Gründerinnen in Österreich: „Einfach mal machen!“

Frauen als Gründerinnen von Unternehmen in Österreich sind bis heute in der Minderheit. Damit sich an dieser Entwicklung langfristig etwas ändert, haben sich Lisa-Marie Fassl, Nina Wöss und Tanja Sternbauer ein Herz gefasst und gemeinsam die Startup-Plattform Female Founders gegründet. Das Team vom WU Blog hat die 25-jährige Gründerin Lisa-Marie Fassl anlässlich des StartupDay Female Entrepreneurship am 14. Dezember zum Interview über Mansplaining, die Frauenquote und hilfreiche Tipps für Gründerinnen gebeten.

 

Wofür stehen die Female Founders und was war Ihre größte Motivation, diese gemeinsam mit Nina Wöss und Tanja Sternbauer zu gründen?

Fassl: Wir sehen uns als Initiative zur Unterstützung & Sichtbarmachung von Frauen in der Startup-Szene. Das heißt, wir wollen nicht nur Gründerinnen unter sich, sondern auch mit relevanten Stakeholderinnen, anderen Startups und natürlich auch potentiellen MitarbeiterInnen vernetzen. Gleichzeitig werden bei uns Themen wie Finanzierung und Mentoring adressiert und in Form von passenden Formaten vermittelt. Die Motivation zu Female Founders ist aus eigenen Erfahrungen bzw. Bedürfnissen entstanden.

Nina, Tanja & ich sind schon seit einigen Jahren in unterschiedlichen Rollen und Funktionen in der Startup Szene aktiv gewesen. Uns allen ist dabei kontinuierlich aufgefallen, dass vor allem bei Events deutlich weniger Frauen als Männer waren. Gleichzeitig haben wir immer wieder vereinzelt Frauen in der Startup-Szene kennengelernt, die Kontakte zu anderen Frauen gesucht haben. Um genau diese Vernetzung effizienter zu betreiben, haben wir beschlossenen eine Art Stammtisch ins Leben zu rufen und die uns bekannten Frauen zu vernetzen. Bei diesem Event war dann der Zulauf so groß (+50 Teilnehmerinnen), dass uns klar wurde, dass es noch viel mehr Potential in diesem Bereich gibt. Langfristig erhoffen wir uns aus unserern Aktivitäten positive Folgeeffekte – wie zB mehr Role Models für das Thema Female Entrepreneurship zu entdecken und dadurch wiederum mehr Frauen für die Startup Welt zu begeistern.

Mädchen werden anders erzogen

Was sind die größten bürokratischen oder institutionellen Hürden für weiblich geführte Unternehmen in Österreich und was kann man dagegen unternehmen?

Fassl: Aus unserer Sicht sind die bürokratischen und institutionellen Hürden für weibliche und männliche Gründer im Großen und Ganzen gleich, mit Ausnahmen wie beispielswseise der Unterstützung im Fall einer Schwangerschaft, bei der Selbstständige gegenüber Angestellten deutlich schlechter gestellt sind. Die Hürden liegen viel mehr in gesellschaftspolitischen Themen bzw. sind ein starkes Sozialisierungsthema. Dabei geht es – ganz bildlich gesprochen – tatsächlich noch immer um ein Denken in den Farben rosa und blau: Junge Mädchen werden oftmals komplett anders erzogen als Burschen, das beginnt bei der stereotypen Auswahl von Spielzeugen oder den Charaktereigenschaften die typischerweise als eher weiblich eingestuft und Mädchen vorgelebt werden. Das heißt, obwohl Mädchen und Buben prinzipiell die gleichen Voraussetzungen und Möglichkeiten haben, werden aufgrund von Erziehung und dem Vorleben durch Familie und Umfeld bestimmte Werte und Erwartungen an Mädchen vermittelt, die sich später oft einschränkend auswirken.

In den meisten Fällen passiert das natürlich unbewusst und wird von Generation zu Generation weitergegeben, weil es selbst nicht anders erlebt wurde. Als Folge daraus sind bestimmte Eigenschaften bei den Geschlechtern unterschiedlich ausgeprägt und werden entsprechend wahrgenommen: So ist bspw. Risikofreude eine als oft typisch männlich dargestellte Eigenschaft und wird im Kontext einer Unternehmensgründung als essentiell angesehen. Frauen hingegen sind oft risikoaverser und viel bedachter in ihren Entscheidungen und Versprechen, was in der schnelllebigen Startup-Welt vielleicht von Nachteil sein kann. Allerdings sind Voraussicht und Bedachtheit gerade für den erfolgreichen Aufbau eines Unternehmens essentielle Eigenschaften.

