Football for Refugees – Vom Abseits mitten aufs Spielfeld
Innerhalb weniger Wochen hat WU-Student Christian Bauer mit seiner Fußballmannschaft das Projekt „SC WU for Refugees“ auf die Beine gestellt. Mit Flüchtlingskindern, die im Ferry-Dusika-Stadion untergebracht sind, spielen sie wöchentlich Fußball und lernen Deutsch.
Der Junge mit der Nummer 2 am Rücken dribbelt nach vorn, schießt das runde Leder gegen die Langbank, nimmt den Ball wieder an und platziert ihn ins linke Eck. „Saubere Annahme, sehr gut, Hadi!“, ruft ihm sein Coach Christian von der Seitenlinie zu. Hadi wischt sich den Schweiß von der Stirn und stellt sich wieder hinten in die Reihe an. Torschussübungen stehen heute auf dem Trainingsplan. Zu Hause in Afghanistan hat Hadi nur auf der Straße Fußball gespielt. Vor vier Monaten ist der Zwölfjährige nach Österreich gekommen und trainiert seit Kurzem regelmäßig mit Spielern der WU-Fußballmannschaft.
„SC WU for Refugees“ heißt das Projekt, das Christian Bauer mit seinen Teamkollegen im vergangenen Dezember gestartet hat. Jeden Sonntag Nachmittag treffen sich Mannschaftsmitglieder mit Flüchtlingen im Alter zwischen 10 und 15 Jahren im Sportzentrum am Campus WU. Die Jugendlichen, die allesamt im Ferry-Dusika-Stadion untergebracht sind, sprechen Arabisch und Farsi. Farshad Salehi aus Afghanistan, der selbst vor zwei Jahren nach Österreich geflüchtet ist und WU-Absolventin Fatima Almukhtar, die im Alter von 15 Jahren mit ihrer Familie aus dem Irak nach Österreich gezogen ist, sind zum Übersetzen dabei.
Wie die Integration von Flüchtlingen gelingt und ob Europa das schafft, darüber wird zurzeit viel diskutiert. Die Politik zerbricht sich den Kopf darüber, viele Menschen sorgen sich – Christian und seine Mannschaftskollegen tun etwas.
„Im vergangenen Sommer habe ich Deutschkurse für Flüchtlinge gegeben und da ist mir aufgefallen, wie empfänglich die Menschen für Fußballthemen im Unterricht sind“, erzählt Christian, „da ist mir die Idee zum Projekt gekommen und schnell habe ich Leute gefunden, die das auch sehr cool fanden“.
„Ich will für ein Team in Österreich spielen“ Hadi, 12 Jahre
Bei den Trainings wird nicht nur zusammen Fußball gespielt, sondern auch Deutsch gelernt. Schon beim Aufwärmen werden kleine Sprachübungen eingebaut. Auf Flipcharts haben die WU-Studenten Verben wie „passen“, „schießen“, „laufen“ geschrieben. Auch Ausdrücke wie „Mir gefällt…“, „Ich mag…“ lernen die Kids, indem sie etwa über ihre Lieblingsfußballspieler sprechen. Hadis Lieblingsspieler ist Cristiano Ronaldo, seine Lieblingsmannschaft – passend dazu – Real Madrid. Was er später einmal werden möchte, fragt ihn Übsersetzer Farshad auf Farsi. Natürlich Fußballspieler! Bei Real Madrid? „Nein, in Österreich!“ Dann wird Hadi verlegen und gesteht: „Ich kenne aber noch keine österreichische Fußballmannschaft“. Nach dem Aufwärmen und den Deutschlektionen wird ein Match gespielt: fünf gegen fünf. Im Tor stehen jeweils Vereinsmitglieder, auf dem Feld die Kids.
„Die ersten großen Herausforderungen waren Logistik und Material“ Christian Bauer, Mitglied der Fußballmannschaft „SC WU Studierende“
Von der Idee bis zum ersten Training vergingen nicht einmal vier Wochen. Christian und seine Mannschaftskollegen haben auf die Ressourcen und Skills zurückgegriffen, die sie bereits hatten. Für alles andere haben sie Verbündete ins Team geholt.
