„Es gibt wirtschaftliche Hoffnung trotz politischer Risiken“

Einmal jährlich im Jänner hält der Präsident der WKO, Dr. Christoph Leitl in seiner Rolle als Gastprofessor an der WU eine öffentliche Gastvorlesung und diskutiert dabei die wirtschaftlichen Perspektiven, denen sich Österreich zu stellen hat. Im Vorfeld der Veranstaltung am 19. Januar 2017 haben wir den WKO-Chef zum Interview über geopolitische Unsicherheiten, die Auswirkungen von Trump und Brexit sowie zu seiner Einschätzung der heimischen Unternehmen gebeten. 

Welche großen wirtschaftlichen Herausforderungen sind in Österreich – und Europa – für 2017 zu erwarten?

Christoph Leitl: Die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen für das Jahr 2017 sind herausfordernd, aber solide. Steigende Rohstoffpreise stellen für ressourcenintensive Branchen Schwierigkeiten dar und erhöhen die Inflation. Aufgrund der Niedrigzinspolitik der EZB kann aber auch 2017 der moderate Wachstumskurs in der EU und der Eurozone fortgeführt werden. Allerdings bleiben die (geo-)politischen Unsicherheiten auch 2017 hoch. Risiken stellen Ausgestaltung des Brexit, Unsicherheit über den wirtschaftspolitischen Kurs der USA, schlecht kapitalisierte Banken, teils weiterhin hohe Staatsverschuldung, die expansive Geldpolitik sowie die Folgen von Konflikten, geopolitischen Spannungen und Terrorismus dar.

Wie könnte in Österreich den bestehenden Herausforderungen begegnet werden?

Christoph Leitl: Vertreter der Bundesregierung haben zuletzt einige wichtige Punkte angesprochen, die in die richtige Richtung gehen: Entlastung der Betriebe, Senkung der KöSt, Senkung der hohen Lohnnebenkosten, Impulse zur Stärkung des Wirtschaftswachstums und der Wettbewerbsfähigkeit der heimischen Wirtschaft sowie Maßnahmen zur Flexibilisierung der Arbeitszeit und zur Reduzierung der Arbeitslosigkeit, um nur einige wenige Punkte bzw. ‚Baustellen‘ zu nennen. Das ist absolut zu begrüßen. Den Worten müssen nun aber Taten folgen. Die Wirtschaftskammer Österreich und auch die Sozialpartner werden bei der Umsetzung solcher Maßnahmen selbstverständlich konstruktiv mitwirken. Wir haben zahlreiche Handlungsfelder identifiziert, die vor allem die Bereiche Investitionen, Finanzierung, Digitalisierung, Innovation, Entlastung, Arbeitsmarkt und Arbeitszeitflexibilisierung betreffen. Ziel ist es, die Rahmenbedingungen für Unternehmen am Standort Österreich zu verbessern.

WU Blog: Laut WIFO-Prognose ist es vor allem die Inlandsnachfrage nach dauerhaften Gütern (Fahrzeuge, etc.), die den Konsum aktuell befeuert. Dieses Wachstum soll aber bis Mitte 2017 nachlassen. Was ist danach für das Wirtschaftswachstum zu erwarten?

Christoph Leitl: Laut Prognose des WIFO schließt Österreich nach fünf Jahren wieder zum Durchschnitt der EU und der Eurozone auf. Nach mäßigem Wachstum entwickeln sich Österreichs Exportmärkte 2016 gut und wachsen schneller als die Weltwirtschaft. Es ist zu erwarten, dass sich mit dem Auslaufen der Effekte der Steuerreform das Wirtschaftswachstum etwas verlangsamen wird. Gleichzeitig wird auch die Arbeitslosigkeit – trotz hoher Beschäftigungszahlen – hoch bleiben. Da das Wirtschaftswachstum aller Voraussicht nach sowohl 2017 als auch 2018 unter dem EU-Durchschnitt liegen wird, sind Maßnahmen zur Konjunkturbelebung das Gebot der Stunde. Aus Sicht der Wirtschaft muss daher die Ankurbelung der Investitionen eine der Top-Prioritäten sein.

