„In puncto Digitalisierung hat die WU lange vor der aktuellen Situation eine Vorreiterrolle eingenommen.“

Die Coronakrise hat die Welt auf den Kopf gestellt – vor den Auswirkungen des Lockdowns und der damit verbundenen Schließung der Universitäten und der Umstellung auf Distanzlehre waren auch die Studierenden der WU nicht gefeit. Doch dank der im Vergleich bereits weit fortgeschrittenen Digitalisierung an der WU hatten sowohl Lehrende als auch Studierende einen großen Vorteil: Sie konnten über die etablierte, WU-eigene Lernplattform LEARN vom ersten Tag auf Lehrinhalte zugreifen, Materialien austauschen und sogar Prüfungen absolvieren. Das System wurde in den vergangenen Wochen weiter ausgebaut, um den gestiegenen Anforderungen und Zugriffen gerecht zu werden. Wir haben mit der Vizerektorin für Lehre, Margarethe Rammerstorfer, ein Gespräch über die Distanzlehre an der WU gesprochen und sie gefragt, wie es in Zukunft mit der Lehre an der WU weitergeht.

WU Blog: Wie läuft die Distanzlehre an der WU aktuell in der Praxis ab?

Margarethe Rammerstorfer: Alle rund 1.750 Lehrveranstaltungen dieses Semester werden aktuell im Distanzmodus angeboten – das gilt bislang auch für die Prüfungen. Dabei wurden – den Erfordernissen der unterschiedlichen Designs entsprechend – unterschiedliche Wege gewählt: Vorträge werden live gestreamt oder aufgezeichnet, Sprechstunden und interaktive Übungen über entsprechende Tools organisiert. Eine besondere Rolle dabei spielt LEARN, die Lernplattform der WU.

WU Blog: Was zeichnet LEARN aus?

Margarethe Rammerstorfer: Auf LEARN haben die Studierenden die Möglichkeit, ihre Lernmaterialien abzurufen und verschiedenste Übungsmöglichkeiten in Anspruch zu nehmen. Die Lernlattform wird von über 23.000 aktiven Studierenden, über 1.200 Lehrenden und auch von Mitarbeiter*innen aus dem Verwaltungspersonal intensiv genutzt.

„Ohne digitale Lehre gäbe es aktuell praktisch überhaupt keine Lehre.“

In der Zeit vor der Umstellung auf Distanzlehre verzeichnete LEARN bis zu 12.000 Logins pro Tag und bis zu über 2.000 gleichzeitige aktive Studierende/Lehrende. Die Nutzungsintensität hat sich seit dem Beginn der Distanzlehre natürlich um ein Vielfaches erhöht: Die Anzahl der Zugriffe pro Sekunde sind teilweise um das Zehnfache gestiegen. Auch das Datenvolumen ist um das Zehnfache im Vergleich zu einem Durchschnittstag im Vergleichszeitraum des Vorjahres angestiegen. Im März 2019 wurden etwa ca 136 GB/Tag an Daten heruntergeladen, an manchen Tagen im März 2020 etwa 1.300 GB/Tag. Und dennoch gibt es bisher keine Einbußen im Bereich der Stabilität des Systems; LEARN ist auch in dieser herausfordernden Situation zu beinahe 100% verfügbar.

WU Blog: Wo liegen die Vorteile der digitalen Lehre?

Margarethe Rammerstorfer: Der größte Vorteil liegt auf der Hand: ohne digitale Lehre gäbe es aktuell praktisch überhaupt keine Lehre. Aber auch über die Krise hinaus birgt die Digitalisierung Chancen: Durch die Zeit- und Ortsunabhängigkeit wird das Lernen flexibler, was auch Studierenden mit Betreuungspflichten oder einem Beruf entgegenkommt. Studierende können in Arbeitsgruppen mit anderen Studierenden weltweit zusammenarbeiten, ohne sich physisch von Ort zu Ort bewegen zu müssen und sammeln bereits Erfahrungen, die in vielen Firmen Alltag sind.

Die WU hat hier lange vor der aktuellen Situation bereits eine Vorreiterrolle eingenommen und möchte diese auch weiterhin ausbauen.  Natürlich sind Online-Kurse nicht neu, aber was wir im letzten Jahrzehnt erkannt haben, ist kein vollständiger Ersatz für das Lernen auf dem Campus. Bildung ist mehr als nur das Wissen, sie ist soziales Lernen, Wachstum, Diskussion, Entwicklung, Freundschaft usw.

WU Blog: Die erste große Prüfungswoche im April ist bereits über die Bühne gegangen, wie sehen hier die Erfahrungen aus?

Margarethe Rammerstorfer: In diesem außergewöhnlichen Semester hat die WU bisher alle Teilleistungen und Prüfungen online abgeführt. Die Empfehlung für die Lehrenden bezüglich der Prüfungen ist – wie auch schon bei der Distanzlehre selbst – verstärkt auf ein asynchrones Format (Remote Take-Home-Exam) zu setzen, um einerseits technische Probleme bedingt durch eine langsame Internetverbindung zu umgehen und andererseits auch internationalen Studierenden in anderen Zeitzonen oder Studierenden mit z.B. Betreuungspflichten entgegen zu kommen.

