Migrationsdebatte: Fakten statt Mythen
Am 19. November 2025 stand das Thema Migration im Zentrum der Diskussionsreihe „WU matters. WU talks.“. Nach einem Impulsvortrag von Milda Žilinskaitė (WU) beleuchteten Jesús Crespo Cuaresma (WU), Jason Gagnon (Global Migration Data Analysis Centre), Aida Hajro (University of Leeds) und Judith Kohlenberger (WU) die öffentliche Debatte und Hintergründe rund um das Thema Migration.
Öffentliche Debatte vs. empirische Fakten
Vizerektorin Margarethe Rammerstorfer eröffnete die Veranstaltung und verwies auf das neu gegründete Forschungsinstitut für Flucht- und Migrationsforschung und Management (FORM). Milda Žilinskaitė leitete ihren Vortrag mit der Bemerkung ein, dass alle Diskutant*innen am Podium persönliche Migrationserfahrungen mitbringen. Sie betonte die enge Verzahnung von Migration, gesellschaftlicher Entwicklung und ökonomischem Wandel und zitierte Ronald Skeldon: „Migration is development“.
Aida Hajro zeigte anschließend, wie stark stereotype Darstellungen den öffentlichen Diskurs prägen, etwa in KI-generierten Bildern. Judith Kohlenberger warnte: „Es gibt eine wachsende Kluft zwischen empirischen Daten zur Migration und der öffentlichen Debatte.“ Tatsächlich konzentriere sich die Aufmerksamkeit vor allem auf irreguläre und erzwungene Formen der Mobilität. Hajro verwies dazu auf empirische Fakten: Nur rund 3,7 % der Weltbevölkerung sind internationale Migrant*innen, lediglich 0,5 % Geflüchtete. Und sie erinnerte daran: „Wir Europäer vergessen oft, dass wir vor nicht allzu langer Zeit die wichtigsten Entsenderegionen von Menschen waren, wir haben kolonisiert.“
Warum Menschen migrieren
Ein weit verbreitetes Missverständnis ist, dass vor allem die Ärmsten migrieren. In Wirklichkeit fehlt diesen häufig das nötige Kapital. Jason Gagnon unterstrich dies:
„Die Armen der ärmsten Länder überschreiten fast nie Ländergrenzen.“
Mobilität nehme erst mit wachsendem Wohlstand und bestehenden Netzwerken zu. Hajro hob zudem die Rolle multinationaler Unternehmen hervor, die Arbeitskräftebewegungen auslösen könnten. Auch Umwelt- und Klimaveränderungen spielten eine Rolle. Crespo Cuaresma wies darauf hin, dass die Einschätzung der Auswirkungen von Klimawandel auf Migration komplex sei. In agrarabhängigen Regionen könnten Klimaschocks Wanderungsbewegungen fördern; fehle jedoch das nötige Einkommen, blieben Menschen trotz widriger Bedingungen vor Ort.
Migration und Wirtschaft: Der Wettbewerb um Talente
Während Migration in Teilen der politischen Debatte als Belastung erscheint, zeigt sich global ein intensiver Wettbewerb um Arbeitskräfte. „Länder in Süd- und Südostasien investieren massiv in die Ausbildung digitaler Fachkräfte“, erläuterte Gagnon. Kohlenberger erinnerte daran, dass österreichische Interessensvertretungen lange Zeit zurückhaltend waren, unter anderem aus Sorge vor Lohndumping. Diese Perspektive wandle sich jedoch zunehmend. Ihr Fazit:
„Der Wettbewerb um globale Talente ist in vollem Gange.“
Ergänzend hob Crespo Cuaresma hervor, dass Mobilität auch Innovationen begünstigt.
Ausblick: Politische Handlungsoptionen
Kohlenberger betonte die Relevanz legaler Migrationswege sowie eines erleichterten Zugangs zur Staatsbürgerschaft. Crespo Cuaresma verwies darauf, dass es keine universelle Strategie gebe, allerdings zahlreiche „low-hanging fruits“, etwa gezielte Bildungsinvestitionen für Migrantinnen. Abschließend unterstrich er die Bedeutung wissenschaftlicher Kommunikation:
„Es liegt in der Verantwortung von uns Wissenschaftlerinnen, Fakten detailliert, differenziert und verständlich für politische Debatten bereitzustellen.“
Die ganze Diskussion zum Nachschauen:
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