Da der Kern der Hürden eben eher gesellschaftlich und oft auch psychologisch bedingt ist, braucht es Maßnahmen auf unterschiedlichen Ebenen um sie zu adressieren. Diese sollten bereits in sehr frühen Lebensphasen gesetzt werden und dazu beitragen die klischeehaften Bilder von Frauen und Männern aufzubrechen und eine tatsächliche Gleichberechtigung zu ermöglichen. Um für das Thema Unternehmertum zu begeistern, gibt es eine Vielzahl von spielerischen Möglichkeiten Interesse zu wecken die bereits in der Kindergarten- oder Volksschulzeit eingesetzt werden können. Essentiell ist aus unserer Sicht das Aufzeigen von Role Models um ein besseres Verständnis für die Person der Unternehmerin zu schaffen und dieses Karrierebild positiv zu besetzen.

 

Hürden sind eher gesellschaftlich und psychologisch

Männer oder andere Frauen: Wer stellt ihrer Meinung nach die größere psychologische Hürde für Frauen dar, die sich selbständig machen möchten? 

Fassl: Psychologische Hürde ist eine gute Beschreibung, da es sich in beiden Fällen oft um selbsterzeugte Ängste handelt, Ansprüchen oder Erwartungen nicht gerecht zu werden. Gerade im unternehmerischen Kontext spielt die Angst vor dem Scheitern eine riesengroße Rolle, die offen gesagt auch berechtigt ist, da Scheitern leider noch immer sehr negativ konnotiert ist und nicht wie im amerikanischen Raum als Möglichkeit zum Lernen wahrgenommen wird. Die damit oft verbundenen Selbstzweifel und viel zu hohen Ansprüche an sich selbst (gelebter Perfektionismus) sind bei vielen Gründerinnen deutlich spürbar – das zeigt auch der Report den wir gerade veröffentlicht haben.

Ob Männer oder Frauen da die größere Hürde sind ist schwer zu sagen, ich neige dazu eher Männer zu sagen, da wir gerade im Startup-Kontext merken, dass sich die aktiven Frauen tatsächlich sehr stark unterstützen und auch von älteren Generation entsprechend gepusht werden – um genau dieser oben beschriebenen positiven Spirale Antrieb zu geben und mehr Frauen auf ihren Karrierewegen zu unterstützen.

Scheitern ist immer sehr negativ konnotiert

Welche Erfahrungen haben Sie selbst mit Stutenbissigkeit oder „Mansplaining“?

Fassl: Gerade von Frauen war der Support in der Startup Welt sehr groß, da es tatsächlich viel gegenseitige Unterstützung gibt und von vielen Seiten der Wunsch da ist die Szene „weiblicher“ zu machen. Das ist vielleicht aktuell gerade einer der Upsides in der Startup-Szene, dass Frauen speziell Gründerinnen in technischen Startups fast schon hofiert werden, weil es eben verhältnismäßig wenig gibt. Die Downside – und ich glaube da bin ich nicht allein mit meinen Erfahrungen – ist das angesprochene Mansplaining. Das passiert leider tatsächlich gar nicht so selten und es ist immer eine Challenge entsprechend darauf zu reagieren ohne gleich als über-dramatisierend oder bossy abgestellt zu werden (was in diesem Zusammenhang leider noch typische Assoziationen sind).

 

Welchen Ratschlag (von dem Sie heute wissen, dass er berechtigt ist) hätten Sie gerne schon früher gehört?

Fassl: Ich würd’s nicht nur als Ratschlag sondern schon fast als Credo bezeichnen: Just f***ing do it. D.h. einfach machen, sich auf Dinge einlassen, eigene Erfahrungen sammeln und schauen ob’s gut geht. Wir haben in Österreich das große Glück aufgrund unseres Sozialsystems sehr gut abgesichert zu sein. In Kombination mit den Möglichkeiten die Digitalisierung und Globalisierung  bringen sowie dem aktuellen Momentum für das Startup-Thema, war es noch nie so einfach ein Projekt zu starten und Neues auszuprobieren.

