Hall of Femmes: Gerlinde Mautner
„Frauen in Führungspositionen werden oft kritischer betrachtet als Männer. Frauen gelten als ‚ehrgeizig‘, wo Männer nur ‚zielstrebig‘ sind.“
Bitte geben Sie ein paar biographische Eckdaten bekannt: welche Ausbildung haben Sie absolviert, was sind die wichtigsten Eckdaten ihrer beruflichen Entwicklung und welche Position haben Sie jetzt inne?
Studium der Anglistik und Geschichte an der Universität Wien, als Prae-doc ein Jahr zur Forschung an der Universität Birmingham, als Post-doc ein Jahr an der University of Lancaster. Seit 2000 Universitätsprofessorin an der WU, seit 2005 Institutsvorstand. 1998 bis 2002 Vizerektorin für Internationales. Regelmäßige Forschungs- und Lehraufenthalte an den Universitäten Cardiff, Queen Mary (University of London) und University of Sussex. Seit 2008 Mitglied des FWF-Kuratoriums; seit 2014 Honorary Visiting Professor an der Cass Business School, City University London.
Was hat Sie dazu bewogen, eine wissenschaftliche Karriere und eine Karriere im Hochschulmanagement zu realisieren? Gab es einen Menschen oder ein Erlebnis, der oder das Sie inspiriert hat, diesen Weg einzuschlagen?
Die wichtigste Initialzündung für die wissenschaftliche Laufbahn kam sicher von einem meiner Gymnasiallehrer, der schon lange vor der Matura kategorisch zu mir meinte, „Du wirst Universitätsprofessorin“. Weder er noch meine Eltern haben im übrigen jemals auch nur angedeutet, dass man es als Mädchen bzw. Frau schwerer haben könnte. Sie haben einfach an mich geglaubt und mich unterstützt. Ein Mangel an „gender awareness“ kann auch eine Triebfeder sein. Vielleicht steckt man dann mehr Energie in die eigene Leistung und weniger in den Kummer über Benachteiligungen?
Was sind Ihre aktuellen Forschungs- bzw. Arbeitsschwerpunkte?
Management-Kommunikation und gesellschaftlicher Wandel aus kritisch-linguistischer Perspektive sowie kontrastive Rechtslinguistik.
Wenn Sie Ihren beruflichen Werdegang betrachten – was waren Ihre persönlichen Erfolgsfaktoren?
Neugier, Leidenschaft für mein Fach, Lust am Lernen, Ausdauer; internationale Orientierung; an wichtigen Wegkreuzungen mehr selbst- als fremdbestimmt agieren; mit Misserfolgen konstruktiv umgehen: denn auch leere Kilometer zu gehen kann die Muskeln stärken.
Was motiviert Sie besonders in Ihrer Arbeit?
Die Freiräume für Kreativität, die das akademische Umfeld bietet; die Möglichkeit, mit intelligenten und motivierten Menschen arbeiten zu können.
Welche Erfahrungen haben Sie als Frau in einem von Männern dominierten Berufsfeld gemacht? Welche Strategie haben Sie angewandt, um mit dieser speziellen Situation zurecht zu kommen?
Ich habe keine dauerhaft nachteiligen Erfahrungen gemacht; ergo habe ich auch keine besondere Strategie – es sei denn, man bezeichnet so Basics wie Leistung, Zielstrebigkeit, Freude an der Arbeit und Kontaktpflege schon als Strategie…
Was war Ihr persönliches Highlight in Ihrer Karriere bisher?
Am Beginn meiner Laufbahn war sicher die Promotion sub auspiciis ein Highlight, und in jüngster Zeit das Angebot einer Visiting Professorship an der Cass Business School.
Auf welche Barrieren sind Sie im Verlauf Ihres Berufslebens gestoßen?
Von faktischen Barrieren kann eine Frau, die ein halbes Jahr nach der Habilitation, mit 34 Jahren, Vizerektorin wurde, wohl kaum sprechen … Anders sieht es freilich auf sozialer Ebene aus. Frauen in Führungspositionen werden oft kritischer betrachtet als Männer. Frauen gelten als „ehrgeizig“, wo Männer nur „zielstrebig“ sind; Frauen nennt man „arrogant“, wo Männer bei gleichem Verhalten nur als „selbstbewusst“ gelten; Frauen kommen als „hart“ rüber, Männer als „konsequent“. Hochleister haben es oft schwer, akzeptiert zu werden, egal ob Frau oder Mann. Aber im Großen und Ganzen „verzeiht“ man Frauen ihre Leistung weniger leicht als Männern. Wenn man nicht lernt das wegzustecken, kann es dazu kommen, dass man sich die Stolpersteine selbst in den Weg legt.
Was tun Sie gerne, wenn Sie nicht arbeiten?
Musik hören, englische Krimis lesen, englisches Theater besuchen, photographieren, gemütlich essen gehen mit Freunden, die mich nehmen wie ich bin.
Was erachten Sie als sinnvoll, um an Hochschulen die Chancengleichheit und Geschlechtergerechtigkeit weiter zu fördern?
Von meinem Erfahrungshorizont aus gehen wir zumindest an der WU in die richtige Richtung. Der weiteren Entwicklung müssen wir wohl trotzdem noch etwas Zeit lassen.
Welche Empfehlungen möchten Sie gerne an junge Frauen, die am Beginn ihres Berufslebens in der Wissenschaft oder in der Wirtschaft stehen, weitergeben?
Berufliche Ziele mit Biss aber ohne Verbissenheit verfolgen; den Humor nicht verlieren; Neider ignorieren; die gläserne Decke im eigenen Kopf zerschlagen, denn auch sie kann zu traditionellen, benachteiligenden Formen weiblicher Handlungsmuster und Lebensgestaltung führen, gegen die alle Frauenförderprogramme der Welt nichts ausrichten können …
#HallofFemmes #Gleichstellung #WU #Interview
Mit dem Projekt „Hall of Femmes“ soll die Sichtbarkeit von Frauen an der WU und mit Bezug zur WU erhöht und andere Frauen gestärkt werden, indem es Vorbilder schafft. In kurzen Interviews schildern die befragten Frauen ihre Karrierewege, berichten über entscheidende Erfolgsfaktoren für ihre berufliche Entwicklung und geben persönliche Karriereempfehlungen. Die Interviews werden in einer mehrwöchigen Reihe im WU-Blog veröffentlicht.