WU Counselling hilft: Die Rolle von Angst in unserem digitalen Leben
Prüfungsangst, Zukunftssorgen oder Doomscrolling: Jeder Mensch kennt das beklemmende Gefühl der Angst, und wie sie unsere Entscheidungen und Emotionen beeinflusst. Doch man ist der Angst nicht hilflos ausgeliefert, sondern kann durch das Verstehen der zugrundeliegenden Mechanismen daraus lernen und auch Mut schöpfen. Im Rahmen des WU Student Counselling Programms gibt’s im Jänner 2023 mit der Neurobiologie- und Kommunikationsexpertin Cornelia Duregger einen spannenden Talk zu diesem Thema und zusätzlich einen vertiefenden Workshop. In diesem Gastbeitrag erzählt sie, was euch dabei erwartet.
Angst, was ist das? Und was hat Angst mit unserem digitalen Leben zu tun? Um diese Fragen beantworten zu können, muss man einen Abstecher in die Neurobiologie machen. Unser Gehirn ist ein wahres Wunderwerk der Verarbeitung. Wir können denken, sprechen und in die Zukunft planen. Ja, manche von uns können sogar technische Hilfsmittel entwickeln, die Kommunikation über weite Distanzen hinweg ermöglichen oder Hochhäuser bauen.
Friend or foe?
Das ist aber nicht alles, was unser Gehirn kann. Es kann auch noch etwas anderes, etwas sehr Entscheidendes, nämlich Emotionen verarbeiten. Emotionale Verarbeitung ist wesentlich, wenn es darum geht Freund von Feind zu unterscheiden und eine Situation richtig einzuschätzen. Unser Körper ist dafür gebaut, Signale möglichst schnell auf Emotionen abzuscannen.
Wenn wir uns nun die Grundmechanismen der Angst ansehen, also wie Angst verarbeitet wird, dann wird ganz schnell klar, dass es sich hier um ein enorm wichtiges Signal handeln muss. So wichtig, dass die Verarbeitung von Angst auslösenden Signalen sehr schnell ist. So schnell, dass eine emotionale Reaktion ausgelöst wird, noch bevor rationale Denkprozesse dazugeschaltet werden können. Je schneller wir reagieren können, umso bessere Chancen haben wir zu überleben. Dieser Schutzmechanismus hat uns Menschen schon in der Savanne vor Angriffen von wilden Tieren geschützt.
Angst ist also eine emotionale Reaktion, die nicht hinderlich, sondern eigentlich sehr sinnvoll ist. Aber brauchen wir sie tatsächlich, und was genau löst Angst in unserem Körper aus? Hier lohnt sich ein kleiner Abstecher in ein anderes Thema, das uns mindestens genauso unangenehm ist, wie die Angst. Nämlich den Schmerz. Diesen beiden ist gemeinsam, dass sie eine ziemlich wichtige Schutzfunktion haben. Und weil sie so wichtig für uns sind, laufen die ausgelösten Prozesse automatisch ab. Das bedeutet, es ist nicht möglich, diese Mechanismen zu kontrollieren.
Im Körper wird durch solche Begegnungen Stress hervorgerufen. Stress bedeutet nichts anderes, als dass alle möglichen Körperfunktionen so gesteuert werden, dass sie ein effizientes Reagieren ermöglichen. Wir sind also möglichst optimal auf eine Kampfsituation vorbereitet. Unsere Verdauung stoppt, unsere Muskeln werden stärker durchblutet. Wir sind bereit, dem Tiger zu begegnen.
Doch was bedeutet das nun in einer Zeit, in der wir kaum mehr von wilden Tieren bedroht werden?
Wir leben nicht mehr nur in Steppen und Savannen. Wir haben Häuser mit Türen und Schließsystemen. Wir haben es sogar geschafft, uns so erfolgreich vor Gefahren zu schützen, dass wir uns ziemlich stark vermehrt haben und uns sehr effizient ausbreiten konnten. Und mit der Digitalisierung war es nicht mehr notwendig, dem Tiger selbst zu begegnen, wir konnten ihn uns nach Hause holen. Wir haben in unserem digitalen Zeitalter die Möglichkeit, uns Aufzeichnungen der Realität anzusehen. Ja es ist mittlerweile schon möglich in dreidimensionale Welten einzutauchen und allen möglichen fiktionalen Realitäten zu begegnen. Die Darstellungen sind immer realistischer und die dahinterstehende Technik wird immer besser. Was bedeutet das aber nun für die Verarbeitung dieser Bilder im Gehirn?
Wie reagieren wir auf den Tiger?
Für die erste Signalverarbeitung ist es nicht wesentlich, ob das eingelangte Bild real ist oder nicht. Unser Körper reagiert mit derselben Stressreaktion auf den Tiger, der sein Maul am Bildschirm bedrohlich vor uns aufreißt, wie auf den Tiger, dem wir im Busch begegnen. Diese erste emotionale Verarbeitung passiert ja vor einer kognitiven Bewertung. Unser Gehirn erkennt erst später erfolgreich, dass der Tiger nicht real ist. Erst nach der Stressreaktion kommt die Entwarnung.
Wir haben aber nicht nur die Möglichkeit uns digitale Inhalte anzusehen, wir sind mittlerweile auch ihre Gestalter: Social Media machen es möglich.
Social Media bieten uns Plattformen, auf denen wir uns bewegen können. Wir können mit einfachen Mitteln, sogar nur mit unseren Smartphones, vieles auf diese Plattformen stellen – Informationen – und Emotionen.
Doch nicht nur das: Wir können auch geliked werden. Diese Likes haben eine ganz besondere Verbindung zu unserem Gehirn. Sie aktivieren das Belohnungszentrum. Und das führt dazu, dass wir immer besser werden in dem, was wir produzieren. Wir haben einen Sensor dafür entwickelt, was beim Publikum ankommt. Und so machen wir nun intuitiv genau das, was die Marketingexpert*innen schon lange vor uns gemacht haben: wir verkaufen Emotionen. Immer mehr.
So häufen sich also sehr stark emotional geladene Inhalte auf diesen Plattformen. Konfrontieren wir uns nun mit diesen hoch emotionalen Inhalten, dann reagiert unser Gehirn genauso, wie bei der Begegnung mit einem Tiger: Wir erleben eine Stressreaktion. Was wir uns fragen sollten ist: wie oft wollen wir diesem Tiger eigentlich begegnen?
Workshop und Online-Talk für Interessierte
Wenn du mehr zu diesem Thema erfahren möchtest, hast du zwei Gelegenheiten dazu: Im Rahmen des Student Counselling Programms gibt’s im Jänner 2023 mit der Neurobiologie- und Kommunikationsexpertin Cornelia Duregger einen Talk und einen vertiefenden Workshop:
Online Talk | Die Rolle von Angst in unserem digitalen Leben
- Jänner 2023 (Dienstag), 16.00 – 17.30 Uhr, via Zoom – Melde dich hier an!
Präsenz Workshop | Ein gesunder Umgang mit Angst in unserem digitalen Leben
- Jänner 2023 (Donnerstag), 17.30 – 20.00 Uhr, D4.0.019 – Melde dich hier an!
Alle Veranstaltung und Gruppenangebote des Student Counselling Programms findest du in unserem Aktivitätenkalender.