„Für den Austausch zwischen Studierenden und Lehrenden, der den Kern des Erfolgs einer WU Ausbildung ausmacht, braucht es auch das Miteinander am Campus, das hoffentlich bald wieder möglich ist.“

Gerade schriftliche Prüfungen online synchron abzuhalten, bringt große Herausforderungen mit sich, insbesondere was das Thema Schummelprävention betrifft. Dabei gibt es verschiedene Ansätze: Viel kann bereits durch das Design der Prüfung verhindert werden. So werden zB Prüfungsfragen so gescrambelt, dass jede/r Prüfling eine andere Reihenfolge der Fragen und Antwortitems erhält, oder sogar andere Fragen aus einem gemeinsamen Fragenpool. Daneben setzt die WU aber auch auf eine so genannte „Online-Aufsicht“, die Schummelversuche verhindern soll.

WU Blog: Wie kann man sich diese Prüfungen in der Praxis vorstellen?

Margarethe Rammerstorfer: Neben LEARN wird Microsoft Teams für Videokonferenzen, für kleinere Live-Lehrveranstaltungen und für mündliche Online-Prüfungen genutzt. Für die großen schriftlichen Online-Prüfungen wird ebenfalls Microsoft Teams systematisch eingesetzt. Für jede Prüfung wird ein eigenes Team eingerichtet, welches eine strukturierte Kommunikation zwischen Prüfungsverantwortlichen und den Prüflingen erlaubt. Damit die Studierenden sich an die neue Prüfungssituation gewöhnen konnten, haben wir außerdem im Vorfeld der jeweiligen Prüfungen Testdurchläufe mit den Bedingungen der Online-Prüfungen durchgeführt.

WU Blog: Bevor aber im Juni die nächste Prüfungswoche ansteht, haben die Studierenden ja noch etwas Zeit zum Lernen. Wie steht es um die Bestände der WU Bibliothek – können die Studierenden aktuell auf Bücher, Zeitschriften, etc. zugreifen?

Margarethe Rammerstorfer: Der überwiegende Teil der elektronischen Ressourcen (Datenbanken, E-Books, E-Journals) kann von den WU Studierenden online abgerufen werden. Die verfügbaren Ressourcen sind mittels Fernzugriff uneingeschränkt verfügbar. Darüber hinaus bietet die Bibliothek persönliche Online Beratung, um individuelle Fragen zu Literaturverwaltung und -recherche zu beantworten.

„Die meisten Lehrveranstaltungen sind auf ein physisches Miteinander ausgerichtet: Das von einem Tag auf den anderen zu ändern geht nur mit viel Engagement und ein paar wenigen Kompromissen.“

WU Blog: Thema Gruppenarbeiten – was können die Studierenden jetzt tun, wenn sie sich nicht persönlich zu Lern- und Arbeitsgruppen zusammenschließen können?

Margarethe Rammerstorfer: Ich rate den Studierenden, sich in Videokonferenzen und Chatrooms wie MS Teams miteinander zu vernetzen. Sie haben die Möglichkeit, gleichzeitig Dokumente zu bearbeiten und somit in Echtzeit miteinander zu lernen bzw. an Projekten zu arbeiten.

WU Blog: Und was ist mit Gruppenpräsentationen?

Margarethe Rammerstorfer: Die an der WU eingesetzten Tools für die Online-Lehre sehen auch einen Online-Präsentationsmodus vor. Je nach Lehrveranstaltung werden Präsentationen online durchgeführt bzw. durch alternative Teilleistungen ersetzt. In einigen Lehrveranstaltungen werden auch „Screencasts“ eingesetzt, dh von den Studierenden gefilmte Präsentationen oder zusammengeschnittene Filme.

WU Blog: Wo liegen Ihrer Meinung nach bei der Distanzlehre die größten Herausforderungen?

Margarethe Rammerstorfer: Die meisten Lehrveranstaltungen waren und sind von ihrem Design her auf ein physisches Miteinander ausgerichtet: Das von einem Tag auf den anderen zu ändern geht nur mit viel Engagement und ein paar wenigen Kompromissen. Würde eine Lehrveranstaltung von vornherein als Distanzveranstaltung geplant, würde die Konzeption gänzlich anders aussehen. Hinzu kommen natürlich zahlreiche logistische, technische und auch rechtliche Herausforderungen.

WU Blog: Wie reagieren die Vortragenden an der WU auf die Umstellung auf Distanzlehre?

Margarethe Rammerstorfer: Für die Lehrenden wurde gleich zu Beginn ein umfangreicher Informations- und Materialienpool zum Thema Distanzlehre und Distanzprüfungen aufgebaut. Zudem hat die WU bereits vor Monaten ihre Online Teaching & Learning Academy lanciert, die zu allen Aspekten des Lehrprozesses hilfreiche Anregungen bietet. Regelmäßige Newsletter stellen auch Good Practices vor, wie einzelne Lehrende ihre Designs kreativ umgestellt haben und welche Tipps sie anderen Lehrenden geben würden. Ein eigenes Distanzlehresupport-Team beantwortet laufend Anfragen von Lehrenden und Studierenden (und das waren bislang schon einige Tausend) und entwickelt die Materialien ständig weiter. Hinzu kommt natürlich ein umfangreicher technischer Support.

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