Artificial Banking – Entscheidet die KI bald über meinen Kredit?
Beim zweiten „WU matters. WU talks.“ Termin des Semesters am 22. Oktober, drehte sich am Campus WU vor vollem Haus alles um das topaktuelle Thema KI. Genauer beleuchtet wurde bei dem restlos ausgebuchten Event der Einsatz von künstlicher Intelligenz in Bezug auf die Vergabe von Krediten. Als Expert*innen hielten Kurt Hornik, WU Professor für Statistics and Computing und Karin Turner-Hrdlicka, Europäische Zentralbank (EZB) zunächst Ihre Keynotes. Im Anschluss leitete Stefan Pichler, WU Professor für Banking and Finance die spannende Diskussion mit Gerda Holzinger-Burgstaller, Erste Bank Österreich und Michael Höllerer, Raiffeisenlandesbank Niederösterreich-Wien.
Banken verfügen über weit mehr sensible und persönliche Daten, als es auf den ersten Blick scheint. Nicht nur Namen, Kontostand und Adressen lassen Rückschlüsse auf die Kredit(un)würdigkeit der Person zu – auch Religionsbekenntnis, Familienstand oder kostspielige Hobbies und Laster lassen sich über Überweisungsdaten usw. ableiten: für die KI wäre es ein Leichtes, diese Daten für die Bewertung, ob jemand kreditwürdig ist oder nicht, heranziehen. Wenn es um die Vergabe von Krediten geht, haben Bankinstitute weltweit also ein großes Interesse daran, möglichst viele dieser Daten zu verwenden und von einer KI auswerten zu lassen, um ihr Risiko zu minimieren.
Braucht es mehr KI im Banking?
Die Frage, ob es mehr KI im Banking braucht, ist aber nicht für alle Lebensaspekte so leicht zu beantworten. Stefan Pichler stellte gleich vorab die Frage, um die sich im Anschluss die Diskussion drehte: „Es geht beim Einsatz von KI im Bankingsektor ja nicht nur um Risikoabwägung, sondern auch um Fairness für die Menschen: Bekomme ich etwa künftig keinen Kredit mehr, weil ich im „falschen“ Bezirk wohne?“
Regulatorische Kontrolle vs. technischer Fortschritt
Die Bedenken der Menschen sind den geladenen Expert*innen nicht fremd. Karin Turner-Hrdlicka stellt fest: „Beschleunigt durch die Pandemie hat KI auch am Finanzsektor eine große Bedeutung gewonnen. Der Einsatz von KI hat das Potenzial, die Effizienz und Produktivität steigern, zum Vorteil der Banken, aber auch der Kunden. Diese Entwicklungen bringen aber neue Herausforderungen und Risiken mit sich. Insbesondere der Einsatz generativer KI verlangt Regulatorien auf nationaler und internationaler Ebene.“
Die Regulatorien, denen der Einsatz von KI (die sowohl Large Language Modelle als auch Generative AI umfasst) auf europäischer Ebene unterliegen, werden im AI Act geregelt, der seit diesem Jahr und noch bis Mitte nächsten Jahres umgesetzt wird. Turner-Hrdlicka räumt ein, dass die europäische KI-Verordnung (die neben den üblichen, umfangreichen Regulatorien zur Anwendung kommt) zum Teil aber widersprüchliche Ziele verfolgt. „So soll zum Einen die EU führend werden in Bezug auf generative KI. Gleichzeitig soll die KI aber auch transparent, menschenzentriert und sicher sein“, erläutert Turner-Hrdlicka.
Weg von reaktiv, hin zu proaktiv
Gerda Holzinger-Burgstaller sieht einen Perspektivenwandel: „Banken waren früher ein reaktives Geschäftsmodell – der Kunde kam zu uns, brauchte etwas und die Bank hatte das beste Produkt oder Service zu finden. KI hat das verändert – unsere Kund*innen erwarten mittlerweile, dass wir ihnen proaktiv maßgeschneiderte Angebote legen.“ Das sieht Michael Höllerer ähnlich, obgleich der Wandel in Österreich noch nicht so rasch vor sich geht: „In der klassischen Kreditvergabe sind die traditionellen statistischen Modelle immer noch das dominierende Modell. Beim Einsatz von KI im Kreditprozess stehen wir erst am Anfang.“
Die Regulatorien durch den AI Act sowie andere Regulatorien, wie die Datenschutzgrundverordnung DSGVO, sehen die Bankensektor-Vertreter*innen zwiegespalten. Man sei sich bewusst, dass der Einsatz von KI sowohl bei Kund*innen als auch Mitarbeitenden zu Verunsicherung führt. Gleichzeitig wünscht man sich aber auch weniger umfangreiche Regulatorien. Holzinger-Burgstaller findet klare Worte: „Es braucht einen Aufruf zur Vereinfachung, auch für den Bankensektor. Versuchen wir nicht, Dinge der Zukunft jetzt schon kompliziert zu regeln. Kundennutzen vs. Bankengeheimnis und Datenschutz müssen besser abgewogen werden. Dem stimmt auch Michael Höllerer zu: „Es wäre an der Zeit, politische Entscheidungsprozesse neu aufzusetzen, auch im Hinblick auf die Halbwertszeit technologischer Lösungen.“
Abschließend blieb die Frage, ob KI bald über den Kredit entscheiden wird, unbeantwortet: Es bleibt abzuwarten, wie sich die KI-Systeme in Zukunft entwickeln, und auch, ob und wie weit die politischen Regulatorien, denen europäische Banken unterliegen, verändert werden. Klar ist: Auch der Bankensektor wird sich durch den Einsatz von KI in Zukunft noch weiter verändern. Ob und wie weit sich das für die eigene Kreditwürdigkeit als positiv auswirkt, kann aber nur die Zeit zeigen.
Die ganze Diskussion zum Nachschauen:
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