„Ein Bildungsaufstieg ist in Österreich sehr schwierig“
Das österreichische Bildungssystem ist wieder in aller Munde. Denn vor kurzem haben Österreichs SchülerInnen erneut schlechte Ergebnisse bei der Internationalen Schulleistungsstudie der OECD (besser bekannt als PISA-Studie) einstecken müssen. Fast jede/r dritte getestete SchülerIn gehört in einem der Testgebiete (Lesen, Mathematik und Naturwissenschaften) zur Risikogruppe mit gravierenden Mängeln. Anlässlich des WU Matters. WU Talks zum Thema „Zurück in die Zukunft. Bildung als Chance für Österreich“ haben wir die Rektorin der WU, Edeltraud Hanappi-Egger zum Interview gebeten.
Wie steht es Ihrer Meinung nach um die Lernfähigkeit der zukünftigen Studierenden der WU – müssen wir künftig mit Studierenden rechnen, die weder lesen noch schreiben können?
Hanappi-Egger: Nein, das glaube ich nicht. Aber natürlich kommt eine neue Generation an Studierenden an die WU, die z.B. den Umgang mit Medien sehr gewöhnt sind und sich die meisten Informationen über das Internet besorgen. Darauf müssen wir uns einstellen. Problematischer ist aus meiner Sicht eher der Übergang von der Schule an eine große Uni. Das ist wirklich nicht leicht. Viele kommen damit allein zurecht, um die muss man sich keine Sorgen machen. Aber es gibt andere, die vielleicht gut hierher passen und gut studieren würden, sich aber mit der Größe der WU und den Erwartungen hinsichtlich Selbstorganisation schwer tun. Um diese sollten wir uns kümmern – und machen wir auch. Mit Hilfe unserer Mentoring-Programme, wo sich Höhersemestrige um Studienanfängerinnen und-anfänger kümmern, unterstützen wir unsere Erstsemestrigen.
„Bildung beginnt schon im Kindergarten“
Was sind Ihrer Meinung nach die drei Hauptgründe für den aktuellen Bildungsstatus in Österreich?
Hanappi-Egger: 1) Bildung beginnt schon im Kindergarten: Daher sollte ein zweites verpflichtendes Kindergartenjahr angeboten werden. 2) Auch international unumstritten ist, dass eine zu frühe Trennung der Schülerinnen und Schüler nach der Grundschule kontraproduktiv wirkt: Es sollte eine gemeinsame Schule bis 14 geben, und man könnte ja auch einmal darüber nachdenken, ob die Schulpflicht nicht sogar bis 18 gelten sollte. 3) Damit verbunden sind Bildungsaufstiege in Österreich viel schwieriger als in anderen Ländern.
Wie schätzen Sie den Zusammenhang zwischen sozialer Herkunft und Bildungsmöglichkeiten ein?
Hanappi-Egger: Es wird ja auch von der OECD immer wieder gezeigt, dass ein Bildungsaufstieg in Österreich sehr schwierig ist. Stark abhängig ist das auch von der Lebensrealität des Elternhauses. Ist es z.B. im Elternhaus eine gewisse Selbstverständlichkeit, dass die Kinder studieren, werden diese das eher in Betracht ziehen. Aber selbst wenn Eltern einer höheren Bildung ihrer Kinder gegenüber durchaus positiv eingestellt sind, kann es eine Frage der Finanzierbarkeit werden. Dann stellen sich Fragen, wie z.B. Wie lange dauert die Ausbildung der Kinder in Summe? Können wir uns in weiterer Folge ein Studium, vielleicht sogar an einem anderen Ort, leisten? Für hochmotivierte Schülerinnen und Schüler aus einkommensschwachen Familien haben wir deshalb das Stipendienprogramm WU4You entwickelt. Das Stipendium soll die angehenden Studierenden materiell absichern, damit sich diese voll auf das Studium konzentrieren können und nebenbei nicht arbeiten müssen.
„Ein Studium kann auch eine Frage der Finanzierbarkeit werden“
Sie sind selbst die Erste aus Ihrer Familie, die studiert hat: Liegt Ihnen das Thema Bildungsaufstieg deshalb so am Herzen und wie hat Ihre eigene Familie reagiert, als Sie verkündeten, studieren zu wollen?
Hanappi-Egger: Auch in meiner Familie war es üblich, nach der Schulpflicht einen Beruf auszuüben. Meine Entscheidung, bis achtzehn Jahre in die Schule zu gehen und im Anschluss daran studieren zu wollen, war daher in meiner Familie kein „typischer“ Weg. So geht es sicherlich vielen Kindern aus Nicht-AkademikerInnen Haushalten. Meine Eltern waren da an sich schon skeptisch, aber damals während der Kreisky-Ära hat es zumindest keine zusätzlichen Kosten für Schulbücher, den Schulbus oder ein Studium gegeben – das hat mir geholfen.
Welchen Ratschlag würden Sie Jugendlichen geben, um sie zu einem Studium zu motivieren bzw. um Widerstände abzubauen?
Hanappi-Egger: Die Entscheidung, als Erste oder als Erster in der Familie ein Studium zu absolvieren, ist vermutlich in erster Linie von gewissen beruflichen Wunschvorstellungen geprägt. Sich in jungen Jahren schon mit der Frage auseinanderzusetzen, welcher Beruf angestrebt wird und welche Ausbildung dazu benötigt wird, ist gut, verlangt aber natürlich einiges an Selbstreflexion. Generell würde ich dazu raten, sich so viel wie möglich vorab zu informieren. Die Möglichkeiten, z.B. die WU am Tag der offenen Tür zu besuchen oder eine Schnuppervorlesung zu absolvieren, sollten genutzt werden. Sich mit den Fragen „Was sind die Inhalte des Studiums?“ oder „Welche Karrierewege sind mit einem Abschluss möglich?“ auseinanderzusetzen und dieses Wissen auch mit den Eltern zu teilen, ist sicherlich auch hilfreich. Jedenfalls sollten sich die Jugendlichen ernsthaft die Frage stellen, was sie interessiert – weil damit beschäftigt man sich schließlich einige Jahre.
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