Emotionen: Faszinierend und schwierig zu messen zugleich – Welche Rolle spielt Neuromarketing?

Warum lieben Konsumenten bestimmte Marken, andere weniger? Welche Motive treiben das Kauf- und Konsumverhalten? Wie werden Entscheidungen getroffen? Welche Rolle spielt dabei die Emotion in Relation zur Kognition? Dies sind exemplarische Fragen, die mich seit jeher fasziniert haben. Generell, in Bezug auf unseren menschlichen Lebensalltag, sowie speziell, auf Kauf- und Konsumsituationen bezogen. Letzteres steht im Kernfokus meines derzeitigen Forschungsinteresses. Konkret beschäftige ich mich damit, welche komplexen Vorgänge sich in der sogenannten „Black-Box“ Gehirn abspielen, wenn wir konsumbezogene Entscheidungen treffen.

Wenn wir vom Messen der Emotionen und zum Teil vielleicht sogar von unbewussten Vorgängen im Konsumentenverhalten sprechen, stoßen wir mit dem traditionellen Instrumentarium der Marketingforschung sehr rasch an methodische Grenzen. Manche Emotionen bzw. unbewussten Phänomene lassen sich einfach nicht oder nur sehr schwer und wenn dann nur durch die „kognitive Brille“ verzerrt, verbalisieren bzw. erfassen. In traditionellen Fragebogensettings, mit qualitativen Methoden oder sogar in Verhaltensexperimenten lassen sich diese wichtigen Themen oftmals nur zu einem gewissen Anteil ergründen. Vor diesem Hintergrund ist das interdisziplinäre Forschungsfeld des „Neuromarketing“ entstanden. Der Begriff wurde teilweise inflationär verwendet, aus akademischer Perspektive ist es daher eher sinnvoll, vom Forschungsfeld der „Consumer Neuroscience“ zu sprechen. Methoden der Neurowissenschaften eilen zu Hilfe, um ein wenig mehr Licht ins Dunkel der Vorgänge in der „Black-Box“ Gehirn zu bringen, die für unser Kauf- und Konsumverhalten so zentral sind. Ich bin seit der Geburtsstunde dieser neuen Forschungsdisziplin live dabei. Im Vergleich zur traditionellen Marketingforschung steckt dieses neue Forschungsfeld natürlich immer noch in den Kinderschuhen. International bewegt es sich jedoch sehr dynamisch und entwickelt sich vielversprechend.

Die objektive Messung von Einstellungen, z.B. jene affektiven Informationsverarbeitungsprozesse, die wir Konsumenten mit Marken verbinden, ist besonders herausfordernd. Ein weiteres meiner derzeitigen Forschungsfelder ist das Thema „Wahrgenommener Wert aus Kundensicht“: Welchen Wert bzw. Nutzen, sei es funktional, ökonomisch, emotional oder sozial, verbinden Konsumenten mit Produkten und Dienstleistungen? Hierbei sind es auch vor allem die affektiven Komponenten, die aus Marketingperspektive extrem spannend sind.

Der Einsatz von neurowissenschaftlichen Methoden kann also einen weiteren Beitrag zum Wissensstand rund um das Thema Emotion liefern. Aber nicht jede Methode aus dem Feld der Consumer Neuroscience eignet sich gleich gut in diesem Zusammenhang. Daher arbeite ich mit meinen ForschungskollegInnen auch intensiv daran, die einzelnen Methoden an sich hinsichtlich ihrer Stärken und Schwächen genau zu prüfen. Derzeit beschäftigen wir uns u.a. gerade mit der Methode der Schreckreflexmodulation. Diese Methode, die auf Basis des tief verwurzelten „Augenblinzelns“ (Lidschlag) als Reflex auf laute akustische Reize funktioniert und unbewusst ablaufende affektive Verarbeitung positiver sowie negativer Reize objektiv und vor allem auf sehr feingradig abgestuftem Niveau messen kann, ist einfach und aussagekräftig zu gleich. Dies macht sie für eine Anwendung im Bereich der Konsumforschung in Zukunft besonders interessant.

Forschung dieser Art kann auch sehr hilfreich sein, die zugrundeliegenden unbewussten und emotionalen Prozesse des individuellen Konsumverhaltens aufzudecken, um sich diese in weiterer Folge bewusst vor Augen führen zu können. Im Falle von für Konsumenten nachteiligem Verhalten (z.B. ungesundes Essverhalten, Überkonsum bestimmter Produkte, oder Energienutzungsverhalten) kann diese Art von Forschung auch dazu beitragen, Aufklärungsarbeit zu leisten. Hierzu ist ein verstärkter Diskurs zwischen den unterschiedlichen Stakeholdern in der Gesellschaft und der Industrie notwendig. Auch diese Fragen diskutiere ich gerade ganz aktuell in meiner Forschung.

#Neuromarketing #Blackbox #messen #Forschung

2  Kommentare

  1. Unglaublich, was sich in unserem Gehirn, oder der "Black Box", so abspielt. Wie viel wir mitbekommen, begrenzt sich also nicht nur auf das, was uns auch bewusst ist.

    Danke für diesen enorm interessanten und tiefgründigen Artikel! 🙂

    FoCor Lektorat | www.focor.at

  2. Liebes FoCor Lektorat,

    vielen Dank für euer positives Feedback! Darüber freuen wir uns immer sehr!