„Die Arbeitslosigkeit wird – trotz hoher Beschäftigungszahlen – hoch bleiben.“

Wie schätzen Sie die Bedeutung politischer Ereignisse innerhalb der EU, wie die Abwicklung des Brexit, oder aber auch internationaler Politereignisse (wie z.B. Donald Trump als neuer US-Präsident) für die österreichische Wirtschaftslage ein?

Christoph Leitl: Das Votum für den Brexit und die Wahl von Donald Trump haben für viel Echo gesorgt. Der negative Ausgang des britischen EU-Referendums ist bedauerlich, aber zu akzeptieren. Das bedeutet aber nicht, dass die EU auseinanderbricht. Im Gegenteil, es besteht nunmehr die Chance für eine Reform des europäischen Projekts. Was die Folgen für Österreich angeht, wird es einerseits davon abhängen, wie zügig und konstruktiv der Brexit abgewickelt wird und wie sich das britische Pfunds entwickelt. Das Vereinigte Königreich ist für Österreich der achtwichtigste Handelspartner und die Abwertung des Pfunds könnte des Potenzial für österreichische Exporte verringern. Andererseits bieten viele österreichische Lieferanten hochspezialisierte Nischenprodukte, die nur schwer durch neue Lieferanten ersetzbar sind.

Was die Wahl von Trump angeht: die heimischen Betriebe exportieren jährlich Waren im Wert von rund 9 Mrd. Euro in die USA. Das zeigt, wie wichtig die größte Volkswirtschaft der Welt für Österreich ist und daran wird sich in Zukunft auch unter einem Präsident Trump nichts ändern. Die US-Wirtschaft ist stark mit der Weltwirtschaft verflochten und wird auch weiterhin Interesse haben, ihre Produkte und Dienstleistungen global zu verkaufen bzw. werden die USA auch weiterhin europäische Waren nachfragen.

Welche Branchen können 2017 eher mit einem Aufschwung rechnen?

Christoph Leitl: Laut unserer Befragung der Mitglieder – dem aktuellen Wirtschaftsbarometer – blicken die Unternehmen relativ optimistisch in die Zukunft und erwarten eine stabile Entwicklung. Aktuell ist die Zuversicht im Verarbeitenden Gewerbe überdurchschnittlich hoch. Impulse sind auch im Tourismus zu erwarten. Handel und Dienstleistungen erwarten im kommenden Jahr eine stabile Entwicklung.

In welchen Branchen ist eher ein Rückgang zu erwarten?

Christoph Leitl: Etwas zurückhaltender äußert sich die Bauwirtschaft im aktuellen Wirtschaftsbarometer. Positive Signale sind aber laut der aktuellen WIFO-Prognose erkennbar, denn die Bauinvestitionen sollten erstmal seit drei Jahren wieder zunehmen.

Schauen Sie positiv in die wirtschaftliche Zukunft Österreichs und wenn ja, warum?

Christoph Leitl: Ich bin grundsätzlich ein optimistischer Mensch. Auch wenn die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen für das Jahr 2017 durchaus herausfordernd sind. Es gibt einige wirtschaftliche Hoffnungen trotz der politischen Risiken. Es muss das Vertrauen gestärkt werden und die Rahmenbedingungen für Unternehmen verbessert werden. Wenn die Entscheidungsträger die Ärmel aufkrempeln, Probleme nicht nur ansprechen, sondern auch Lösungen präsentieren und diese Lösungen auch glaubhaft umsetzen, dann können wir die Herausforderungen meistern und Österreich wieder zurück an die Spitze führen. Dann wird investiert, dann wird Beschäftigung geschaffen.

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