Gemeinsame Währung als Erfolgsgeschichte

Vor 20 Jahren wurde der Euro als Buchgeld eingeführt. Die ÖsterreicherInnen sind mit ihrer Währung laut Studien sehr zufrieden – wird es den Euro bald auch als digitale Währung geben? Diese und viele weitere Fragen werden beim kommenden WU matters. WU talks. The EURO is turning 20 – What comes next? am 3. April am Campus WU diskutiert. Dieser Artikel erschien zuerst im WU Magazin als Beilage zur Tageszeitung Die Presse.

Die junge Generation kennt von Kindesbeinen an nur eine Währung: den Euro. Die europäische Gemeinschaftswährung feierte im Jänner 2019 ihr 20-jähriges Bestehen als Buchgeld. Die Ausgabe der Euromünzen und der Euroscheine fand drei Jahre später statt, seit 2002 ist der Euro als Bargeld im Umlauf. „Der Euro ist eindeutig eine Erfolgsgeschichte“, betont Ewald Nowotny,  Gouverneur der Oesterreichischen Nationalbank und Träger desWU-Ehrenrings. Er zitiert aus einer aktuellen Studie, wonach 76 Prozent der österreichischen Bevölkerung mit dem Euro „sehr oder eher zufrieden sind“, ein Wert, der seit 2008 nicht mehr erreicht worden ist. „Aus den ursprünglich elf Euroländern wurden im Lauf der Jahre 19 EU-Mitgliedsländer, in denen der Euro gilt“,  erklärt Nowotny.

„Aus den ursprünglich elf Euroländern wurden im Lauf der Jahre 19 EU-Mitgliedsländer, in denen der Euro gilt“

„Hinter dem Euro steht eine große und starke Volkswirtschaft.“ Für rund 340 Millionen BürgerInnen ist der Euro das offizielle Zahlungsmittel und seine Bedeutung zeigt sich deutlich in den Handelszahlen: „36 Prozent des Welthandels werden mittlerweile in Euro abgerechnet – im Vergleich dazu sind es 40 Prozent, die in US-Dollar fakturiert werden“, so  Nowotny. Anders sieht der Vergleich bei den Währungsreserven der nationalen Notenbanken aus. „Hier hat der US-Dollar einen Anteil von 63 Prozent, während der Euro auf 20 Prozent kommt.“ Dieses Ungleichgewicht habe vor allem mit dem starken und differenzierten US-Kapitalmarkt zu tun. US-Staatsanleihen sind immer noch die wichtigste Reservewährung der Welt.

Krisen überstanden

„Für die junge Generation sind viele Vorteile, die der Euro bietet, eine Selbstverständlichkeit“, sagt Andreas Resch, stellvertretender Vorstand des WU-Instituts für Wirtschafts- und  Sozialgeschichte. Dass man früher, um etwa in Italien einkaufen zu können, den österreichischen Schilling in Italienische Lire wechseln musste, kennen viele heute nur noch aus den Lehrbüchern der Wirtschaftsgeschichte. „Das Bestehen vieler unterschiedlicher Währungen hat die Wirtschaft in Europa einiges an Effizienz gekostet“, führt Resch aus. Um Wechselkursrisiken und Währungsmanagement kam kein exportierendes Unternehmen herum. „Anfang der 1970er-Jahre gab es die ersten Überlegungen für eine europäische Währung“, so Resch. Mit dem Zusammenbruch des Bretton-Woods-Systems mit seinen fixen Wechselkursen kam es zu Turbulenzen in den Weltwährungssystemen.

„Um die Wechselkurse der europäischen Währungen stabil zu halten, wurde 1979 dann das Europäische Währungssystem (EWS) geschaffen.“ Im EWS durften die Währungen zueinander in  einem gewissen Verhältnis schwanken. „Die Bandbreite von rund 2,25 Prozent musste eingehalten werden – war das nicht der Fall, waren die nationalen Zentralbanken verpflichtet, einzugreifen“, führt Resch aus. „Im Rahmen sogenannter Realignments konnten im Rahmen des EWS Ab- und Aufwertungen vereinbart werden“, erklärt er. Großbritannien war zwar nicht immer Mitglied im EWS, lieferte allerdings einen neuen Anlass, den Ausbau der Wirtschafts- und Währungsunion zügig voranzubringen.

Großbritannien war zwar nicht immer Mitglied im EWS, lieferte allerdings einen neuen Anlass, den Ausbau der Wirtschafts- und Währungsunion zügig voranzubringen.

Als 1992 gegen das Britische Pfund – das wieder im EWS vertreten war – spekuliert worden ist, rückte in vielen Ländern das Bewusstsein ihrer Exponiertheit gegenüber WährungsspekulantInnen ins Rampenlicht. Ende der 1980er-Jahre waren neuerlich Vorbereitungsarbeiten für den Euro im Gange, und mit dem Fall der Berliner Mauer wurde auch die Landkarte Europas neu gezeichnet. „Zahlreiche BeobachterInnen sahen die deutschen Bemühungen, die Zustimmung der europäischen PartnerInnen zur deutschen Wiedervereinigung zu erhalten, verknüpft mit dem Einlenken der Deutschen zu einer gemeinsamen Währung“, sagt Resch.

