Quo vadis, Donald Trump?
15. Oktober 2025. Knapp ein Jahr nach Beginn von Donald Trumps zweiter Amtszeit diskutierten Expert*innen im Rahmen der Diskussionsreihe WU matters. WU talks. über die wirtschafts- und geopolitischen Folgen der US-Politik. Vor über 250 Teilnehmer*innen beleuchteten Harald Oberhofer, Professor für empirische Wirtschaftsforschung an der WU Wien, Eric Frey, Politologe und leitender Redakteur bei Der Standard, und Velina Tchakarova, Gründerin von FACE und Visiting Fellow bei der Observer Research Foundation, wie sich Trumps unberechenbarer Führungsstil auf Handel, internationale Beziehungen und demokratische Institutionen auswirkt.
„Müde bin ich nicht mehr – aber mittlerweile bin ich erschöpft“
Mit diesen Worten eröffnete Prof. Harald Oberhofer den Abend. Seinen Ausspruch erklärte der Handelsökonom mit der Dauerbelastung, welche Trumps Politik für die internationale Wirtschaft bedeutet. Normalerweise, so Oberhofer, wirken sich geopolitische Ereignisse wie der Brexit oder neue Handelsabkommen in Wellen auf den Welthandel aus. Nach zwei Tagen intensiver Diskussion ebbt die Aufmerksamkeit ab und die Wirtschaft kehrt wieder zum „business as usual“ zurück. Nicht so mit Trumps „Sprunghaftigkeit“, so Oberhofer weiter. Seit einem Dreivierteljahr bewegt sich die Handelspolitik eher wie in einer Waschmaschine.
Diese Unberechenbarkeit stellt Unternehmen vor existenzielle Herausforderungen: „Wie soll ich mich verhalten, wenn die Welt zwei Tage später wieder anders aussieht?“ Trumps länder- und auch güter- oder industriespezifische Zölle, z. B. auf Stahl oder Aluminium verhängt, aber auch auf Möbel und Holz, sind Ausdruck seiner konsequenten „America First“-Strategie. Dass Zölle auf Küchenmöbel eigentlich kaum mit nationaler Sicherheit begründet werden können, unterstreicht für Oberhofer nur, wie wenig Trump Europa ernst nimmt. Ein Fazit: Mit dem 47. Präsidenten der USA bleibt alles ungewiss. Nur sein Führungsstil, der überrascht niemanden mehr.

Quo vadis, Donald Trump? Der Versuch einer Zwischenbilanz.
„Trump betrachte ich wie einen geopolitischen Brandstifter.“
Velina Tchakarova analysierte die geopolitische Dimension der Trump-Ära: „Trump betrachte ich wie einen geopolitischen Brandstifter.“ Das Ziel der US-Vormachtstellung wird härter denn je verfolgt, das zeigt auch die Konfrontation mit China, denn: “Diese hat sich längst zu einem nicht-militärischen, offenen Handelskrieg entwickelt.“
Trump zeigt außen-, sicherheits- und verteidigungspolitisch Stärke, handelt aber zunehmend autokratisch. Er beleidigt EU-Politiker*innen beim Besuch im Oval Office, verweist sie auf die Couch, während er selbst wie ein Oberlehrer hinter dem Schreibtisch thront, erinnert Tchakarova. „Das ist Symbolpolitik: Schluss mit Diplomatie und internationalen Normen, wie wir sie kannten und verstanden haben.“
Ihre Einschätzung fiel deutlich aus: „Wir haben den Tiefpunkt noch nicht erreicht. Die letzten neun Monate waren nur ein Vorgeschmack. […] Leider steckt Europas Politik weiterhin in der Realitätsverweigerung.“ Harald Oberhofer teilt diese Meinung. Für Eskalationsbemühungen in der Handelspolitik sei man bereits vier Monate zu spät.
„Trump wäre gerne Putin…oder zumindest Erdoğan möchte er sein.“
Eric Frey nahm Trumps Innenpolitik in den Blick: „Trump wäre gerne Putin … oder zumindest Erdoğan. […] Der Präsident fühlt sich von Feinden umgeben und möchte gerne Diktator sein.“
Die zentrale Frage lautete: Wie gefährdet ist die US-amerikanische Demokratie?
Mit Blick auf das republikanische „Project 2025“, das eine umfassende Neuordnung von Exekutive und Ministerien vorsieht und auch die Pressefreiheit bedroht, warnte Frey vor autoritären Tendenzen. Dennoch zeigte er sich verhalten optimistisch: „Trump ist das Gegenteil von systematisch, beratungsresistent und unberechenbar.“ Genau das könnte die Demokratie vorerst erhalten. Auch wenn die politischen Turbulenzen weitergehen werden.
Was denkt ihr?
Nach einem Jahr in der zweiten Amtszeit von Donald Trump bleibt die Welt zwischen wirtschaftlicher Unsicherheit, geopolitischen Machtspielen und institutionellen Spannungen in Bewegung. Spürt ihr bereits Auswirkungen im Job, im Privatleben, im sozialen Leben? Oder wird alles nur unnötig dramatisiert?
Die ganze Diskussion zum Nachschauen
Eckdaten:
- Thema: Quo vadis, Donald Trump? Der Versuch einer Zwischenbilanz.
- Vortrags-/Diskussionsreihe: WU matters. WU talks.
- Datum: 15. Oktober 2025, 18:00–19:30 Uhr
- Ort: Wirtschaftsuniversität Wien, Library & Learning Center, Festsaal 1
Impulsvortrag:
- Harald Oberhofer, Professor für empirische Wirtschaftsforschung, Department für Volkswirtschaft, WU Wien; Senior Economist, WIFO
Diskussion:
- Eric Frey, Journalist und Politologe, leitender Redakteur bei DER STANDARD
- Harald Oberhofer, Universitätsprofessor, WU Wien
- Velina Tchakarova, Gründerin von FACE und Visiting Fellow bei der Observer Research Foundation
Moderation:
- Anna Patterson, Marketing-Managerin, WU Wien, und Moderatorin
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