Die Wirtschaft hält den Sport am Laufen
Sport ist zu einem Milliardengeschäft geworden. Das Wohlergehen dieses Wirtschaftszweigs hat Auswirkungen auf zahlreiche Branchen. Österreich mischt dank engagierter SponsorInnen, populärer Events und einer intelligenten Sportförderung in verschiedenen Nischen erfolgreich mit. Dieser Beitrag erschien zuerst im WU Magazin 02/21 als Beilage zur Tageszeitung „Die Presse„.
Durch eine Indiskretion wurden Mitte April die Pläne zur Gründung der sogenannten Super League mit zwölf europäischen Top-Fußballvereinen bekannt. Unter der Führung von Florentino Pérez Rodriguez, Präsident von Real Madrid, sollte ein Bewerb zusätzlich zur Champions League der UEFA entstehen, der den Spitzen-Clubs aus Spanien, Italien und England zu regelmäßigen Millioneneinnahmen verhelfen würde. Zu kostspielig war das System der extrem hohen Ablösesummen für Spieler und deren Gehälter geworden, gepusht durch asiatische, arabische, russische und amerikanische EigentümerInnen, kofinanziert durch milliardenschwere Übertragungsrechte von Fußballspielen im Pay-TV.
„Der Gender Pay Gap zieht sich eklatant durch alle Sportarten.“ (Katharina Mader)
Pérez argumentierte, dass den Vereinen in der Spielsaison 2020/21 ein coronabedingter Verlust von Hunderten Millionen Euro drohen würde. Daher bliebe ihnen gar nichts anderes übrig, als diesen Weg zu gehen. Was bei der Konzeption des neuen Bewerbs nicht bedacht wurde, war der Aufschrei der Fangemeinde in den drei Ländern. Diese wollen keine weitere Liga ohne lokale Verwurzelung. In England kam es sogar zu Straßenprotesten von Fangruppen. Der Druck der Öffentlichkeit wurde so stark, dass ein englischer Club nach dem anderen aus der angedachten Liga wieder ausstieg. Auch in Italien und Spanien überwogen die kritischen Stimmen, sodass die Gründung der Super League vorerst abgesagt wurde.
Ein anderes erfolgreiches Business-Modell ist die gezielte Nachwuchsarbeit von Fußballvereinen, die eigene Ausbildungsstätten betreiben. Die Clubs binden damit vielversprechende junge SpielerInnen bereits in der Jugend an den Verein und bauen diese zu Profis auf. Die Entwicklung von Talenten wird zum Kern eines Geschäftsmodells. Zwei Szenarien, die – so unterschiedlich sie auch sein mögen – verdeutlichen, zu welch bedeutendem internationalen Wirtschaftsfaktor Fußball im Speziellen und Sport im Allgemeinen geworden ist. Er hat Auswirkungen auf Branchen wie Sponsoring, Marketing, Gastronomie, Tourismus oder Sportwetten. Eine Studie von Sports Econ Austria aus 2019 ergab, dass Sport in Österreich 5,75 Prozent an Wertschöpfung beim BIP ausmacht, vergleichbar mit der Bauwirtschaft. Laut Sport Austria generiert die Sportwirtschaft 17,1 Mrd. Euro jährlich.
Ungleiche Bezahlung
Wenn der Sport schon eine so hohe Wertschöpfung hat, wie sieht es dann mit gleichen Arbeitsbedingungen für Männer und Frauen aus? Grundsätzlich gilt: Je weniger ZuschauerInnen es gibt, desto weniger wird bezahlt. Die Verdienstmöglichkeiten für Männer sind allerdings wesentlich besser als für Frauen. „Der Gender Pay Gap zieht sich eklatant durch alle Sportarten“, berichtet Katharina Mader, wissenschaftliche Mitarbeiterin am WU Institut für Heterodoxe Ökonomie, die in ihrer Jugend Voltigieren als Leistungssport betrieben hat.
„Der bestbezahlte Fußballer der englischen Premier League verdient 220 Mal so viel wie die bestbezahlte Fußballerin in der englischen Women’s Super League.“ (Katharina Mader)
Tennis ist eine Ausnahme. Bei Grand-Slam-Turnieren gibt es seit 2007 für Frauen und Männer die gleichen Preisgelder. Deshalb sind Tennisspielerinnen die einzigen, die es mit ihrem Basisgehalt in die Forbes-Liste der hundert bestbezahlten SportlerInnen schaffen. Mader: „Seit 2020 ist neben Serena Williams auch die japanische Tennisspielerin Naomi Osaka unter den 100 bestverdienenden SportlerInnen.“ Außerdem werden im TV wesentlich mehr Wettkämpfe von Männern als von Frauen übertragen. Der Anteil der Berichterstattung von Frauensport liegt bei nur vier Prozent.