Andreas Resch ist stellvertretender Vorstand des WUInstituts für Wirtschafts- und Sozialgeschichte

Andreas Resch ist stellvertretender Vorstand des WUInstituts für Wirtschafts- und Sozialgeschichte

Das Hartwährungsland Deutschland machte sozusagen ein freundliches Gesicht zum Euro, um in freundliche Gesichter zur deutschen Wiedervereinigung blicken zu können. Der stufenweise Plan zur gemeinsamen Währung wurde 1989 vom Kommissionspräsidenten Jacques Delors entworfen, 1992 folgte der Vertrag von Maastricht, der die EU entstehen ließ und jene Konvergenzkriterien
enthielt, die ein Land zur Einführung der gemeinsamen Währung erfüllen muss. „Das Aussehen der Europäischen Zentralbank wurde im Vertrag von Maastricht festgeschrieben, wie auch die Unabhängigkeit der Notenbank und das Inflationsziel für eine dauerhafte Stabilität der neuen Währung“, so Resch. ExpertInnen sind sich einig, dass der gemeinsame Euro in der Zeit der  Weltfinanzkrise schlimmere Folgen verhindert hat. Einzelne Währungen wären exponierter gewesen und hätten vermehrt unter Druck gestanden als der gemeinsame Euro.

Was den klassischen  früheren Weichwährungsländern in den Jahren nach der Einführung des Euros allerdings nicht gelungen ist, ist das billiger verfügbare Geld – ihre Zinsenlast ist deutlich gesunken – in eine  höhere Produktivität umzumünzen. „Doch der Euro hat in jedem Fall eine Vertiefung des EU-Binnenmarkts bewirkt und mit der Bankenunion sind wir in Europa noch ein Stück weiter  zusammengekommen“, betont Nowotny, der auch die Rolle der WUvor der Einführung des Euros hervorhebt. „Die WU hat sich in vielen Studien mit den Auswirkungen des Euros beschäftigt und damals ihre gesellschaftspolitische Rolle voll erfüllt.“ Ein Euro ist übrigens 13,7603 Schilling wert – mittlerweile auch eine Zahl für die Geschichtsbücher.

Was bringt die Zukunft?

Werden wir in 20 Jahren noch Währungen kennen, wie es sie heute gibt, oder wird man mit Bitcoins oder anderen Blockchain-Anwendungen zahlen? Shermin Voshmgir, Direktorin des WU-Forschungsinstituts für Kryptoökonomie, glaubt, dass es den Euro in 20 Jahren „sehr wahrscheinlich noch geben wird“. Anfang 2018 wurde an der Wirtschaftsuniversität Wien das Forschungsinstitut rund um die Themen Blockchain, Kryptowährungen und Distributed Ledger Technologie eingerichtet – weltweit in dieser Form und Größe einzigartig. Der interdisziplinäre Zugang ist zukunftsweisend, denn Kryptoökonomie ist ein junges Forschungsfeld mit weitreichenden technischen und sozioökonomischen Implikationen. Den Begriff Kryptowährung findet Voshmgir übrigens wenig gelungen, sie spricht lieber von Token.

„Durch das Internet ist die Welt kleiner geworden. Wenn man früher zum Markt ging, war man darauf angewiesen, dass man jemanden zum Tauschen gefunden hat, der hatte, was man wollte, und bereit war, dafür das zu nehmen, was man selbst zum Tausch anzubieten hatte.“

Ein kryptografischer Token kann relativ einfach mithilfe der Blockchain-Technologie erstellt werden und für Öl, Gold oder ein Konzertticket stehen. „Diese Token können dann direkt von einer digitalen Geldbörse, einer Wallet, zur anderen getauscht werden“, erklärt Voshmgir. Vereinfacht gesagt, ist dies also eine Rückkehr zum Tauschhandel. „Durch das Internet ist die Welt kleiner geworden. Wenn man früher zum Markt ging, war man darauf angewiesen, dass man jemanden zum Tauschen gefunden hat, der hatte, was man wollte, und bereit war, dafür das zu nehmen, was man selbst zum Tausch anzubieten hatte.“

Durch die weltweite Vernetzung sei es viel einfacher geworden, TauschpartnerInnen zu finden. Dazu muss nicht zwingend Geld im Spiel sein, Ersatz kann jede tokenisierte Ware sein.   „Transaktionsgebühren fallen so weg“, erklärt Voshmgir, die überzeugt ist, dass irgendwann alle Güter tokenisiert werden. Solange der Staat jedoch das Monopol der Geldschöpfung besitze, werde es die klassischen Währungen weiterhin geben. Wobei Voshmgir betont: „Auch Währungen können tokenisiert werden.“ Die meisten Transaktionen sind bereits digital. Voshmgir schätzt, dass die ersten Zentralbanken in den kommenden fünf Jahren ihre Währungen auch als Token zur Verfügung stellen werden. Ein Trend, den Nowotny bestätigt: „Eventuell werden wir zukünftig Nationalbankgeld nicht nur als Bargeld und Buchgeld, sondern auch als digitales Geld sehen.“

Shermin Voshmgir ist Direktorin des WU-Forschungsinstituts für Kryptoökonomie.

Shermin Voshmgir ist Direktorin des WU-Forschungsinstituts für Kryptoökonomie.