Hall of Femmes: Susanne Kalss

„Die Lust an der innovativen und gut präsentierten Idee sollte im Vordergrund stehen.“

Bitte geben Sie ein paar biographische Eckdaten bekannt: welche Ausbildung haben Sie absolviert, was sind die wichtigsten Eckdaten ihrer beruflichen Entwicklung und welche Position haben Sie jetzt inne?

Ich habe in Stainach im steirischen Ennstal 1984 maturiert, von 1984 bis 1988 an der Universität Wien Rechtwissenschaft  studiert (daneben Geschichte und Betriebswirtschaft), 1989 mit einer Dissertation zum Forstrecht promoviert. Das aktuelle Thema Nachhaltigkeit spielt in diesem Bereich eine herausragende Rolle. Nach Studien- und Forschungsaufenthalten am Europäischen Hochschulinstitut in Florenz, an der LSE London und vor allem am Max Planck Institut in Hamburg habilitierte ich bei Peter Doralt im Jahr 2000 an der WU zu dem Thema Anlegerinteressen im Kapitalmarktrecht– ein Thema das 15 Jahre später noch hohe Aktualität hat. Im Jahr 2000 erhielt ich auch den START-Preis des FWF für ein Forschungsprojekt zum Kapitalgesellschaftsrecht – über sieben Jahre konnte ich eine Gruppe junger und ambitionierter Wissenschafter und Wissenschafterinnen aufbauen; alle Mitglieder der Forschungsgruppe haben heute einen spannenden Beruf; zwei blieben in der Wissenschaft und halten je einen juristischen Lehrstuhl an einer österr. und an einer deutschen Universität. 2000 erhielt ich auch einen Ruf an  die Universität Klagenfurt für Privatrecht. Bis 2003 war ich dort Professorin, ehe ich 2003 auf einen Lehrstuhl für Zivil- und Unternehmensrecht an die WU berufen wurde. Seit 2003 bin ich nun Professorin für Zivil- und Unternehmensrecht an der WU.

Was hat Sie dazu bewogen, eine wissenschaftliche Karriere und eine Karriere im Hochschulmanagement zu realisieren? Gab es einen Menschen oder ein Erlebnis, der oder das Sie inspiriert hat, diesen Weg einzuschlagen?

Ich habe mich einfach bei Peter Doralt nach dessen Einladung ohne jede Erwartung auf einen Karenzposten beworben. Nach mehreren kurzen Verträgen (halbes Jahr, Jahr, LLMStudium in Florenz) und spannenden Aufgaben (Umsetzung der Europäischen Vorgaben des Gesellschaftsrechts in Österreich, Regelung des Privatstiftungsrechts etc. und die wissenschaftliche Begleitung), reifte der Wunsch, weiterhin an der Universität zu bleiben. Die Zuerkennung eines Apartstipendiums der Österreichischen Akademie der Wissenschaften 1996 ermöglichte dies. Das Stipendium bot mir große Freiheiten für die Forschung, ich konnte die Habil zeitgerecht abschließen und mehrere andere Projekte in dieser Zeit realisieren.

Was sind Ihre aktuellen Forschungs- bzw. Arbeitsschwerpunkte?

Nach viel Grundlagenforschung im Gesellschafts- und Unternehmensrecht beschäftige ich mich derzeit eher anwendungsorientiert mit folgenden Bereichen: Kapitalmarktrecht, Recht der Familienunternehmen einschließlich der Familienstiftungen, Aufsichtsrat, Unternehmensnachfolge im Lichte des neuen Erbrechts, generell Gesellschaftsrecht  und Unternehmensrecht.

Wenn Sie Ihren beruflichen Werdegang betrachten – was waren Ihre persönlichen Erfolgsfaktoren?

Freude und Begeisterungsfähigkeit für Themen und Aufgaben, Engagement im Team, Gestaltungsfreude und Aufgreifen von Chancen für wissenschaftliche Projekte im Team an mitwirkender und federführender Stelle, Neugier und Freude an Themenführerschaft, letztlich hoher Arbeitseinsatz.

Was motiviert Sie besonders in Ihrer Arbeit?

