Politische Kommunikation: Die Macht der Sprache
Im politischen Alltag herrscht oft ein rauher Umgangston, die Welt wird schlechter gesehen als sie tatsächlich ist. Dabei steigt die Akzeptanz des Gesagten, wenn Tatsachen rational erklärt werden. Dieser Beitrag erschien zuerst im „WU Magazin“ als Beilage zur Tageszeitung „Die Presse“.
Wenn man sagt, die politische Kommunikation hat sich verändert, geht die Debatte in die falsche Richtung“, sagt Johannes Steyrer, Ao. Professor am WU Institut für verhaltenswissenschaftlich orientiertes Management. Menschen würden sich für rational halten, seien das aber nicht. „Für die Kommunikation bedeutet das: Die Menschen wollen nicht wissen, was die Fakten sagen, sondern sie wollen Recht haben und ihre Sicht von der Welt bestätigt bekommen“, sagt Steyrer.
Und nennt als Beispiel eine in den USA durchgeführte Untersuchung: Dabei hätten sowohl Leugner/inn/en des Klimawandels als auch Klimaschützer/inn/en rationale Argumente für und gegen ihre Haltung zu lesen bekommen. Steyrer: „Es hat sich gezeigt, dass nur das aufgenommen wurde, was ihre bisherige Meinung bestätigt hat. Es ist also nicht verwunderlich, wenn Politik und Parteien lernen, ihren Zielgruppen das zu ‚servieren‘, was diese hören wollen“, so Steyrer. Darüber hinaus würden Politiker/inn/en, so Nadine Thielemann, Professorin am Department für Fremdsprachliche Wirtschaftskommunikation der WU, immer stärker in dem Bewusstsein agieren, ständig von Medien und Wähler/inn/en beobachtet und bewertet zu werden.
Soziale Medien als Verstärker
Die sozialen Medien hätten die Entwicklung in Richtung zielgruppenorientierter politischer Kommunikation massiv beschleunigt. „Diese dienen nicht nur als Kommunikationskanal, sondern besitzen auch einen psychologischen Verstärkungseffekt“, sagt Thielemann, denn sie seien filterlos. „Wenn jemand früher seine Meinung am Stammtisch kundgetan hat, haben das nur ein paar Leute gehört. Wenn sie in den sozialen Medien gepostet wird, wird sie möglicherweise von hunderten oder tausenden Menschen gelesen.“, meint Steyrer. Dadurch würden Sichtweisen verstärkt, die früher sozial reguliert wurden. Die Folge dieser Entwicklung sei eine starke Polarisierung. „Es gibt nur noch schwarz oder weiß, gut oder schlecht“, argumentieren Thielemann und Steyrer, der diese Entwicklung als „schlecht“ für die Demokratiepolitik bezeichnet.
Diskurse würden zunehmend härter, Auseinandersetzungen konflikthafter geführt, und die Konsensfindung wäre somit immer schwieriger. Die seit Jahren immer wieder zitierte Message Control, mit der klar geregelt ist, welche Politikerin, welcher Politiker sich wann zu welchem Thema äußert, ist für Thielemann ein Zeichen der Vereinheitlichung der politischen Kommunikation. „Gleichzeitig entspricht sie der Sehnsucht nach Klarheit und Einfachheit und entzieht die Themen der Diskussion, was Sicherheit gibt“, sagt die studierte Slawistin und Politikwissenschafterin, die aktuell mit Kolleg/inn/en aus Polen, Deutschland und Schweden zur politischen Kommunikation im Zuge der COVID-19-Pandemie in Europa forscht.
Aufgefallen sei ihr, dass es, anders als in anderen Ländern, in Österreich kaum eine Corona-Diskussion gegeben habe. „Kritik an der Regierungslinie war nicht erwünscht“, so Thielemann. Weichen Politiker/inn/en ihre Position auf, sehen sie ihre Popularität in Gefahr. Das liege daran, dass Menschen täglich eine Vielzahl an Informationen empfangen, die ihre Aufmerksamkeit erregen sollen, weiß Steyrer. Das zeige sich etwa daran, dass absolute Falschmeldungen um ein tausendfaches mehr getwittert würden als richtige Meldungen. „Wir fokussieren auf das Negative, sehen die Welt schlechter als sie ist “, erklärt der Soziologe und Betriebswirt. „Wir müssen uns darauf vorbereiten, dass die Politik immer mehr polarisiert“, sagt Steyrer. Trotz der damit verbundenen Herausforderungen für die Demokratie müsse man sich um diese keine Sorgen machen. „Die Regulierungsmechanismen sind so stark, dass das System der Demokratie unter den gegebenen sozioökonomischen Rahmenbedingungen diese Polarisierung aushält“, ist Steyrer überzeugt.
Akzeptanz durch klare Sprache
Für die Zukunft legt Thielemann der Politik besonders eines ans Herz, ihre Maßnahmen argumentativ zu begründen, denn je klarer die Kommunikation, desto größer die Akzeptanz. „Angela Merkel, die Naturwissenschafterin ist, hat die Dinge rational erklärt. Sie fährt auf Sicht, ist kommentierend und moderierend“, so Thielemann. Dieser Stil zeigt, dass weniger spektakuläre Aussagen in herausfordernden Zeiten auch ihre Wirkung erzielen. Schließlich gilt es, mit nötiger Gelassenheit Maßnahmen zu kommunizieren, die unser aller Wohl betreffen.