Integrationshilfe = Ehrensache!
Es war bereits des Öfteren zu lesen, dass wir seit geraumer Zeit Deutschkurse für Geflüchtete anbieten. Ergänzend dazu halten MitarbeiterInnen des Departments für Fremdsprachliche Wirtschaftskommunikation ehrenamtlich Konversationsgruppen ab. Dabei wird der sprachliche Austausch in kleinen Gruppen intensiv gefördert, um bestmögliche Lernerfolge zu erzielen. Miriam Leibbrand erzählt uns heute über die Intention, den Ablauf und ganz persönliche Erfahrungen aus diesen Gruppen.
Über die Konversationsgruppen und deren Ablauf:
Die Konversationsgruppen fanden von Februar bis Juni zwei Mal wöchentlich statt. Die genauen Zeitpunkte konnten wir uns selbst einteilen. Meine Konversationsgruppen hielt ich gerne am Freitagnachmittag oder am Abend. So konnte ich nach Abhaltung der 90 min einfach wieder zurück ins Büro und weiterarbeiten, zumal ich die Abendstunden am Institut besonders schätze.
Bzgl. Ablauf kann ich lediglich aus meiner Perspektive berichten: Zunächst einmal verschaffte ich mir einen Überblick über die anwesenden TeilnehmerInnen. Dann machte ich mir durch eine kleine Vorstellungsrunde ein erstes Bild ihrer mündlichen Sprachkompetenz. Im Anschluss erhob ich den (tages-)aktuellen Bedarf an zusätzlicher Übung, um die Arbeit im regulären Deutschkurs bestmöglich zu ergänzen. Hierzu erhielt ich im Vorfeld von der Kursleiterin Hinweise zu den aktuellen Inhalten im Deutschkurs. Die Konversationsgruppe bedarf einer gewissen Vorbereitung, auch wenn „Konversation“ recht locker klingen mag. Obwohl der Schwerpunkt auf der mündlichen Produktion lag, nutzte ich die Gelegenheit und schrieb viel von dem, was wir besprachen, am Smartboard mit, was in den meisten Fällen eifrig notiert wurde.
Kurzum: Wir sprachen, wobei ich besonders darauf achtete, dass alle Anwesenden zu Wort kamen, wir schrieben, wir machten Übungen, meist in Form mündlicher Partnerübungen, um die Sprech- und Kommunikationskompetenz im Deutschen zu fördern.
Wieso wollten Sie bei dem Projekt mitmachen? Hatten Sie spezielle Erwartungen?
Ich fand es klasse, dass Johanna Woydack die Initiative ergriffen hat und dabei so tatkräftig von Volunteering@WU unterstützt wird. Als eine Mail an die Department-Liste mit der Frage kam, wer sich vorstellen könne, eine Stunde zu übernehmen, habe ich, genauso wie 10 weitere KollegInnen, keinen Augenblick gezögert, sondern war im Gegenteil dankbar, dass ich solch eine Gelegenheit erhielt, im Rahmen der großen gesellschaftlichen Herausforderung, die sich uns allen stellt, meinen eigenen kleinen Beitrag zu leisten. Und das eben in einer Weise, die – im Vergleich zu anderen Möglichkeiten, sich in der Flüchtlingshilfe zu engagieren (zum damaligen Zeitpunkt etwa am Westbahnhof oder in Traiskirchen) – recht kompatibel mit meinem Alltag ist, den ich ja hier an der WU im D2 verbringe. Es lag und liegt auch weiterhin sehr nahe – räumlich und ein Stück weit auch fachlich – mich in der Förderung der Deutschkenntnisse der Menschen, die zu uns kommen, zu engagieren.
Ich war sehr angetan, als ich vor meiner ersten Gruppe stand, weil dort lauter hochmotivierte, junge Männer und Frauen saßen, die wirklich etwas lernen wollten und schon einiges erlebt hatten, bevor sie vor mir im Hörsaal der WU angekommen sind.
Gab es prägende Erlebnisse?
Ich nehme, so wie optimaler Weise immer in der Lehre, mit, dass auch ich als Lehrperson etwas von meinen TeilnehmerInnen lerne. Eine solche Erfahrung im Rahmen der Konversationsgruppe war, dass ich auf einmal nach Online-Wörterbüchern zum Arabischen und zum Farsi suchte! Man muss sich das so vorstellen, dass wir auch mal zum Englischen als Lingua franca switchen, wenn die Deutschkenntnisse noch nicht groß genug sind. Manche TeilnehmerInnen können außerordentlich gut Englisch, andere weniger, so dass es sich ergab, dass ich mit zwei geöffneten Fenstern im Internetexplorer, eines mit einem Arabisch-Deutsch-Wörterbuch, ein anderes mit Farsi-Deutsch, schneller zum gewünschten Ergebnis, ergo zum Erlangen von Verständigung kam, als wenn ich Englisch verwendete, das von den Anwesenden dann erst wieder in ihre jeweilige Muttersprache übersetzt werden muss, um dann das deutsche Äquivalent zu verstehen.
Bei dieser Vorgehensweise bin ich übrigens für die tolle Ausstattung unserer Hörsäle an der WU sehr dankbar. Ich nehme also eine ungeheure sprachliche und kulturelle Vielfalt mit, denn die TeilnehmerInnen, die ich bisher kennenglernt habe, kommen aus Afghanistan, aus dem Irak, aus Syrien und aus Pakistan.
Beeindruckt hat mich auch, dass viele der TeilnehmerInnen einen akademischen Hintergrund haben, dass u. a. Ingenieure, ein Anwalt und ein angehender Architekt in meinen Gruppen sitzen. Ich bin davon überzeugt, wenn ich mir diese politische Bemerkung an dieser Stelle erlauben darf, dass die Integration dieser jungen, arbeitswilligen Leute umso rascher gelingt, je schneller sie unsere Sprache lernen und in den Arbeitsmarkt integriert werden. Wir sprachen eben auch von dem Status, den unsere TeilnehmerInnen hier derzeit haben, und da kam sehr deutlich zum Vorschein, wie gern sie arbeiten würden, um ihre frisch erworbenen Sprachkenntnisse eben auch anzuwenden. Ein Pakistani erzählte, er habe in seiner Flüchtlingsunterkunft fast nur mit Menschen Kontakt, mit denen er eine der Sprachen spreche, die er sowieso schon beherrsche und eben nicht Deutsch.
Falls ich gefragt werde, ob ich nochmals an solch einem Projekt teilnehmen wolle: auf jeden Fall! Denn erstens ist die Initiative m.E. wirklich sinnvoll. Zweitens bereichert mich die Teilnahme an dem Projekt auch auf der persönlichen Ebene, wenn ich, so herausfordernd inter- und transkulturelle Kommunikation und die Konfrontation mit persönlichen Schicksalen in der Praxis auch sein kann, mit frischem Schwung an meinen Schreibtisch im D2 zurückkehre. Einem Schwung, den ich 90 min an gänzlich neuen Erfahrungen mit mir fremden Sprachen und Kulturen und wissbegierigen jungen Menschen verdanke.
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