und AbsolventInnen unter anderem beim „Speed Networking“ teilnehmen und ArbeitgeberInnen kennenlernen. careercalling.atverschiedenen beruflichen Hintergründen, Fähigkeiten und Kontakten.“ Neben Geistesverwandten seien darin auch Personen wichtig, die eine andere Weltsicht mitbringen und einen herausfordern.