Lösung von täglich neuen Fragen aus intellektueller Sicht, Gestaltung und Erarbeitung gemeinsam mit meinen Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen – Überzeugung und Belastbarkeit der Argumentation im wissenschaftlichen Dialog und in der Tauglichkeitsprüfung der Praxis – Bestehen auf zwei Ebenen.

Welche Erfahrungen haben Sie als Frau in einem von Männern dominierten Berufsfeld gemacht? Welche Strategie haben Sie angewandt, um mit dieser speziellen Situation zurecht zu kommen?

Frauen sind im Bereich des Gesellschafts- und  Unternehmensrechts seit  – mehr als –  15 Jahren rar und bleiben rar. Nicht nur in Österreich, sondern ebenso in Deutschland und in ganz Europa.  So ist die Zahl der Frauen bei den führenden Symposien und Konferenzen von drei auf sechs (in absoluten Zahlen) zwischen 2000 und 2015 gestiegen (bei Gesamtzahlen von 100 bis 150). Die Zahl der eingeladenen Männer hat sich absolut deutlich stärker erhöht.

Ein Mittel zu Bestehen ist die Überzeugung durch hohe Qualität in der täglichen Arbeit – in der  Forschung und Lehre.

Was war Ihr persönliches Highlight in Ihrer Karriere bisher?

Hohe Anerkennung auf internationaler Ebene.

Zweimalige Einladung in die letzte Runde für die Bewerbung zur Direktorin eines Max Planck Instituts für Rechtswissenschaften; einmal habe ich dieses Angebot zur Übernahme dieses Amtes abgelehnt.

Auf welche Barrieren stoßen Frauen Ihrer Ansicht nach heute, wenn sie Führungspositionen an Hochschulen anstreben?

Die allgemeine wissenschaftliche Karriere wird deutlich genauer beobachtet und kritisch hinterfragt – Vermutung des Seitenschritts des Abgleitens in die Verwaltung anstatt in der „echten Forschung“ ist deutlich höher.

Was tun Sie gerne, wenn Sie nicht arbeiten?

Wir haben drei Töchter im Alter von 12, 10 und 8 Jahren, die mich und meinen Mann fordern und die uns große Freude bereiten. Ich laufe gerne und gehe im Sommer in die Berge (Totes Gebirge, Niedere Tauern) und im Winter Schifahren; Ich lese gerne österreichische und europäische Literatur.

Was erachten Sie als sinnvoll, um an Hochschulen die Chancengleichheit und Geschlechtergerechtigkeit weiter zu fördern?

Die Hauptfrage liegt darin, Frauen zu motivieren, viel Zeit und Intellekt in eine gute Dissertation oder entsprechende Aufsätze zu investieren und das Interesse zu wecken, auch weiterhin an der Universität zu bleiben. Eine Frau genügt nicht, es müssen mehrere sein, die den Versuch starten.  Dabei darf aber der Terror des Papers nicht zu groß werden; vielmehr sollten die Denkkraft, die Lust an der innovativen und gut präsentierten Idee im Vordergrund stehen.

Welche Empfehlungen möchten Sie gerne an junge Frauen, die am Beginn ihres Berufslebens in der Wissenschaft oder in der Wirtschaft stehen, weitergeben?

Primär die Dinge machen, die Freude machen und bei denen hohe Gestaltungsmöglichkeiten bestehen; nie vergessen, die eigenen Leistungen (durch Publikation, Präsentation) selbst darzustellen und sichtbar zu machen; die eigene Leistung im Team und in der Gruppe erkennbar zu machen, ohne andere Frauen oder Männer  herabzusetzen.

#HallofFemmes #Gleichstellung #WU


Mit dem Projekt „Hall of Femmes“ soll die Sichtbarkeit von Frauen an der WU und mit Bezug zur WU erhöht und andere Frauen gestärkt werden, indem es Vorbilder schafft. In kurzen Interviews schildern die befragten Frauen ihre Karrierewege, berichten über entscheidende Erfolgsfaktoren für ihre berufliche Entwicklung und geben persönliche Karriereempfehlungen. Die Interviews werden in einer mehrwöchigen Reihe im WU-Blog veröffentlicht.