„Ein freies Internet kann eigentlich nur werbefinanziert sein“

Während die Budgets für Online-Werbung weiterhin wachsen und 2017 in den USA wohl erstmals jene für die sonst so prestigeträchtige TV-Werbung übersteigen werden, beschäftigt sich WU-Professorin und Researcher of the month 05/17 Nadia Abou Nabout mit den Auswirkungen, die der Werbekontext auf das Markenimage hat. Im persönlichen Interview erklärt die Leiterin des Instituts für Interactive Marketing, warum sie selbst keine Ad-Blocker nutzt und auf welche Werbung sie klickt.
  • Name: Nadia Abou Nabout
  • Jahrgang: 1983
  • Geburtsort (aufgewachsen in): Karlsruhe (Meerbusch in der Nähe von Düsseldorf)
  • Als Kind wollte ich werden: Chirurgin
  • Darum bin ich Wissenschaftlerin geworden: Ich liebe Daten und schreibe super gerne. Als Wissenschaftlerin kann ich beides: Daten analysieren und Artikel schreiben.
  • Das fasziniert mich an meinem Fachbereich: Wie gesagt, die Daten sind cool und was man heutzutage alles tracken kann, ist für Marketer ein Traum.
  • Mein persönliches berufliches Wunschziel: Ich möchte in ein paar Jahren sagen können, dass ich eine gute Mentorin für meine Doktoranden war: Also selbst forschungsaktiv und junge Menschen animierend auf internationalem Niveau zu forschen.

WU Blog: Sie sagen „Onlineshopping ist mein Leben“ – und sprechen damit sicher vielen jungen Menschen aus der Seele. Wie hoch ist der Einfluss von Werbung auf Sie selbst und Ihr Konsumverhalten?  

„Die Daten sind cool!“

Nadia Abou Nabout: Ganz ehrlich, ich glaube sehr hoch! Ich erwische mich öfter mal dabei, dass ich auf Werbungen bei Facebook klicke oder bei Retargeting-Anzeigen nicht widerstehen kann. 😉

WU Blog: Sie selbst haben einen sehr bunten kulturellen Background. Im Hinblick darauf, dass Werbung auch immer etwas ist, das stark von unterschiedlichen Kulturen (zB Humor oder Erzählperspektive) geprägt ist – würden Sie sagen, dass Sie hierdurch Vorteile haben, was die Rezeption und Analyse von Werbung angeht?

Nadia Abou Nabout: Vorteile würde ich nicht sagen: Am Ende des Tages habe ich meistens große Datensätze vor mir und versuche empirische Befunde mit Theorien aus dem Marketing zu erklären. Auch wenn Kreation von Werbung sicherlich immer von sozialen Normen, Humor, Kultur etc. abhängt, glaube ich doch, dass es halbwegs universelle Theorien dazu gibt, wie Werbung verarbeitet wird.

„Es ist einfach nicht OK zu glauben, man könne Content im Internet konsumieren ohne dafür zu bezahlen.“

WU Blog: Nutzen Sie selbst einen AdBlocker?

Nadia Abou Nabout: Nein! Und dies hat mehrere Gründe: Ich mag insgeheim die personalisierte Werbung im Internet und muss ja auch persönlich nachvollziehen können, wozu ich forsche. Aber noch viel wichtiger ist, dass wir ja ein freies Internet haben, in welchem Informationen jedem Menschen zur Verfügung stehen sollen – egal welcher Herkunft, ob reich oder arm, etc. Ein solches freies Internet (also kein „Bezahl-Internet“) kann eigentlich nur werbefinanziert sein. Zumindest hatte bisher niemand eine bessere Idee, wie ein solches freies Internet ohne Werbung aussehen könnte bzw. diese Ideen haben sich einfach nicht durchgesetzt.

Es ist einfach nicht OK zu glauben, man könne Content, wie z.B. gut recherchierte Artikel, im Internet konsumieren ohne dafür zu bezahlen. Dafür haben Journalisten hart gearbeitet und verdienen es, dass man dafür mit der Bereitschaft sich Werbung anzusehen, bezahlt. Dass Werbung oft auch nervt, sehe ich ja ein. Und daraus folgt, dass wir sie als Marketer besser machen müssen. Der Schluss kann aber nicht sein, dass ich einen AdBlocker installiere und damit den Webseiten die Monetarisierungsgrundlage entziehe.

WU Blog: Vor Kurzem haben mehrere große Firmen in Großbritannien ihre Kampagnen auf Google (und der Tochter YouTube) gestoppt, weil das Werbeumfeld nicht adäquat war. Google reagierte mit einer Entschuldigung und dem Vorsatz, künftig besser gegen unpassende Inhalte vorzugehen. Wie stehen Sie zu solchen Versprechen, etwas gegen hasserfüllte oder gewaltverherrlichende Inhalte zu unternehmen, um Werbekunden zu halten: Augenauswischerei oder echtes Bemühen?

Nadia Abou Nabout: Ich glaube, dass echtes Bemühen dahintersteckt, da das Ganze wirklich geschäftsschädigend für Google sein kann. Intransparenz im Online-Werbemarkt ist übrigens nicht nur ein Problem für Google, sondern ein ganz generelles Problem der Branche. Werbetreibende müssen damit leben, dass sie selten wissen, wo ihre Werbung läuft, wer sonst noch so neben ihnen erscheint, wie sichtbar ihre Werbung war, usw. Nicht zuletzt ist Fraud in der Online-Werbung ein Riesenproblem. Der Markt wird sich langfristig zu mehr Transparenz entwickeln müssen. Google macht da einen ersten Schritt in die richtige Richtung. Ich bin mir relativ sicher, dass Andere folgen werden.

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