In Österreich machen beim Fußball die Einnahmen aus den TV-Übertragungsrechten etwa 10 Prozent des Budgets der Herren-BundesligaClubs aus. In Deutschland oder England ist dieser Anteil mit fast 50 Prozent viel größer, obwohl die Vereine ein viel höheres Budget haben. Der Trend bei Sportübertragungen geht weg von frei empfangbaren Sendern hin zu Bezahl-TV-Sendern.
„In Kitzbühel ist das Rennen ökonomisch optimiert, die VeranstalterInnen wissen, wie die Organisation bestmöglich läuft.“ (Harald Oberhofer)
Werden die Spiele ausschließlich im Pay-TV übertragen, nehmen die vermarktenden Unternehmen einen Reichweitenverlust in der Höhe von 1:10 gern in Kauf, um die Übertragungsrechte wesentlich teurer zu verkaufen. Es besteht die konkrete Gefahr, dass der Sport deshalb an Breitenwirkung verliert.
Image oder Wertschöpfung?
Sportereignisse wie das Hahnenkamm-Skirennen in Kitzbühel oder der Vienna City Marathon werden nach wie vor im öffentlich-rechtlichen Fernsehen gezeigt. Durch die große TV-Reichweite wird der Bekanntheitsgrad von Regionen erhöht und möglicherweise sogar ein modernes Image kreiert. Inwieweit trägt dies aber zur Wertschöpfung bei? „Das Hahnenkammrennen ist international bekannt als Alpinsport-Event auf der schwierigsten Abfahrtsstrecke der Welt, das wirkt sich positiv auf das Image der Region aus und kurbelt möglicherweise die Nachfrage an“, erklärt der passionierte Hobbyläufer Harald Oberhofer, Professor am WU Institut für Internationale Wirtschaft. „In Kitzbühel ist das Rennen ökonomisch optimiert, die VeranstalterInnen wissen Bescheid, wie die Organisation bestmöglich läuft.“
„Der älteren Zielgruppe geht es um Gesundheit und Bewegung, der jüngeren um Körperkult, Ästhetik und Schönheit.“ (Fabian Nindl)
Der Vienna City Marathon zieht alljährlich – außer es grassiert eine Pandemie – Zigtausende Laufsportbegeisterte nach Wien. Bei diesem Laufevent sei die ökonomische Wirkung, laut Oberhofer, nicht ganz klar. Die Frage stellt sich: Wäre die Stadt an diesem Wochenende unter normalen Umständen auch voll, wenn es keinen Marathonlauf gebe? „Vielleicht ja, weil zusätzlich etliche Kulturveranstaltungen in Wien stattfinden. Die Laufveranstaltung hat aber einen wichtigen Aspekt, weil einmal jährlich darauf hingewiesen wird, dass Laufen gesund ist. Sie trägt damit sehr viel zur Bewusstseinsbildung bei“, argumentiert Oberhofer. Die Möglichkeiten des Image-Transfers vom positiv besetzten Sport zum eigenen Unternehmen nutzen auch zahlreiche Marken, die im Umfeld von Großveranstaltungen werben oder EinzelsportlerInnen bzw. Teams sponsern. Die Liste an Beispielen dafür ist unendlich.
„In Kitzbühel ist das Rennen ökonomisch optimiert, die VeranstalterInnen wissen Bescheid, wie die Organisation bestmöglich läuft.“ (Harald Oberhofer)
Sport als Lifestyle
Fabian Nindl, Postdoc am WU Institute for Retailing & Data Science und ehemaliger Leistungssportler im Basketball, beschäftigt sich wissenschaftlich mit dem Thema Sport als Lifestyle-Instrument. „Der älteren Zielgruppe geht es um Gesundheit und Bewegung, während vom jüngeren Zielpublikum Körperkult, Ästhetik und Schönheit als Beweggründe, Sport zu treiben, genannt werden“, erklärt Nindl und zitiert Untersuchungen des Fachhandels über die Bedeutung von Sport im Alltag. Auch Unternehmen wissen über die Wichtigkeit Bescheid und nutzen daher sportliche Attribute für ihr Marketing. Wenn man die berühmten „4 Ps“ betrachtet, also Product, Price, Place und Promotion, dann fallen 80 Prozent in den Bereich Promotion. „Manchmal werden die 4 Ps noch durch ein fünftes, nämlich ‚Purpose‘ ergänzt“, berichtet Nindl. „Damit ist gemeint, dass Sport sinnstiftend, dynamisch und kompetitiv ist, Teamwork fördert, man an seine Grenzen gehen kann, Energie und Power verkörpert und den Fairnessgedanken durch Fair Play unterstützt.“
Erfolgreich managen
Neben zielführendem Marketing zählt es auch in der Sportbranche zu den Managementaufgaben, mitunter heikle Entscheidungen zu treffen, die auch finanzielle Konsequenzen nach sich ziehen. Das gilt nicht nur für GeschäftsführerInnen, VorständInnen oder AufsichtsrätInnen, sondern auch für FunktionärInnen von Sportvereinen oder -verbänden. Wolfgang Mayrhofer, Professor am interdisziplinären WU Institut für verhaltenswissenschaftlich orientiertes Management, war 1980 Silbermedaillen-Gewinner im Segeln bei den Olympischen Spielen in Moskau und von 2012 bis 2017 Vizepräsident des Österreichischen Segelverbandes.
