Forschungsinstitut für Migrations- und Fluchtforschung

Sinkende Asylantragszahlen, verschärfte politische Diskurse und ein neues europäisches Migrationspaket verdeutlichen, dass Flucht und Migration weiterhin zu den zentralen gesellschaftlichen Themen unserer Zeit zählen. Häufig treten empirische Befunde gegenüber emotionalisierten Debatten in den Hintergrund, während wissenschaftlich fundierte Analysen unter politischen und medialen Druck geraten. Vor diesem Hintergrund wurde im Juni 2025 das Forschungsinstitut für Flucht- und Migrationsforschung und -Management (FORM) unter der Leitung von Judith Kohlenberger gegründet.

Ziel ist es, durch exzellente, unabhängige Forschung zur Versachlichung der öffentlichen Migrationsdebatte beizutragen und evidenzbasierte Grundlagen für politische wie gesellschaftliche Entscheidungsprozesse zu schaffen.

Was FORM tut – und warum

FORM befasst sich mit aktuellen Fragestellungen zu Flucht und Migration, analysiert komplexe gesellschaftliche Diskurse und fördert den evidenzbasierten Austausch zwischen Verwaltung, Politik, Wirtschaft und Zivilgesellschaft. Das Institut versteht sich als wissenschaftliche Institution mit einer klaren Orientierung an Menschen-, Grund- und Freiheitsrechten. Es benennt strukturelle Leerstellen und Fehlentwicklungen, ohne diese zu beschönigen oder zu dramatisieren, und analysiert den Beitrag der Migration zur Transformation unserer Arbeits- und Lebenswelten. Forschung, Lehre und Third Mission werden bei FORM zusammengedacht, um gesellschaftliche Vielfalt analytisch zu erfassen und Gestaltungswissen bereitzustellen.

Die Forschungsarbeit am FORM folgt einem interdisziplinären Ansatz: Zwanzig Wissenschaftler*innen aus Soziologie, Ökonomie, Rechtswissenschaften, interkultureller Kommunikation und Management Studies arbeiten gemeinsam an Projekten, die Migration als Querschnittsthema sozialer, ökonomischer und politischer Entwicklungen begreifen. Gabriel Felbermayr (Department für Volkswirtschaft) untersucht die Dynamiken internationaler Arbeitsmigration, Sigrid Stagl (Department für Sozioökonomie) erforscht die Wechselwirkungen zwischen Klimawandel und Migrationsbewegungen und Katharina Miko-Schefzig, stellvertretende Institutsleiterin, analysiert sicherheitspolitische Diskurse im öffentlichen Raum.

Forschung mit Wirkung: Vom Befund zur Praxis

Eine Studie, die das soziodemografische Profil ukrainischer Geflüchteter in Österreich, Tschechien und der Slowakei vergleicht, zeigt, dass Aufnahmekontexte Integrationsprozesse entscheidend prägen. Geflüchtete in den drei Aufnahmeländern unterscheiden sich in ihren Einstellungen zu Geschlechterrollen, Demokratie und internationalen Institutionen, aber auch nach sozioökonomischem Hintergrund und Bildungsniveau. Generell zeigt sich: Je höher der formale Bildungsgrad und damit die finanziellen Ressourcen, desto weiter westlich flüchteten Ukrainer*innen vor dem russischen Aggressionskrieg. Diese und andere Befunde aus der Migrations- und Fluchtforschung wurden im November 2025 im Rahmen der Veranstaltungsreihe WU matters. WU talks. zum Thema „Mythbusting Migration“ diskutiert. Nach einer Keynote von Milda Žilinskaitė, die am FORM zu betrieblicher Integration und Nachhaltigkeit forscht, diskutierten Jesús Crespo Cuaresma (Department für VW), Jason Gagnon (OECD) und Aida Hajro (University of Leeds) sowie Judith Kohlenberger zentrale Fragen der Migrationsforschung: Leben wir tatsächlich in einer Ära der Massenmigration? Welche Rolle spielen klimatische Veränderungen für zukünftige Mobilitätsbewegungen? Und warum klaffen statistische Realität und öffentliche Wahrnehmung so stark auseinander? Mehr dazu hier.

Praxisnaher wurde es bei der ENGAGE.EU Expedition Week im September 2025: 30 Studierende von sieben europäischen Universitäten arbeiteten eine Woche lang an realen Policy-Herausforderungen im Bereich Forced Migration. Unterstützt von UNHCR Österreich, Caritas Austria und dem Beratungszentrum für Migrant*innen entwickelten sie Apps, Gamification-Konzepte und Policy-Interventionen – ein Format, das Forschung, Lehre und Praxis wirkungsvoll verbindet.

Der Transfer von Wissen in die Praxis ist ein zentrales Anliegen von FORM. Seine Wissenschaftler*innen kooperieren eng mit Verwaltung, Sozialpartnern und Zivilgesellschaft, zum Beispiel mit der Industriellenvereinigung, der Bundesagentur für Betreuungs- und Unterstützungsleistungen (BBU), der Asylkoordination und dem Integrationshaus. Mitarbeiter*innen wirken in Beiräten mit und bringen wissenschaftliche Evidenz in politische Entscheidungsprozesse ein. Zur Wissenschaftskommunikation im breiteren Sinn zählt auch der Podcast Aufnahmebereit, in dem Judith Kohlenberger im zweiwöchentlichen Rhythmus mit Gästen aus Wissenschaft, Politik und Zivilgesellschaft spricht.

Eine neue Migrationsdebatte

Migration wird auch in Zukunft das Land und den Kontinent prägen, in demografischer, wirtschaftlicher und gesellschaftlicher Hinsicht. Die entscheidende Frage lautet nicht, ob Migration stattfindet, sondern wie sie politisch, institutionell und sozial gestaltet werden kann. Populistische Narrative bieten einfache Antworten, doch nachhaltige Lösungen erfordern differenzierte Analysen und wissenschaftliche Evidenz. Hier setzt FORM an: mit Forschung, die Mythen überprüft, Handlungsspielräume aufzeigt und eine nüchterne, respektvolle und präzise Sprache pflegt.

In einer Zeit, in der wissenschaftliche Expertise zunehmend unter Legitimationsdruck zu stehen scheint, leistet das Forschungsinstitut damit einen wesentlichen Beitrag zu einer faktenbasierten öffentlichen Auseinandersetzung. Eine evidenzbasierte Migrationsdebatte ist möglich – FORM arbeitet daran.

Weitere Informationen: www.wu.ac.at/form