„Danach verliert sich ihre Spur.“ Bruchstücke einer Biografie

Hermine Goll hatte 1932 als erste Frau an der Hochschule für Welthandel promoviert. Ihr weiterer Werdegang blieb lange unbekannt. Bis eine Recherche zu ihrem Sohn und ihrem bewegten Leben führte. Der internationale Frauentag war in den vergangenen Jahren immer wieder Anlass, Nachforschungen zu den Pionierinnen im Wirtschaftsstudium zu betreiben. Damit sollten die Leistungen und Biografien jener Frauen sichtbar gemacht werden, die lange Zeit unbeachtet blieben.

Einen Ausgangspunkt für die Recherchen stellt das Universitätsarchiv der WU dar, mit alten Karteikarten, Originalfestschriften und Promotionsunterlagen. Recherchen außerhalb des Universitätsarchivs verliefen allerdings oft enttäuschend. Im Wiener Stadt- und Landesarchiv endeten sie häufig mit dem Satz: „Danach verliert sich ihre Spur.“

Eine von sechs

Das galt auch für Hermine Goll. 1932 ist sie eine von sechs Personen, die erstmalig ein Promotionsstudium an der Hochschule für Welthandel abschließen. In einer Publikation über Frauen an der Hochschule für Welthandel wird sie als erste promovierte Frau an der Vorläuferorganisation der WU genannt, allerdings mit dem falschen Namen Hermine Groll. Nachforschungen unter diesem Namen blieben verständlicherweise ergebnislos. Erst eine Festschrift aus dem Jahr 1932 führte zum korrekten Namen und zur bis dahin vergeblich gesuchten Karteikarte.

Diese offenbarte, dass Hermine Goll am 18.12.1905 in Brod, Jugoslawien, geboren wurde. Ihr Vater, Viktor Goll, war Fabrikant, ihre Elternsprache war Deutsch. Sie besuchte ein humanistisches Gymnasium in Maribor und war ab 1927/28 an der Hochschule für Welthandel inskribiert. Ihre Dissertation verfasste sie über „Das jugoslawische Küstenland als Wirtschaftsraum“, am 15.7.1932 promovierte sie. Recherchen zu ihrem weiteren Lebensweg blieben zunächst ergebnislos.

Raffinerieleiterin

Zwei Jahre nach den ersten Recherchen nahm Regina Zodl, Mitarbeiterin im Universitätsarchiv der WU, die Suche nach Hermine Goll wieder auf. Über den Namen des Vaters und zwei genealogische Datenbanken stieß sie auf eine Kontaktperson, die den Weg zum Sohn von Hermine Goll ebnete. Ein auf Deutsch verfasster Brief wurde postwendend beantwortet. Er enthielt neben einer kurzen Biografie auch Fotos, die Hermine Goll am Tag ihrer Promotion sowie mit ihren KommilitonInnen vor und in der Hochschule für Welthandel zeigen. Der Brief gewährt einen ersten Einblick in ein offenbar bewegtes Leben: Nach ihrer Promotion gründete Hermine Goll 1932 oder 1933 gemeinsam mit ihrem Bruder Gustav Goll in Maribor die Ölraffinerie Motoroil, die sie als Mitinhaberin leitete. 1933 heiratete sie den Arzt Milko Bedjanič. Danach war sie weiterhin, bis zur deutschen Besetzung Jugoslawiens im April 1941 für die Leitung der Raffinerie mitverantwortlich. Dann zog sie sich aus politischen Gründen ins Privatleben zurück und war auch nach dem Krieg nicht mehr beruflich tätig. Trotzdem wurde sie zur Beschlagnahme sämtlichen Besitzes verurteilt. Hermine Bedjanič, geb. Goll, starb 1996 in Maribor.

„Da müssen wir behutsam vorgehen“

In den bisherigen Recherchen gelang es, einen kleinen Ausschnitt der Biografie von Hermine Goll – der ersten Frau mit WU-Promotion – zu beleuchten. Noch sind viele Fragen offen, die vielleicht in weiteren Kontakten mit den Erben von Hermine Goll geklärt werden können. Dabei sei ein behutsames Vorgehen nötig, erklärt Regina Zodl, und ein allmählicher Vertrauensaufbau. Dann lassen sich vielleicht weitere Teile zur Biografie von Hermine Goll zusammenfügen.

Herzlichen Dank an Regina Zodl, Mitarbeiterin des Universitätsarchivs, und Johannes Koll, Leiter des Universitätsarchivs der WU, für ihre Unterstützung.


Quellen:

  • Die Pionierinnen im Wirtschaftsstudium. Bericht einer Spurensuche: https://www.wu.ac.at/universitaet/ueber-die-wu/geschichte/frauen-an-der-wu/
  • Frau Diplomkaufmann und andere Pionierinnen: https://blog.wu.ac.at/2017/03/frau-diplom-kaufmann-und-andere-pionierinnen-an-der-wu-ein-rueckblick-und-ein-quiz-anlaesslich-des-internationalen-frauentags/
  • Hofrat Prorektor Dr. Josef Gruntzel:  Bericht des Prorektors über das Studienjahr 1931/32. In: Hochschule für Welthandel (1933): Die feierliche Inauguration des Rektors der Hochschule für Welthandel für das Studienjahr 1932/1933.
  • Berger, Peter: Die Wiener Hochschule für Welthandel und ihre Professoren 1938 – 1945. In: Koll, Johannes (2017): Säuberungen an Österreichischen Hochschulen 1934 – 1945: Voraussetzungen, Prozesse, Folgen. „Manche Ordinarien wie (…) der Doyen der Volkswirtschaftslehre an der Hochschule für Welthan­del, Josef Gruntzel, traten mutig gegen die antisemitischen Krawallmacher von der Deutschen Studentenschaft auf und versuchten gelegentlich sogar, bedrohte jüdische Hörer zu schützen.“
  • Berger, Elisabeth:  Das Frauenstudium an der Universität Wien im Zeichen des Liberalismus:  www.cajetan.net.

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