Communicating Leadership: „Wird das, was gesagt wird, tatsächlich gelebt?“
Was bedeutet es, heutzutage „Leader*in“ zu sein? Was macht erfolgreiche Führungskommunikation aus? Am 19.1 fand eine Podiumsdiskussion zur „Communicating Leadership: Führungskommunikation neu gedacht“ im Rahmen der WU-Matters statt, wo Expert*innen aus Forschung und der Praxis die Rolle der Kommunikation vor dem Hintergrund einer neuen Führungskultur diskutierten. Am Podium waren Barbara Grohs, Birgit Parkos-Greger, Gerlinde Mautner und Johannes Steyrer und die gesamte Diskussion ist auf dem WU YouTube-Kanal verfügbar. Wir fanden es schade, die letzte Publikumsfrage nicht beantworten zu können und möchten es hier im „schriftlichen Gespräch“ soeben tun.
Frage aus dem Publikum: Prof. Mautner kritisiert, dass z.B. das Wort ‚Untergebene*r‘ verschwindet. Ich würde jedoch anmerken, dass dieses Wort für viele negativ besetzt ist. Inwieweit führt die Nutzung daher zu guter Kommunikation und Nutzung von Sprache im Sinne von BELF?
Miya Komori-Glatz: Ich habe diese Frage so verstanden, dass Worte wie ‚Untergebene*r‘ negativ konnotiert bzw. besetzt sind, und daher kein kollaboratives ‚Mindset‘ darstellen, wie man im BELF (English as the Business Lingua Franca; Anm. d. Red.) bzw. in neuen Führungsstilen gerne hätte. Ich würde nur anmerken, dass ’subordinate‘ auf Englisch nicht so negativ konnotiert ist, wie ‚Untergebene*r‘ auf Deutsch. Soweit ich Gerlinde verstanden habe, hast Du in erster Reihe beobachtet, wie oft das Wort in Artikeln zu Management bzw. Leadership vorkommt – keine Kritik am Verschwinden dieses Wortes per se. Aber die Frage, die Du gestellt hast, ist trotzdem sehr wichtig: wenn es Führung gibt, wer wird geführt? Es ist ja in Teams auch wichtig, dass eine*r die Führungsrolle übernimmt – sonst gibt’s Chaos. Wie kann man Dialog und Führung komplementär statt in Konkurrenz zu einander gestalten? Wie kann man Hierarchien und Menschen gleichzeitig respektieren?
Es ist wichtig, Machtbeziehungen kritisch unter die ‚Integritäts‘- Lupe zu nehmen und zu schauen: wird das, was gesagt wird, tatsächlich gelebt?
Gerlinde Mautner: Dass ‚Untergebene*r‘ negativ konnotiert ist, steht außer Frage. Also natürlich ist ein Gespräch auf keinem guten Weg, wenn man es beginnt mit „Also Sie als mein Untergebener …“. Allerdings ist zusätzlich zu dem, was Miya schon ausgeführt hat, auch noch zu unterscheiden zwischen dem Hauptwort, als Personenbezeichnung, und dem Adjektiv. Denn als Eigenschaftswort, gekoppelt etwa mit ‚position‘, ist es schon nicht mehr so abwertend. Was ich kritisiert habe, ist nicht, dass das Wort fast verschwunden ist (und erst recht war’s kein Plädoyer, es wieder einzuführen!).
Aber überall dort, wo die Hierarchien an sich weiterbestehen, widerspricht es der ‚diskursiven Wahrhaftigkeit‘ (ist kein Fachbegriff, sondern gerade frei erfunden ;-)), die tatsächlich bestehenden Verhältnisse mit „schönen Wörtern“ (Euphemismen) quasi zuzudecken. Letztlich wird es wie so oft um eine Balance gehen zwischen der Wahl von Begriffen, die den Betroffenen echte Wertschätzung signalisieren, und solchen, die Status und Wertschätzung nur vorgaukeln, während es auf anderen Ebenen (Entlohnung, Vertragsverhältnis, Arbeitnehmer*innenschutz …) damit eher finster aussieht.
Eine Hierarchie in Unternehmen ist nicht in Abrede zu stellen, aber das Vokabular setzt die Tonalität.
Barbara Grohs: Language is Leadership! Wer so einen Begriff heute noch verwendet, muss sich im Klaren sein, dass er ein nicht mehr heutiges Verständnis von Zusammenarbeit definiert. Eine Hierarchie in Unternehmen ist nicht in Abrede zu stellen, aber das Vokabular setzt die Tonalität. Für mich bedeutet Untergebene*r, dass jemand ohne zu hinterfragen, das umsetzt, was ihm gesagt wird. In einer Arbeitsumgebung, die das gut findet oder auch nur akzeptiert, würde ich nicht arbeiten wollen. Es geht gerade in meinem Arbeitsbereich um das Zusammenwirken mehrerer kompetenter Menschen, deren Ideen für den Gesamterfolg eines Teams/Bereichs ausschlaggebend sein können.
Miya Komori-Glatz: Ich höre daraus, dass es zurück zum Thema ‚Transparenz‘ kommt – es sollte auf jeden Fall klar sein, wer welche Rollen hat und das soll auch eindeutig und ehrlich kommuniziert werden. Es ist auch wichtig, (Macht-)Beziehungen kritisch unter die ‚Integritäts‘- Lupe zu nehmen und zu schauen: wird das, was gesagt wird, tatsächlich gelebt? Aber gleichzeitig sehen wir bei vielen Führungskräften – egal ob sie offizielle Machtpositionen haben oder nicht, ein Thema, für das wir leider auch zu wenig Zeit hatten und wo Birgit insbesondere viel zu erzählen hätte – einen Wechsel in den sozusagen ‚BELF-Mindset‘ (Achtung, auch kein Fachbegriff!), wo Rückmeldungen und konstruktives Hinterfragen aktiv eingeladen und wahrgenommen werden.
Als weitere Entwicklung der Führungsmodelle, die Johannes uns gegeben hat, gibt es in diesem Sinne auch die Metapher von „Leader as host“ von Mark McKergow und Helen Bailey. Das finde ich persönlich sehr spannend und spiegelt einen Wechsel von Leadership 1.0 auf Leadership 2.0 wider – dialogisch und sozial, wo Leute in ‚Communities‘ engagiert sind, um sich mit komplexen, kollektiven Herausforderungen auseinanderzusetzen. Dafür sind Kommunikation und Sprache natürlich unentbehrlich.
Vielen Dank an die Person, die über Mentimeter diese spannende Frage gestellt hat und noch einmal an unsere Podiumsgäste und alle Zuschauer*innen!
WU Matters. WU talks. geht wieder los!
In der WU Matters. WU Talks. Veranstaltungsreihe bringen Wissenschaftler*innen und Expert*innen aus der unternehmerischen und institutionellen Praxis ihre Expertise ein und diskutieren gemeinsam mit der interessierten Öffentlichkeit aktuelle Themen. Auch im Sommersemester 2022 findet an der WU wieder WU matters. WU talks. mit einem breiten Angebot an Themen statt.