„Die BENELUX-Staaten werden den Brexit ökonomisch stärker spüren als Österreich“

Harald Oberhofer ist nicht nur der einflussreichsten Ökonomen auf Twitter, sondern auch Forscher an der WU Wien. In seinem aktuellen Beitrag als Resarcher of the month 12/18 untersuchte der Wirtschaftswissenschaftler, wie sich die Förderungen der EU in einer Region auf Wahlergebnisse niederschlagen. Wir haben den „Mann mit dem Hut“ zum Interview über den Brexit, die österreichische Innovationspolitik und über den Alltag als empirischer Wirtschaftsforscher gebeten.

Name: Harald Oberhofer

Jahrgang: 1983

Geburtsort (aufgewachsen in): St. Johann in Tirol

Als Kind wollte ich werden: Weiß nicht, irgendwas mit Sport

Darum bin ich Wissenschaftler geworden:  Es gibt keinen besseren Arbeitsplatz als die Universität

Das fasziniert mich an meinem Fachbereich:  Die wissenschaftliche Rigorosität mit der man ökonomische Fragestellungen bearbeitet

Mein persönliches berufliches Wunschziel: In Würde zu altern


WU Blog: Was macht man mit einer Professur für empirische Wirtschaftsforschung eigentlich genau?

Oberhofer: Man verwendet ökonomische Theorien und empirische Methoden um (aktuelle) wirtschaftspolitische Fragestellungen und Herausforderungen wissenschaftlich zu untersuchen. Oftmals wird man dann auch noch gebeten auf Basis der Forschungsergebnisse wirtschaftspolitische Handlungsempfehlungen abzugeben.

WU Blog: Können Sie uns von einer aktuellen politischen Entwicklung berichten, mit der sie sich wissenschaftlich auseinandersetzen?

Oberhofer: Im Moment beschäftige ich mich sehr viel mit den möglichen ökonomischen Folgen des Brexit sowohl für das Vereinigte Königreich als auch für die EU und Österreich. Konkret geht es um die Frage, wie stark sich nach dem Brexit die Handelsbeziehungen zwischen dem Vereinigten Königreich und der EU verändern könnten und wie sich das auf den Wohlstand auswirken könnte.

WU Blog: Was denken Sie, wie wird es weitergehen mit dem Brexit? Und welche Konsequenzen wird er für die EU und Ö haben?

Oberhofer: Wie es weitergehen könnte? Da bin ich ehrlich gesagt im Moment etwas ratlos. Die britische Regierung möchte wohl um fast jeden Preis das mit der EU geschlossene Abkommen vom Parlament abgesegnet bekommen und verwendet die Drohung eines ungeregelten Austritts aus der EU als Faustpfand. Besonders für die britische Bevölkerung hoffe ich nicht, dass sich die Regierung mit dieser Strategie „verpokert“ und es einen derartigen Austritt gibt. Für das Vereinigte Königreich könnte ein ungeordneter Austritt ähnlich negative wirtschaftliche Folgen haben wie die letzte große Wirtschaftskrise.

„Für das Vereinigte Königreich könnte ein ungeordneter Austritt ähnlich negative wirtschaftliche Folgen haben wie die letzte große Wirtschaftskrise.“

Für die EU insgesamt und Österreich gehen wir von überschaubaren Wohlstandseinbußen in Folge des Brexit, wie auch immer dieser konkret aussehen wird, aus. Das Vereinigte Königreich exportiert fast die Hälfte aller seiner Exporte in eines der anderen 27 EU-Mitgliedsländer. Umgekehrt exportieren österreichische Unternehmen weniger als 3% ihre Gesamtexporte auf die Insel. Im Gesamtvolumen ist dies mit unseren Exporten nach China vergleichbar. Nach Deutschland exportiert die österreichische Wirtschaft Waren im Gesamtwert des 10-fachen Ausmaßes. Durch diesen relativ geringen österreichischen Exportanteil in das Vereinigte Königreich rechnen wir mit geringen Folgen des Austritts. Anders sieht das aber beispielsweise für Irland sowie die BENELUX-Staaten aus. Diese werden aufgrund ihrer engeren Handelsbeziehungen mit Königreich den Brexit ökonomisch stärker spüren.

WU Blog: Arbeiten Sie auch zu Fragestellungen für die österreichische Wirtschaftspolitik?

Oberhofer: Wenn immer es möglich ist, wollen wir in unseren Untersuchungen natürlich auch einen österreichspezifischen ökonomischen Kontext berücksichtigen. Bei vielen Fragestellungen aus meinem Arbeitsbereich ist das leider jedoch nur sehr eingeschränkt möglich. In Österreich stehen der Wissenschaft auf Grund von rechtlichen und institutionellen Rahmenbedingungen oftmals die notwendigen Daten für die entsprechenden Untersuchungen nicht oder nur unzureichend zur Verfügung. Österreichische Bundesbehörden und die Statistik Austria sammeln zwar sehr viele Daten, können diese aber in vielen Bereichen der Wissenschaft nicht in der notwendigen Form zur Verfügung stellen.

„Ich bin optimistisch, dass der Wissenschaft in Österreich in Zukunft ein besserer Zugang zu forschungsrelevanten Daten ermöglicht wird.“

Wenn ich beispielsweise untersuchen möchte, wie die österreichische Innovationspolitik die Wettbewerbsfähigkeit österreichische Unternehmen verbessert, müsste ich sogenannte Registerdaten aus dem Finanzministerium, dem Infrastrukturministerium und von Statistik Austria verwenden und diese miteinander verknüpfen. Hierzu fehlen bisher allerdings die rechtliche Basis und eine organisatorische Struktur, die auch alle notwendigen und wichtigen datenschutzrechtlichen Voraussetzungen erfüllen würde. In letzter Zeit nehme ich in diesem Bereich jedoch ein politisches Umdenken war und bin optimistisch, dass der Wissenschaft in Österreich in Zukunft ein besserer Zugang zu forschungsrelevanten Daten ermöglicht wird. Damit könnten wir dann auch vermehrt zu für Österreich besonders relevanten wirtschaftspolitischen Fragestellungen wissenschaftlich arbeiten.

WU Blog: Ihr Markenzeichen ist der Hut, daher man eine Frage: Sieht man Sie privat auch manchmal ohne?

Oberhofer: Ja, es gibt einen sehr kleinen und ausgewählten Kreis an Menschen, die dieses Privileg besitzen.