„Die ersten großen Herausforderungen waren Logistik und Material“, erzählt der 25-Jährige, der an der WU Sozioökonomie im Master und BWL im Bachelor studiert. „Für uns ist es ein enormer Vorteil, dass wir eine Halle zur Verfügung haben. Andere Initiativen geben ungemein viel Geld für Räumlichkeiten aus.“ Trikots, Bälle und Schuhe wurden teils aus dem privaten Kreis zusammengetragen, teils dank Spenden gekauft. Fehlte nur noch der Kontakt zu jugendlichen Flüchtlingen. Diesen hatte Fatima, die an der WU Internationale Betriebswirtschaft studierte und in der Basketballmannschaft mitwirkte.
„Die Kinder sind von früh bis spät in der Halle im Dusika-Stadion“ Fatima Almukhtar, WU-Absolventin und Übersetzerin
Fatima besucht täglich die Flüchtlinge im Dusika-Stadion und gibt dort Deutschunterricht. „Die Menschen sind mit Essen und Kleidung dort eh gut versort, aber sie sind von früh bis spät einfach nur in dieser Halle, die Kinder haben gar keine Beschäftigung“, schildert Fatima die Situation in der Unterkunft. Das Dusika-Stadion ist als vorübergehende Lösung gedacht. Von dort aus werden die Flüchtlinge nach einigen Wochen, manchmal auch Monaten, in andere Unterkünfte österreichweit verteilt.
Hadi ist mit seinem Bruder (18 Jahre) und seiner Schwester (21 Jahre) vor vier Monaten nach Wien ins Dusika-Stadion gekommen. Ob er nächste Woche wieder zum Training kommt, kann er noch nicht sagen. „Ich komme gerne, aber ich weiß nicht, ob ich nächste Woche noch in Wien bin“, sagt Hadi. Was er hier in Wien am meisten vermisst, sind seine Eltern, die noch zu Hause in Afghanistan sind. Allerdings hat Hadi hier in Wien schon viele Freunde gefunden – auch durch das Fußballtraining. „Vorher haben sich die Kinder nur vom Sehen gekannt, jetzt verbringen sie aber auch außerhalb des Trainings Zeit zusammen und sind Freunde geworden,“ so Fatima.
„Wenn man den Humor versteht, dann versteht man auch die Kultur“ Fatima Almukthar
Auf die Frage, wie Integration klappen kann, hat die 24-Jährige eine klare Antwort. „Die Sprache zu lernen ist das Allerwichtigste. Damit meine ich aber nicht nur Grammatik- und Vokabelunterricht, sondern das Gefühl und den Humor“, so Fatima, die selbst im Alter von 15 Jahren von Bagdad nach Wien gekommen ist. „Wenn man den Humor versteht, dann versteht man auch die Kultur und wenn man die Kultur versteht, dann ist man integriert“. Die Chance, sich mit österreichischen Jungendlichen zu treffen und mit ihnen Deutsch zu sprechen, hat Hadi nicht. Hier in Wien besucht er noch keine Schule. „Ein Junge wie Hadi würde in der Schule in zwei Monaten perfekt Deutsch sprechen – er ist jetzt schon so weit“, sagt Fatima. Auf die Schule freut sich Hadi, ans Studieren denkt er hingegen noch nicht. „Um Fußballspieler zu werden, braucht man schließlich keinen Uniabschluss“, so Hadi. Solange er in Wien ist, will er kein Training verpassen. „Christian ist ein toller Coach. Ich bin ihm sehr dankbar für das, was er und seine Kumpels machen“.
Was sich Fatima und Coach Christian für die Zukunft wünschen, ist, dass österreichische Jugendliche beim Projekt mitmachen. „Integration funktioniert nur, wenn man Kontakt zu den Menschen hat“, so Christian. „Fußball kennen alle, jeder hat eine Meinung zu Cristiano Ronaldo, da entsteht eine Verbindung.“ Verbindungen entstehen beim Training nicht nur auf der Sprachebene, sondern auch auf der Gefühlsebene. Die Jugendlichen sind im Training motiviert, die Sprache zu lernen, um sich mit Christian und seinen Mannschaftskollegen austauschen zu können. Dank des Projekts „SC WU for Refugees“ kamen die Jungs vom Abseits aufs Spielfeld.
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Falls das Projekt Interesse wecken konnte, freut sich der Verein „SC WU-Studierende“ über jede Form der Unterstützung: info@wu-sport.com