Meine schrecklichste Gruppenarbeit

Musste man während der Studieneingangsphase noch Skripten und Rechenwege bestmöglich auswendig lernen, so werden die fachdidaktischen Konzepte der Lehrenden im Verlauf des Studiums schon rasch ausgefeilter und die Gruppenarbeit hält Einzug in die Hörsäle. Im besten Fall präsentiert man ein OGH-Urteil, im schlimmsten Fall schlüpft man in die Rolle von PolitikerInnen und muss abwegigste Thesen auf überzeugende Art und Weise argumentieren. Während die Präsentation per se der leichteste Part einer solchen Gruppenarbeit ist, gleicht die Vorbereitung oft einem Spießrutenlauf. So eine Gruppenarbeit soll ja unter anderem die sozialen Fähigkeiten der Studierenden bilden, da gehört die ein oder andere schwierige Aufgabenstellung schon dazu. Zunächst wäre da Organisationstalent: Kollegin A etwa fährt jedes Wochenende zu ihrem Pferd nach Kärnten, während Kollege B während der Woche arbeitet und nur am Wochenende Zeit hat. Bist du nun Kollegin C, dann wünsche ich dir viel Erfolg bei der Terminfindung für ein gemeinsames Gruppentreffen. Eine zweite enorm geförderte Fähigkeit ist Konfliktmanagement: Kollegin A hält korrekte Kommasetzung und das Verfassen grammatikalisch korrekter und vollständiger Sätze offenbar für eine überschätzte Tugend. Kollege B ist konfliktscheu und versteckt sich hinter seinem Laptop. Du findest die genannten Dinge doch irgendwie wichtig. Während du äußerlich ruhig und sachlich mit A argumentierst, versuchst du angestrengt, einen sarkastischen Unterton und Hinweise auf deine persönliche Perzeption von Kollegin As Intelligenz zu vermeiden. Eine weitere Fähigkeit, welche durch Gruppenarbeiten gefördert wird, ist Geduld: Kollegin A liebt Powerpoint-Folien und will sich gemeinsam für ein schönes Design entscheiden. Kollege B wiederum besteht darauf, die WU-Folienvorlage zu verwenden. Du selbst findest, dass Folien nicht mit ganzen Absätzen in Schriftgröße 8 gefüllt sein sollten und das Design relativ egal ist. Kollege D ist das Phantom der Gruppe und hat sich nur äußerst marginal an der Ausarbeitung beteiligt. Seine einzige Aufgabe ist es, am Tag der Präsentation einen USB-Stick mit den Powerpoint-Folien mitzubringen. An diesem Tag merkt die Gruppe: Ob man nun eine beliebige Powerpoint-Vorlage verwendet oder die WU-Folien ist unerheblich, denn D hat den USB-Stick leider daheim liegen lassen und ihr müsst euer Referat nun ohnehin durch die bloße Kraft eurer Worte zum Leben erwecken. Hoffentlich geht es im Referat nicht um den Assoziationsratsbeschluss Nr. 3/80, das Zum-Leben-Erwecken mit Worten allein könnte in dem Fall eine größere Herausforderung darstellen.

Es mag nun der Eindruck entstehen, als sei Kollegin C, die natürlich keineswegs ident mit der Verfasserin dieser Kolumne ist, das subjektiv betrachtet wichtigste Rädchen im Getriebe der Gruppenarbeit beziehungsweise ein Alphatier. Kollegin C organisiert, Kollegin C sagt ihre Meinung sehr deutlich, Kollegin C will einen Einser. Kollegin C musste dieses Semester jedoch feststellen, dass Selbst- und Fremdwahrnehmung vermutlich gelegentlich auseinanderklaffen könnten. Eventuell sogar in ihrem Fall. Kollegin C hat ihre Nemesis getroffen: Kollege E. Kollege E schreibt die gemeinsame Seminararbeit quasi allein, während Kollegin C ihn auf später vertröstet. Kollegin C erkennt, dass sie möglicherweise von Zeit zu Zeit auch nicht die beste Gruppenkollegin ist. Kollege E, ich bin auch nicht besser als die Kollegen und Kolleginnen A, B und D. Ich verspreche dir, ich werde den USB-Stick nicht daheim liegen lassen.

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