Lernen wie ein Spitzensportler: Bernhard Sieber im Interview
Als Sportler hat der leidenschaftliche Ruderer und ehemalige WU-Student Bernhard Sieber schon einige Erfolge verzeichnen können – darunter auch eine Teilnahme an den Olympischen Sommerspielen 2016 in Rio de Janeiro. Doch wenn es um den Lernstress vor den Prüfungswochen geht, steht er vor denselben Herausforderungen wie alle anderen Studierenden. Im Rahmen des Alumni Tuesday des WU Alumni Club sprach der Spitzensportler über Selbstmotivation, Mentaltraining und darüber, ob Prüfungen oder Wettkämpfe anstrengender sind.
Welche Leistungen haben Sie bereits erzielt – und welche davon sind Ihnen persönlich am wichtigsten?
Sieber: Die größten Erfolge waren sicher der U23-WM-Titel 2012 und der 12. Platz bei den Olympischen Spielen 2016 in Rio de Janeiro. Als Student hat für mich aber auch der Sieg bei der Universiade 2013 einen besonderen Stellenwert. Ähnlich wie bei den Olympischen Spielen nehmen bei diesem alle vier Jahre stattfindenden Event mehr als 10.000 Athletinnen und Athleten aus der ganzen Welt teil. Es war ein einmaliges Erlebnis dort dabei gewesen zu sein und wir konnten zeigen, dass Spitzensport und Studium parallel möglich sind.
Sie waren bis 2015 selbst Student an der WU Wien: Welche Erfahrungen kann man aus dem Rudersport fürs Lernen mitnehmen?
Sieber: Der volle Fokus auf die Teilnahme bei den Olympischen Spielen in Rio hat es für mich nach 3 Semestern leider unmöglich gemacht, mein Studium an der WU fortzusetzen. Wegen der zahlreichen Trainingslager und Wettkämpfe im Ausland konnte ich die Anwesenheitspflichten nicht mehr erfüllen und habe mich deswegen für ein MBA-Fernstudium entschieden. Die kurze Zeit an der WU Wien hat mich aber von der Qualität des Ausbildungsangebotes überzeugt und ich bin mir sicher, dass die Zeit noch kommen wird, in der ich das Studium abschließen werde. Lernen ist für mich nichts anderes als Training. Das eine für den Kopf bzw. den Geist, das andere für den Körper.
„Lernen ist für mich nichts anderes als Training“
Es gibt viele Strategien aus dem Training, die ich 1:1 auf das Studium übertragen kann. Zum Beispiel vergleiche ich das erste Durchlesen von Lehrunterlagen mit dem Grundlagentraining im Sport, die individuelle Art zu Lernen mit dem Techniktraining im Rudersport, oder die intensiven Phasen des Auswendiglernens kurz vor Prüfungen mit dem Intervalltraining – bei den beiden letzteren ist der Effekt nicht von langer Dauer, erfüllt aber seinen Zweck und ist unheimlich effizient. Sowohl im Sport als auch beim Lernen geht es darum, den Einsatz so effektiv wie möglich zu gestalten und die Ressourcen optimal einzusetzen. Natürlich ist auch Teamwork ein wesentlicher Faktor im Rudersport. Nur wenn im Team alles perfekt läuft, kann eine Spitzenleistung erbracht werden. Genauso wie beim Lernen in der Gruppe helfen oft die unterschiedlichen Zugänge der einzelnen Teammitglieder, Zusammenhänge zu erkennen und sich gegenseitig zu pushen.
Stichwort Mentaltraining: Welche Methoden aus dem Leistungssport kann man auch als WU-Studierender in stressigen Phasen nutzen?
Sieber: Bei einem Wettkampf oder einer Prüfung geht es vor allem darum, in einer Stresssituation zu zeigen, was man kann. Viele kennen das, wenn zu Hause beim Wiederholen des Lehrstoffes noch alles sitzt, bei der Prüfung aber plötzlich Nervosität und Unsicherheit aufkommt. Im Sport ist es genau dasselbe. Was im Training noch gut funktioniert hat, läuft justament beim Wettkampf nicht mehr so optimal. Als Sportler lernt man aber, mit solchen Situationen umzugehen. Mir hilft z.B. immer die Frage nach dem Warum? Je mehr Sinn man hinter stressige Situationen bringen kann, desto größer ist die intrinsische Motivation.
„Es gibt große Ähnlichkeiten zwischen Prüfungsstress und Wettkampf“
Und natürlich gibt es auch eine Reihe an Tricks und Techniken, die mich in Stresssituationen ruhig bleiben lassen. Eine, die ich neben gewissen Atemtechniken bei jedem Rennen aber auch bei jeder Prüfung einsetze ist, mir vor meinem inneren Auge eine Krone aufzusetzen und Wurzeln zu spüren, die aus meinen Füßen wachsen und mich somit ganz fest mit dem Boden verbinden. Klingt ein bisschen komisch, aber ich lade die LeserInnen herzlich ein, es einmal auszuprobieren und zu sehen, was passiert. Genau diese Parallelität hat mich vor einigen Jahren dazu motiviert, selbst mit der Ausbildung zum Mentalcoach zu beginnen. Ich wollte die Methoden, mit denen wir im Leistungssport arbeiten auch anderen zur Verfügung stellen. Die Uni ist für mich ein wunderbarer Ort, um viele der gelernten Techniken auszuprobieren und mit Erfolg anzuwenden.
Was ist anstrengender: Prüfungswoche oder Olympiade?
Sieber: Ich denke, da gibt es große Ähnlichkeiten was Stress und das Abrufen von Gelerntem am Tag X betrifft. Die Vorbereitungszeit auf eine Prüfungswoche sollte aber im Optimalfall keine vier Jahre dauern und nach der Prüfung selbst warten beim Verlassen des Saales keine Journalisten auf dich 😉
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