Diese Chancen gilt es gerade für junge Menschen zu nutzen – nicht nur im unternehmerischen Kontext. Viel zu oft lässt man sich wie oben erwähnt aufgrund irgendwelcher persönlichen Erwartungen, Annahmen, Ängste, etc. beeinflussen und verpasst dabei spannende Chancen. Daher wäre der Ratschlag vielleicht weiterentwickelt: Auf das eigene Bauchgefühl und sich selbst vertrauen. Und ruhig dazu stehen, wenn die Situation gerade schwierig ist und angebotene Unterstützung annehmen.

 

Was raten Sie potentiellen Unternehmerinnen, die sich bei Ihnen über die Gründung eines Unternehmens erkundigen wollen?

Fassl: Abgesehen von den oben erwähnten Ratschlägen, sind das bei frühphasigen Projekten klassischer Weise vier zentrale Dinge:

1. Passende Co-GründerInnen suchen. Bei der Umsetzung von Projekten bzw. dem Start von Jungunternehmen sind die Menschen die dahinter stehen essentiell. Produkte und Geschäftsmodelle können sich ändern, aber ein komplementäres Team zu haben, das sich nicht nur auf inhaltlicher Ebene ergänzt, ist der Schlüssel zum Erfolg. Und da der Weg dazu oft lang und schwierig ist, ist die Entscheidung mit wem man diese Achterbahnfahrt machen will enorm wichtig.

2. Über die Idee reden. Viele GründerInnen machen den Fehler nicht über ihre Ideen zu sprechen aus Angst, dass die Ideen kopiert oder kritisiert werden. Auch wenn die Ängste berechtigt sind, ist das Sprechen über die Idee und das Einholen von Feedback darauf die einzige Möglichkeit die Idee weiterzuentwickeln und schlussendlich zu realisieren. Der Punkt Angst vor der Kopie der Idee passt gleich zu

3. Die Umsetzung. Ideen an sich sind schön und gut, am Ende des Tages kommt es allerdings auf die Umsetzung an und darauf, Produkte und Services zu entwickeln die Kundenprobleme lösen und eine entsprechende Nutzungs- bzw. Zahlungsbereitschaft mit sich bringen. Daher kann die Idee noch so genial sein, wenn niemand bereit ist dafür Geld auszugeben lässt sich daraus kein nachhaltiges Unternehmen aufbauen.

4. Es geht nicht darum perfekt zu sein. Wir sehen oft, dass gerade bei GründerInnen Ideen bis ins letzte Detail durchdacht und ausgereift werden, sodass ein perfektes Produkt entsteht. Was deshalb problematisch ist weil es a) sehr lange dauert ein gefühlt perfektes Produkt zu entwickeln und  b) Perfektion in vielen Fällen gar nicht notwendig ist. Abgesehen davon liegt Perfektion sowieso im Auge des Betrachters, weshalb es immer jemanden geben wird, der Kritikpunkte findet – was ebenfalls ein wichtiges Learning ist, auf das man sich als Unternehmerin einstellen sollte.

Frauenquote unumgänglich?

Braucht es eine Frauenquote? 

Fassl: Ich glaube ich bin nicht allein wenn ich sage, dass ich kein Fan von Quoten bin. Ich seh’ einfach das Thema Gleichberechtigung als einen zentralen Wert in unserer Gesellschaft und bin fest davon überzeugt, dass Frauen und Männer die gleichen Voraussetzungen mitbringen und dementsprechend auch die gleichen Chancen haben müssen. Eine Frauenquote widerspricht daher dieser Vorstellung in gewisser Weise und bringt gleichzeitig oftmals einen negativen Beigeschmack mit, der sich wiederum negativ auf die angestrebte Gleichberechtigung auswirkt und viel Angriffsfläche bietet.

Dennoch sehen wir, dass sich ohne Quoten nicht viel bewegt – vor allem bei klassischen Karrierewegen und Managementpositionen. Um das übergeordnete Ziel einer tatsächlich gelebten Chancengleichheit zu erreichen, ist eine Frauenquote wohl unumgänglich, daher ja, es braucht eine Frauenquote. Um diese schneller durchzusetzen und den Begriff der Quote positiver zu besetzen, sollten allerdings positive Anreize zur Umsetzung geschaffen werden.

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