In dieser Funktion stellte er fest, dass sich der Einstig von SpitzensportlerInnen ins Berufsleben oft schwierig gestaltet, wenn sie nach ihrem Karriereende keinen ambitionierten Bildungsweg vorweisen können. „Man kann nicht verlangen, dass diese Personen die gleiche Ausbildung, die gleiche Anzahl von Praktika wie jene haben, die nicht täglich stundenlang trainierten“, meint Mayerhofer. „Hier gab es in Österreich mit Initiativen wie KADA (Institution für duale Karriere und berufliche Integration im Spitzensport, Anm.) große Fortschritte.“ Mayrhofer ist davon überzeugt, dass SpitzensportlerInnen bei guter Ausbildung leicht einen Job finden: „Wenn bei zwei vergleichbaren BewerberInnen eine/r neben der Ausbildung eine Spitzensportkarriere hingelegt hat, dann ist das Humankapital theoretisch vollkommen unvergleichbar.“
„Österreich ist im Vergleich zu Australien, Neuseeland oder Kanada kein Sportland. Das ist aber nicht die Schuld der Politik.“ (Wolfgang Mayrhofer)
Dass KADA vom Sportministerium (BMKÖS) und vom AMS finanziell unterstützt wird, unterstreicht die Tatsache, dass in Österreich bei fast allen Sportarten (bis auf Ski, Tennis oder Fußball) ohne den Staat kaum etwas geht. Zahlreiche SportlerInnen werden von staatlichen Einrichtungen wie Bundesheer, Polizei oder Zoll finanziell unterstützt (erkennbar an dem jeweiligen Logo auf der Kleidung). Die Sportförderung beträgt jährlich rund 100 Millionen Euro. Mit dem Sportfördergesetz aus dem Jahr 2013 wurden Rahmenbedingungen geschaffen, damit der Sport sich entfalten kann. „Trotzdem ist Österreich im Vergleich zu Australien, Neuseeland oder Kanada kein Sportland, das ist aber nicht nur die Schuld der Politik“, erklärt Mayrhofer. Es sei eine Frage des kollektiven Bewusstseins, welchen Stellenwert der Sport in der Bevölkerung einnehme.
Sportlicher Workshop
In der postgradualen Weiterbildung ist Sport ebenfalls ein Thema. Das beweist auch der neue Workshop „Game-Set-Grow“ an der WU Executive Academy. Darin werden Tennis-Trainingseinheiten international erfolgreicher Trainer mit interaktiven Einheiten von Management-ExpertInnen der WU kombiniert. „Das Ziel ist, Fähigkeiten und Einstellungen zu entwickeln und zu verbessern, die nicht nur beim Sport, sondern auch im Beruf hilfreich sind“, erklärt die WorkshopLeiterin Bettina Fuhrmann, Professorin am WU Institut für Wirtschaftspädagogik.
Die Idee dazu kam ihr, weil sie selbst Tennis mit den Workshop-Coaches Roland Berger und Werner Eschauer trainiert, die auch LeistungssportlerInnen betreuen. Der Workshop ist flexibel gestaltbar, drei Tage sind ideal, da der Impact größer ist, wenn genug Zeit zur Verfügung steht. „Vorab reflektieren die TeilnehmerInnen ihre Situation und erarbeiten ihre Ziele“, sagt Fuhrmann. „Nach einer Trainingseinheit am Tennisplatz wird anhand der Eingangsziele überprüft, ob sich die Workshop-TeilnehmerInnen in die entsprechende Richtung bewegt haben.“ So werden neue Stärken entdeckt, an denen man sich in der Folge orientieren kann.
Leadership und Sport
„Sport ist eine ganz wunderbare Disziplin, um sich Inspiration für den eignen Führungsalltag abzuschauen“, ist die frühere Basketballspielerin Barbara Stöttinger, Associate Professorin am WU Institut für International Marketing Management und Dean der WU Executive Academy, überzeugt. Zahlreiche Herausforderungen für Führungskräfte ließen sich sehr gut mit aktiver sportlicher Betätigung vergleichen. Dazu zählen laut Stöttinger folgende Fragestellungen: „Wie kann ich mich und mein Team jeden Tag aufs Neue zu Höchstleistungen motivieren? Oder wie gehe ich mit Rückschlägen und Fehlentscheidungen um? Wie schnell gelingt es mir, diese wegzustecken und wieder mit frischem Elan weiterzumachen? Wie schaffe ich es, genau dann, wenn es darauf ankommt, hundertprozentig fokussiert zu sein, um im richtigen Moment mein gesamtes Können abzurufen?“ In all diesen und noch vielen anderen Situationen sei Sport sehr lehrreich.