Wie man mit Tesla und Muhammad Ali Wirtschaft erklärt.

Ehrungen seitens der Studierenden sind für Lehrende immer eine ganz besondere Auszeichnung, weil sie direkt zeigen, wie die Lehrveranstaltungen ankommen. Die seit Jahren erfolgreiche Bachelor-Erstveranstaltung „Einführung in die BWL“ (EBWL) der WU (konzipiert durch Gerhard Speckbacher) wurde konzeptionell an der FU Berlin übernommen und hat dort einen Lehrpreis gewonnen. Wir haben den Urheber der Vorlesung zum Interview gebeten.

WU Blog: Welches Konzept steht hinter der Lehrveranstaltung?

Gerhard Speckbacher: Die üblichen Bücher und Lehrveranstaltungen zur Einführung in die BWL beginnen meistens mit einer Einordnung der BWL als Wissenschaft, dann werden wichtige Fachbegriffe eingeführt und sauber abgegrenzt und es werden betriebliche Funktionen, Unternehmenszwecke, Institutionen und Instrumente der Unternehmensführung aufgezählt. Bis man dann zu den interessanten Dingen kommt, haben viele Studierende die Lust auf BWL oft schon verloren und fragen sich, ob Wirtschaft tatsächlich die richtige Studienwahl war. Unser Konzept, das wir vor über 10 Jahren nach unzähligen Gesprächen mit Studierenden, Führungskräften und UnternehmerInnen entwickelt haben, verfolgt einen ganz anderen Ansatz.

„Was sind die wesentlichen praktischen Grundfragen der Unternehmensführung und wie hilft betriebswirtschaftliche Theorie dabei, diese zu beantworten“

Wir haben den Versuch unternommen, den normaler Weise nur in Kleingruppen angewendeten Ansatz des Problem Based Learning für große Studierendengruppen in der Einführung BWL umzusetzen. Der Ausgangspunkt unseres Konzeptes ist eine scheinbar einfache Frage: Was sind die wesentlichen praktischen Grundfragen der Unternehmensführung und wie hilft betriebswirtschaftliche Theorie dabei, diese zu beantworten? Jedem Kapitel wird ein Fallbeispiel vorangestellt, das ohne jedes Vorwissen zu verstehen ist und anhand dessen die Studierenden quasi von selbst auf die jeweiligen Grundfragen der BWL kommen. Das ist die wichtigste Grundidee des Problem Based Learning: Studierende werden anhand von Alltagsbeispielen dazu gebracht, dass sie von sich aus mehr über eine Fragestellung wissen wollen, weil sie von sich aus die Frage interessant finden. Wenn die Beispiele passend gewählt sind, dann funktioniert das mit 2.000 Studierenden genauso wie mit 20. Im Anschluss wird dann alles Gelernte noch in Form einer Fallstudie oder eines Planspiels integriert und vertieft.

WU Blog: Die Auszeichnung basiert auf den Bewertungen durch Studierende: Was meinen Sie, was deren Beweggründe sein könnten, dass diese LV so gut ankommt?

Gerhard Speckbacher: Hier muss man bedenken, dass ich die Lehrveranstaltung wegen der Raumkosten im Austria Center immer als Ganztagesveranstaltung halten musste, anfangs mit zwei ganzen Tagen hintereinander. Daher war klar, dass die Lehrveranstaltung neben Inhalten zu Rechnungswesen, Finance, Marketing, Produktionstheorie und theoretischen Konzepten auch auflockernde Elemente, Geschichten und auch ein bisschen Entertainment enthalten muss. Sonst halten Studierende über acht Stunden am Stück nicht durch. Insgesamt ist es ein ausbalancierter Mix aus Faktenwissen, Einführung in wissenschaftliches Denken und praktischer Anwendung von betriebswirtschaftlichen Theorien im Alltag.

