CO2 unter die Erde: Nachhaltigkeit oder Stillstand?

Am 23. April drehte sich bei WU matters. WU talks. alles um das Thema Dekarbonisierung. Wie kann dies in Österreich gelingen, welche Optionen gibt es und wie viel Zeit bleibt uns als Gesellschaft noch, um die Dekarbonisierung umzusetzen? Den Event mit hochkarätigem Panel – bestehend aus Bianca Secklehner (Dekarbonisierungsexpertin, RHI Magnesita, Lektorin, Hochschule Burgenland), Sigrid Stagl (WU Professorin für Sozioökonomie, Wissenschaftlerin des Jahres 2024, Mitglied des Wissenschaftsbeirates der Carbon Management Strategie) und Moritz Tiefenthaler (Referent für Carbon Capture and Storage, Bundesministerium für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie) und Gerhard Speckbacher (WU Professor am Institut für Unternehmensführung / Department Strategy and Innovation, Leiter WU Center of Excellence) organisierte das WU Student Center of Excellence.

Auch wenn es die wenigsten Menschen realisieren: Wir sind ständig umgeben von Materialien und Stoffen, deren Produktions- oder Verarbeitungsprozesse zumindest in Teilen umweltschädlich sind. Diese Materialien werden in den sogenannten „Hard to abate“-Industrien verwendet, hergestellt oder weiterverarbeitet – und diese „schwer zu reduzierenden“ Emissionen machen rund 30% der Treibhausemissionen aus.

Bianca Secklehner von RHI Magnesita erläutert mit praktischen Beispielen: „Zwar hat man im normalen Leben nicht unbedingt mit Feuerfestprodukten zu tun, aber sie umgeben uns überall: in den Mauern der Gebäude, in den isolierten Leitungen und Rohren und vielem mehr. Magnesit steckt in Ziegeln, aber auch in Stahlprodukten. Wir stellen einen Großteil unserer Rohstoffe selbst her, bauen diese ab und verarbeiten sie weiter. Recycling ist zwar ein wesentlicher Teil unserer Wertschöpfungskette, und Forschung und Maßnahmen zur Dekarbonisierung laufen – dennoch fallen umweltschädliche CO2 Emissionen an.“

Verbieten oder Innovation fördern?

Um den Auswirkungen der Klimakrise wirkungsvolle Maßnahmen entgegegenzusetzen, gibt es seit 2024 eine österreichische Carbon Management Strategie; das Bundesministerium für Klimaschutz, Umwelt, Mobilität, Innovation und Technologie hat dazu unter anderem einen Wissenschaftsbeirat begründet, dem auch WU Professorin Sigrid Stagl angehört. Im Fokus der Strategie steht es, Handlungsoptionen und notwendige Reformschritte hin zu einem kosteneffektiven Carbon Management für schwer bzw. nicht vermeidbare Restemissionen in Österreich zu schaffen. Erreicht werden soll die Klimaneutralität Österreichs bis 2040.

Stagl hält fest: „In gewissem Ausmaß werden zusätzliche Maßnahmen für die Anwendung in der Industrie, insbesondere bei „hard-to-abate“ Emissionen (z.B. Zement, Müllverbrennung) nötig sein, wie zum einen die CO2-Abscheidung und -Speicherung (Carbon capture and storage – CCS und Carbon capture und utilization – CCU) sowie die CO2-Entnahme aus der Atmosphäre (Carbon Dioxide Removal – CDR).“

Die Interessen der Industrie, der Politik und der übrigen Stakeholder zu berücksichtigen, aber gleichzeitig auch Ideen für die Zukunft zuzulassen: das ist laut Stagl die Kunst. „Innovation ist enorm wichtig, und wir müssen die Zukunfzt im Blick haben. Es ist wesentlich, Innovationen zu fördern, und gleichzeitig trotzdem nicht das Signal an die Industrie zu geben, dass es da bald Lösungen geben wird, ohne großartig etwas verändern zu müssen.“

Secklehner weist darauf hin, dass es mitunter Jahre dauern kann, Innovationen im Industriealltag zu implementieren: „Gerade weil die Umstellung dieser Technologien lange dauert, muss man schon früh beginnen zu schauen, was man tun kann, denn irgendwann wird es verboten bzw. sehr teuer sein, CO2 in die Atmosphäre zu entlassen.“

Innovation fördern, um Emissionen zu senken

Stagl findet klare Worte dafür, dass uns nicht mehr allzu viel Zeit bleibt, um Maßnahmen umzusetzen: „Ein essentieller Bestandteil des kulturellen Aufschwungs der Menschheit war ein stabiles Klima. Wir können (als Menschheit) nur weiter wachsen, wenn wir unsere Emissionen herunterdrücken, aber bis wann haben wir dekarbonisiert, wenn wir in dem Tempo weitermachen wie bisher? Die Ergebnisse sind ernüchternd. Selbst wenn wir alle Maßnahmen der Dekarbonisierung umsetzen, schaffen es einige Länder erst bis 2050, andere noch viel später, bis ins Jahr 2200!“

Dass die Dekarbonisierung nur mit Einbeziehung aller Stakeholder und nicht über rigorose Verbote seitens der Politik gelingen kann, darüber sind sich die WU matters. WU talks. Expert*innen einig. Moritz Tiefenthaler vom BMK gibt Ausblicke: „CCS ist die teuerste Option, um Emissionen zu vermeiden. Das BMK hat ein starkes Programm aufgestellt, um CCU Methoden zu entwickeln. Die Bergbausektion im Finanzministerium ermittelt aktuell und es wird erwartet, dass bis Ende des Jahres die geologische CO2 Speicherung in Österreich erlaubt sein wird.“

Die ganze Diskussion zum Nach-Schauen:

Du willst auch bei aktuellen Themen mitreden?

In den regelmäßig stattfindenden „WU matters. WU talks.“ Podiumsgesprächen, Diskussionsveranstaltungen und Vorträgen bringen Wissenschaftler*innen und Expert*innen aus der unternehmerischen und institutionellen Praxis ihre Expertise ein und diskutieren gemeinsam mit der interessierten Öffentlichkeit aktuelle Themen. Melde dich hier für den Newsletter an, um keine aktuellen Themen mehr zu verpassen!