Hall of Femmes: Johanna Hofbauer
„Universitäten sollten sich noch viel mehr ihrer Verantwortung der Gesellschaft gegenüber bewusst sein.“
Bitte geben Sie ein paar biographische Eckdaten bekannt: welche Ausbildung haben Sie absolviert, was sind die wichtigsten Eckdaten ihrer beruflichen Entwicklung und welche Position haben Sie jetzt inne?
Ich habe Betriebswirtschaftslehre an der Universität Innsbruck studiert. Danach war ich als sogenannte „Akademikertrainee“ am Institut für Politikwissenschaften bei Professor Anton Pelinka tätig. Durch diese Jobkonstruktion sollten einerseits Absolventinnen und Absolventen an die Universitätsarbeit herangeführt, andererseits Universitätsinstitute unterstützt werden. Nach dieser wichtigen Erfahrung habe ich ein Postgraduiertenstudium am Institut für Höhere Studien an der Abteilung für Soziologie in Wien absolviert. Danach bin ich an die WU gekommen und habe hier mein Doktoratsstudium abgeschlossen. 2003 habe ich mich habilitiert und seit 2004 bin ich außerordentliche Universitätsprofessorin am Institut für Soziologie und Empirische Sozialforschung an der WU.
Warum haben Sie sich für eine wissenschaftliche Karriere entschieden? Gab es einen Menschen oder ein Erlebnis, der oder das Sie inspiriert hat, eine wissenschaftliche Karriere einzuschlagen?
Ich habe mich weniger für eine wissenschaftliche Karriere, als vielmehr für das wissenschaftliche Arbeiten entschieden. Die Faszination dafür hat vermutlich schon während meiner Tätigkeit am Institut für Politikwissenschaft begonnen, das für BWL-Studierende ein interessantes Umfeld geboten hat. Mit dem Wechsel zum IHS fand dann mein Einstieg in die Wissenschaft statt. Denn dort lernte ich nicht nur berühmte Gastprofessorinnen und -professoren sowie bekannte Personen aus dem Bereich der Arbeits- und Wirtschaftssoziologie kennen, sondern auch eine Art der intellektuellen Auseinandersetzung, die mich seitdem nie wieder losgelassen hat.
Was sind Ihre aktuellen Forschungs- bzw. Arbeitsschwerpunkte?
Einen Forschungsschwerpunkt bildet das Thema „Wissenschaftskarrieren und Geschlecht“. Ich beschäftige mich schon seit vielen Jahren mit der Geschlechterforschung, insbesondere seit meiner Habilitation. Damals war es eine unkonventionelle Entscheidung, an der WU eine geschlechtersoziologische Habilitation einzureichen. Es ist aber konsequent, wenn man über Ungleichheitsthemen nachdenkt. Denn die Geschlechterforschung bietet interessante Möglichkeiten, sich mit dem Phänomen der Ungleichheit und der permanenten Herstellung von Ungleichheit auseinanderzusetzen. Der andere Forschungsschwerpunkt bezieht sich auf den Bereich der Arbeits- und Nachhaltigkeitsforschung. Die Themen, die ich beforsche, sind immer an den Schnittpunkten von Wirtschaft und Gesellschaft angesiedelt und beschäftigen sich mit der Qualität von Arbeit, Zusammenarbeit, Anerkennung und Wertschätzung.
Wenn Sie Ihren beruflichen Werdegang betrachten – was waren Ihre persönlichen Erfolgsfaktoren?
Es war immer ein Zusammenspiel von Bedingungen und Möglichkeiten, die mir geboten wurden und die ich auch ergriffen habe. Mein Beitrag dazu ist wohl in erster Linie die Begeisterung für die wissenschaftliche Tätigkeit, die ich als Forschung und Lehre umfassend begreife. Aber auch die Förderung von jungen Kolleginnen und Kollegen erlebe ich als wichtige Aufgabe und Voraussetzung für eine erfolgreiche Tätigkeit.
Was motiviert Sie besonders in Ihrer Arbeit?
Mich motiviert sehr stark die Qualität des Austausches mit Kolleginnen und Kollegen, ob in Wien, in Österreich oder international. Die Möglichkeit ins Ausland zu gehen – und über die eigenen Grenzen hinweg zu schauen – halte ich für ein Privileg. Über die Forschung und die Lehre motiviert mich auch der Gedanken, einen Beitrag zur gesellschaftlichen Entwicklungen zu leisten, so gering er auch sein mag.
Auf welche Barrieren sind Sie im Verlauf Ihres Berufslebens gestoßen?
Als Barriere würde ich die für mich überraschend großen Vorurteile gegenüber der Geschlechterforschung nennen. So lehnte z.B. ein nominiertes Mitglied meiner Habilitationskommission die Teilnahme an der Kommission ab, weil er das Thema (Anm.: „Geschlecht – Arbeit – Organisation. Zur Sozialen Konstruktion von Zugangsbarrieren“) für problematisch hielt. Damit hätte ich in einem universitären Kontext nie gerechnet. Die Gefahr von Barrieren, insbesondere in Form von Anerkennungsdefiziten, ist aber bekanntlich höher wenn man sich außerhalb des Mainstreams bewegt.
Was tun Sie gerne, wenn Sie nicht arbeiten? Gibt es Zeiten wo Sie nicht arbeiten?
Ich habe Familie, zwei Kinder und bin glücklich, wenn ich mit ihnen sein kann. Ich singe gerne in einem Chor. Neuerdings laufe ich auch.
Was sollten die Universitäten noch tun, um die Gerechtigkeit und Chancengleichheit zu erhöhen?
Jeder Universität muss man raten, sich mit den Mythen von Leistung und Exzellenz auseinanderzusetzen. Universitäten sollten sich auch noch viel mehr ihrer Verantwortung gegenüber der Gesellschaft bewusst sein und sich zentralen Werten wie Gerechtigkeit und Chancengleichheit nicht mit dem Hinweis auf den Leistungswettbewerb entziehen. Chancengleichheit zu fördern, bedeutet letztlich in Machtstrukturen einzugreifen. Und davor scheut man sich. Es ist tatsächlich kein triviales Unterfangen. Dennoch sollten Universitäten sehen, was sie dadurch gewinnen, welche Menschen sie gewinnen und was sie an Qualität gewinnen. Es gibt Vorbilder, Länder und Universitäten, auch in Österreich, an denen wir sehen, dass es möglich ist.
Welche Empfehlungen möchten Sie gerne an junge Wissenschaftlerinnen, die am Beginn ihrer wissenschaftlichen Laufbahn stehen, weitergeben?
Ich empfehle jeder talentierten jungen Frau – und davon gibt es wirklich viele – sich an einer Universität zu bewerben, die Gleichstellung ernst nimmt. Und sich nicht an einer Universität aufzureiben, die das nicht tut.
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Mit dem Projekt „Hall of Femmes“ soll die Sichtbarkeit von Frauen an der WU und mit Bezug zur WU erhöht und andere Frauen gestärkt werden, indem es Vorbilder schafft. In kurzen Interviews schildern die befragten Frauen ihre Karrierewege, berichten über entscheidende Erfolgsfaktoren für ihre berufliche Entwicklung und geben persönliche Karriereempfehlungen. Die ersten Interviews werden in einer mehrwöchigen Reihe im WU-Blog veröffentlicht.