„Strategie wird zum Beispiel anhand des berühmten Boxkampfes zwischen George Foreman und Muhammad Ali erklärt, anhand eines kleinen Taxiunternehmens verstehen Studierende, warum der Unterschied zwischen Cash Flow und Gewinn wichtig ist und anhand von Tesla erkennen die Studierenden den Unterschied zwischen dem Buchwert, Zukunftserfolgswert und Marktwert von Unternehmen. „

Jedes Kapitel beginnt mit einem kleinen Fallbeispiel. Strategie wird zum Beispiel anhand des berühmten Boxkampfes zwischen George Foreman und Muhammad Ali erklärt, anhand eines kleinen Taxiunternehmens verstehen Studierende, warum der Unterschied zwischen Cash Flow und Gewinn wichtig ist und anhand von Tesla erkennen die Studierenden den Unterschied zwischen dem Buchwert, Zukunftserfolgswert und Marktwert von Unternehmen. Entscheidungen zur Wertschöpfungskette werden anhand von Red Bull und Staud’s Wien erklärt. Wichtig dabei ist, dass alle Beispiele einen starken Bezug zur Erfahrungswelt der Studierenden haben. Man muss aber auch hinzufügen, dass das Vorlesungskonzept zwar wichtig ist, genauso wichtig sind aber die Lehrenden. Das Konzept hätte in Berlin sicher nicht so tolle Bewertungen der Studierenden bekommen, wenn Herr Kollege Mellewigt, der die Einführung BWL dort anhand unseres Konzeptes gehalten hat, nicht ein begeisternder Lehrender wäre.

WU Blog: Was bedeutet Ihnen persönlich diese (indirekte) Ehrung – hätten Sie damit gerechnet, dass Ihr LV-Konzept so gut ankommt?

Gerhard Speckbacher: Nachdem das Konzept an der WU seit Jahren bei den Studierenden gut ankommt sind schon öfter KollegInnen aus Deutschland oder der Schweiz auf mich zugekommen und ich habe immer gerne alle Ideen aus unserer Einführung in die BWL geteilt. Oft sind es Kleinigkeiten mit großer Wirkung. Schon vor Jahren habe ich z.B. einem Kollegen aus Zürich davon erzählt, dass wir in Wien den Studierenden in der EBWL Großveranstaltung die Möglichkeit geben, während der Vorlesung Fragen über SMS oder WhatsApp zu stellen, die dann sofort beantwortet werden. So kann man auch von der letzten Reihe des Hörsaals aus aktiv dabei sein und die Hemmschwelle ist niedriger, weil man anonym fragen kann.

„Mir ist es sogar lieber wenn es mehr Studierende sind – dann lohnt es sich wenigstens, wenn man viel Zeit in die Vorbereitung gesteckt hat.“

Er hat mir gleich erzählt, dass das auch in Zürich super ankommt und jetzt haben das auch die Studierenden in Berlin als eine Begründung für den Erfolg der Einführung BWL genannt. Neben dem Grundansatz des Problem Based Learning sind es viele kleine Ideen die in Summe den Erfolg ausmachen. Alle diese Ideen zusammen sind darauf ausgerichtet, dem Vorurteil entgegenzuwirken, Großlehrveranstaltungen seien immer schlechter als Kleinveranstaltungen. Natürlich gibt es Dinge, die man nur in Kleinveranstaltung machen kann, zum Beispiel Projektarbeiten. Aber bei vielen Formaten ist meines Erachtens völlig egal, ob es 100 oder über 1.000 Studierende im Hörsaal sind.

Mir ist es sogar lieber wenn es mehr Studierende sind – dann lohnt es sich wenigstens, wenn man viel Zeit in die Vorbereitung gesteckt hat. Wichtig ist nur, dass man sich in die Studierenden hineindenkt und hineinfühlt mit dem was man ihnen beibringen will und nicht an ihnen vorbeiredet. Aus meiner Erfahrung ist es falsch, wenn behauptet wird, Studierende würden heutzutage in Lehrveranstaltungen unablässig auf’s Smartphone starren und könnten sich nicht auf eine Sache konzentrieren. Man kann das Smartphone ja gut einbauen zur Kommunikation, um Informationen zum Lehrstoff zu suchen oder auch für kleine Live-Experimente, die das Gelernte verdeutlichen. Das Smartphone ist geradezu ideal geeignet, um Großlehrveranstaltungen spannend zu machen.